Pekings Tiananmen als Plattform für Protest

Epoch Times sprach mit David Demes, 21, Medizinstudent aus Gießen, der sich am 11. August in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens für Menschenrechte und ein freies Tibet eingesetzt hat.
Titelbild
Tibet-Aktivist David Demes am Montag, 11. August, nach seiner Ankunft auf dem Flughafen in Frankfurt. (AP Photo/Daniel Roland)
Epoch Times17. August 2008

ETD: Herr Demes, können Sie uns Ihre Aktion in Peking schildern?

David Demes: Wir sind mit drei weiteren Mitgliedern von Students for a Free Tibet, mit zwei US-Amerikanern und einem Kanadier, am 9. August zum Platz des Himmlischen Friedens gegangen, um für Menschenrechte in Tibet und natürlich auch für die Unabhängigkeit von Tibet zu demonstrieren. Wir haben uns auf dem Platz des Himmlischen Friedens hingelegt, eingehüllt in Tibetfahnen und wir hatten Kunstblut auf unser Gesicht und die T-Shirts geschmiert, womit wir das Blut des tibetischen Volkes symbolisieren wollten, das seit der chinesischen Besatzung vergossen wurde.

ETD: Wie lange hat diese Aktion gedauert?

Demes: 10 Minuten, dann wurden wir von Sicherheitskräften in Zivil abgeführt. Erst haben sie uns die Flaggen weggenommen, dann sind wir aufgestanden und haben als Gruppe beschlossen, dass unsere Aktion beendet ist. Dann haben wir uns an den Händen gefasst und zwei Sätze wiederholt. Einmal war das: „Human Rights vor Tibetans“, also „Menschenrechte für Tibeter“ und „Tibetans Dying for Freedom“, also „Die Tibeter sterben für ihre Freiheit“. Als wir das dann immer wiederholt haben, sind wir abgeführt worden von den Polizisten.

ETD: Ist Ihnen aufgefallen, dass an diesem Tag viele Polizisten auf dem Platz des Himmlischen Friedens waren, auch in Zivil?

Demes: Wir wurden nur von Polizisten in Zivil abgeführt, aber uns ist aufgefallen, dass an diesem Tag besonders viele Sicherheitskräfte da waren, auch in Uniform.

ETD: Wie ging es dann weiter?

Demes: Wir wurden in einen Hinterhof gebracht und dorthin kam ein als Krankenwagen getarnter Polizeiwagen. Da sind wir dann eingeladen und in ein nahe gelegenes Polizeirevier gebracht worden.

ETD: Wie wurden Sie auf der Polizeistation behandelt?

Demes: Wir wurden sechs Stunden voneinander getrennt verhört. Behandelt wurden wir nach internationalem Recht gut. Natürlich wurden wir viel besser behandelt als Chinesen behandelt werden von ihrer eigenen Polizei, viel, viel besser als die Tibeter, die mit Folter rechnen müssen und die wirklich astronomisch hohe Haftstrafen in Kauf nehmen müssen, wenn sie den Mut haben, ihre Flagge zu präsentieren.

ETD: Was für Fragen wurden Ihnen beim sechsstündigen Verhör gestellt?

Demes: Es waren komische Fragen, organisatorische Fragen. Wie haben wir das ganze geplant, wo haben wir die Flaggen her, haben wir sie aus China oder haben wir sie ins Land gebracht.

ETD: Mussten Sie auf alle Fragen antworten?

Demes: Natürlich hätten sie das gerne gehabt, aber wir haben nur die Fragen beantwortet, von denen wir wussten, dass sie die Antwort schon kannten. Zu allen anderen Fragen haben wir gesagt: Wir möchten wieder vereint werden als Gruppe und wir möchten einen Vertreter unserer Botschaft sprechen.

ETD: Haben sie das dann gemacht?

Demes: Nein, sie haben gesagt: „Du beantwortest erst einmal alle Fragen und dann schauen wir mal, ob wir einen Vertreter deiner Botschaft finden.“ Ich habe aber die meisten Fragen nicht beantwortet, sondern nur solche Fragen wie: Wann sind Sie eingereist oder was haben Sie vor dem Protest gemacht… Dinge von denen ich ausgegangen bin, dass sie sie sowieso wussten oder in welchem Hotel ich gewohnt habe.

ETD: Dann haben Sie also die deutsche Botschaft nicht erreicht?

Demes: Genau, ich habe keinen Kontakt zur deutschen Botschaft bekommen, auch nicht im Nachhinein mit dem Außenministerium.

ETD: Sie wurden dann wieder zu den anderen gelassen nach dem Verhör?

Demes: Ja, genau. Ich hatte ja immer wieder darum gebeten, was sie mir aber immer wieder verweigert hatten. Am Ende sind wir dann doch wieder zusammengekommen und in ein Auto gebracht worden und von da ganz schnell zum Flughafen. Unsere Sachen wurden von der Polizei aus dem Hotel geholt.

ETD: Gibt es Sachen, die dabei verloren gegangen sind?

Demes: Nein, es haben keine Sachen gefehlt, aber man hat gemerkt, dass die Sachen durchsucht wurden.

ETD: Sind Sie dann nach Deutschland ausgeflogen worden?

Demes: Nein, wir waren ja zu fünft. Drei von uns wurden nach Hongkong ausgeflogen und zwei nach Los Angeles.

ETD: Das heißt, sie mussten sich in Hongkong selbst ein Ticket besorgen und von dort aus nach Hause zurückfliegen?

Demes: Ja, genau.

ETD: In Hongkong wurden Sie jedoch nicht speziell behandelt?

Demes: Nein.

ETD: Wurden Sie nicht von dem Sicherheitspersonal kontrolliert, als Sie auf den Platz des Himmlischen Friedens traten? Hat man die Fahne nicht bei Ihnen gefunden?

Demes: Wir wurden normal kontrolliert.

ETD: Aber die Fahne haben sie nicht gefunden?

Demes: Ja, sie haben die Fahne nicht gefunden, aber dazu möchte ich nichts weiter sagen.

ETD: Sind Sie der Meinung, dass Ihre Aktion erfolgreich war?

Demes: Ja, unser Ziel war, Tibet wieder in die Augen der Weltöffentlichkeit zu bringen, weg vom Propagandaspektakel um Olympia, denn was in Tibet passiert, haben die meisten schon vergessen.

ETD: Waren Pressevertreter auf dem Platz und haben Sie gefilmt?

Demes: Ja, es waren Pressevertreter auf dem Platz.

ETD: Wie wurde Ihre Aktion von den Chinesen vor Ort wahrgenommen?

Demes: Zuerst haben wir zehn Minuten so da gelegen. Ich hab dann geblinzelt und geguckt, wie die Leute reagieren, ich hatte die Augen ja eigentlich geschlossen. Mir kam es so vor, dass die Leute zu mindest am Anfang stehen geblieben sind und sich gefragt haben, was wir da eigentlich machen, so dass es zu einem konstruktiven Dialog gekommen ist. Viele Chinesen haben die Flagge ja wahrscheinlich auch noch nie gesehen, weil es in China streng verboten ist, sie zu zeigen.

Ich denke, dass sich einige sicher Gedanken gemacht haben, was wir da gesagt haben und was wir dargestellt haben. Gegen Ende der Aktion kam es dann eher zu Aggressionen aus der Bevölkerung, wobei man nicht sagen kann, ob das vielleicht geschürt war. Ich kann das diesen Leuten aber nicht übel nehmen, denn wer weiß wie wir reagiert hätten, wenn wir in diesem Land aufgewachsen wären unter dem Regime.

ETD: Was für negative Reaktionen kamen?

Demes: Sie haben skandiert. Ich habe schon verstanden, dass es nichts Nettes war. Außerdem haben sie mit Gegenständen nach uns geworfen.

ETD: Wie lange waren Sie in Peking?

Demes: Vom 1. bis zum 9. August.

ETD: Das heißt, sie haben sich richtig vorbereitet auf die Aktion.

Demes: Ja.

ETD: Haben Sie im Hotel gewohnt? Und mussten Sie sich bei der Polizei anmelden?

Demes: Ja. Ich habe mich bei der Polizei angemeldet, das muss jeder innerhalb von 24 Stunden.

ETD: Wurden Sie überwacht? Sie sind ja sicher eine bekannte Person?

Demes: Wir waren natürlich vorsichtig. Ich habe nicht gemerkt, dass wir verfolgt wurden. Aber viele Hotels werden ja abgehört, von daher waren wir schon vorsichtig mit dem, was wir gesagt haben.

ETD: Haben Sie in China versucht, mit der chinesischen Bevölkerung über die Tibet-Frage zu sprechen?

Demes: Nein, das wäre zu gefährlich gewesen. Das hätte unsere Aktion gefährden können.

ETD: Wie denken Sie, ist die allgemeine Meinung von Chinesen zur Tibetfrage?

Demes: Die aggressiven Reaktionen kann man nicht verallgemeinern, es sind nicht alle Chinesen so, die so denken. Viele vielleicht, weil sie durch die Propaganda so beeinflusst wurden und nichts anderes kennen, aber es gibt auch Intellektuelle, wie z.B. Hu Jia, die eine differenziertere Meinung haben.

ETD: Wie würden Sie die Atmosphäre in der Stadt Peking und auf dem Platz des Himmlischen Friedens beschreiben?

Demes: Auf dem Platz des Himmlischen Friedens war die Stimmung an sich gut. Da sind ja viele Touristen, auch viele chinesische. Aber in der Stadt ist mir besonders die Nachbarschaftspolizei aufgefallen. Sie sind quasi reaktiviert worden. Die kennt man ja eher aus der Kulturrevolution, die „Roten Garden“, jetzt sieht man aber überall Leute mit roten Armbinden. Das ist schon beängstigend und einschüchternd, wenn man weiß, überall sind Leute, die einen beobachten und auch nicht davor zurückschrecken, einen zu melden. Das gilt besonders für die Chinesen selbst.

ETD: Auch im Hotel, wo Sie gewohnt haben?

Demes: Im Hotel nicht, aber vor der Tür und im Hotel gab es eine eigene Polizeiwache.

ETD: Waren da nur ausländische Touristen?

Demes: Nein, auch Chinesen. Aber die waren wohl berechtigt auch ausländische Gäste aufzunehmen, dafür braucht man wohl eine Lizenz.

ETD: Was ist Ihr Eindruck von den bewaffneten Polizisten?

Demes: Ja, davon gibt es einige, sogar viele. Es gibt auch welche mit automatischen Waffen.

ETD: Ist Ihnen die Propaganda aufgefallen?

Demes: Ja, die war ja überall auch auf Englisch und Französisch in typischer kommunistischer Parteisprache. Was man überall sieht ist, “One World One Dream” als riesige Plakatflächen, die ganze Stadt ist damit zugekleistert. Das ist auch schon fast eine Parole und symbolisiert auch die Ein-China-Politik in China.

Interessant ist, dass diese riesigen Plakate dazu verwendet werden, unschöne Dinge abzudecken, z.B. unschöne Viertel, Stellen, wo nichts gebaut wurde, oder die kaputt sind. Überall findet man das perfekte Bild von Peking, das auch nicht gestört werden darf von etwas schmutzigeren Vierteln. Überall sind neu hochgezogene Mauern, die den Blick der Touristen davon abhalten sollen.

ETD: Freuten sich die Chinesen auf die Spiele?

Demes: Bei vielen ist es einfach so, dass das keine große Rolle spielt. Das Leben geht weiter, auch wenn sie dafür viele Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Aber andere Leute sieht man schon mit roten Stirnbändern und roten Wangen, das sind vor allem Jugendliche. Bei den Erwachsenen findet man eher kühle Rationalität. Für viele war es eher negativ, wie das Fahrverbot wegen der Luftverschmutzung und die Lebensmittel und Taxi-Preise sind hochgegangen.

ETD: Ich habe gehört, dass es jetzt viele U-Bahn-Kontrollen gibt.

Demes: Ja, ich bin nicht U-Bahn gefahren, aber ich habe gehört, dass es ähnlich wie auf dem Platz des Himmlischen Friedens sein soll, mit Röntgengeräten. Aber im Bus gibt es mindestens einen Nachbarschaftspolizisten. Es sind oft Frauen, aber nicht nur, meistens so um die 30. Sie haben dabei einheitliche Kleidung. Die Taxifahrer haben neuerdings eine neue Uniform an.

ETD: Merkten Sie, dass die Taxifahrer englisch können, sie sollen ja geschult worden sein?

Demes: Nein, das Englisch geht überhaupt nicht. Es gibt Karten auf Chinesisch: „Bitte bringen Sie mich zu meinem Hotel. Aber sogar damit hat man Probleme.

ETD: Was ist Ihre Beziehung zu Tibet und China als Deutscher?

Demes: Ich bin über den tibetischen Buddhismus auf die Tibetfrage aufmerksam geworden und zwar durch die Geschichte über den 11. Panchen Lama. Ich habe das Buch gelesen „Die Suche nach dem Panchen Lama“ und das hat mich gefesselt, dass einem kleinen Jungen so etwas passieren kann, und ich interessiere mich für die Religion. So kam dann alles zusammen und dann habe ich mich immer weiter darüber informiert und im Internet die Webseite „Students for a Free Tibet“ gefunden. Ich bin seit 2004 Mitglied von Students for a Free Tibet.

Ich interessiere mich für den Buddhismus, würde mich aber nicht als Buddhisten bezeichnen.

ETD: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Die Fragen stellte Maria Zheng



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