Durch einen Schicksalsschlag zum Glauben gefunden

Nach drei Jahrzehnten fand eine Frau, nachdem sie eine Abtreibung traumatisiert hatte, endlich ihren Seelenfrieden.
Titelbild
Anhänger der Pro-Life-Bewegung feiern am 24. Juni 2022 vor dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington, DC, nach der Aufhebung des Urteils Roe v. Wade.Foto: Oliver Douliery/AFP via Getty Images
Von 27. August 2022

Am 24. Juni 2022 kam es in den USA zu einer bedeutsamen Entscheidung: Der Oberste US-Gerichtshof hob das Leiturteil „Roe v. Wade“ aus dem Jahr 1973 auf. Damit fällt das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Abtreibung. Konkret heißt das, dass es keine nationale Regelung für den Eingriff mehr gibt und die Bundesstaaten wieder darüber entscheiden, ob Schwangerschaftsabbrüche legal sind oder nicht.

Für Christie Ballor aus Ohio war die Entscheidung des Supreme Court von großer Bedeutung. Als 16-Jährige hatte sie eine Abtreibung erlebt, die sie traumatisierte. Sie glaubt, dass sie mit ihrem damaligen Freund schwanger wurde, weil ihre Eltern mit dem Thema nicht umzugehen wussten und ihr keine Orientierung gaben. Verängstigt suchte sie eine Schwangerschaftsberatungsstelle auf, wo man ihr mitteilte, dass ihr ungeborenes Baby nur ein „Zellklumpen“ sei, ganz ähnlich wie ein „Tumor“.

Heute erinnert sich die 67-Jährige an den langen Weg ihrer Genesung und bedauert ihre Naivität. „Ich blicke zurück und denke: ‚Wie konnte ich so etwas nur glauben?’“, erzählt sie der Zeitung „Live Action“. „Und das wurde nicht nur ein paarmal gesagt, sondern immer und immer wieder. In der Öffentlichkeit wird es nicht mehr so häufig kommuniziert, da sie die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse entkräften müssten. Aber unter vier Augen? – Ja, klar.“

Die Worte „und niemand wird es je erfahren“, die ihr in der Beratungsstelle gesagt wurden, schien für sie (wie für andere verängstigte junge Frauen) der Ausweg zu sein.

Grenzübertritt für die Abtreibung

Ballor trug die Idee ihrem Freund vor. Dieser überließ ihr die Entscheidung vollständig. Bei ihm spürte sie keinerlei väterliches Verantwortungsbewusstsein, sollte sie die Schwangerschaft austragen. Er kam allerdings für ihren Flug nach New York auf, damit sie die Abtreibung in einem anderen Bundesstaat durchführen lassen konnte. Damals war die Abtreibung in Ohio nicht illegal, es fehlte aber an Einrichtungen.

(Links) Ein Foto aus Ballors Abschlussjahr am Mount Union College im Jahr 1976, vier Jahre nach ihrer Abtreibung; (Rechts) Ballor beim Marsch für das Leben in Washington D.C. im Jahr 2017. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Christine Ballor

Rückblickend klingt die Idee verrückt, dass eine Minderjährige für eine Abtreibung die Staatsgrenzen überschreitet, – wenn nicht sogar strafbar. Für die Einrichtung „Dobbs Ferry Planned Parenthood“ in New York war das bedeutungslos. „Es interessierte sie nicht, dass ein Volljähriger mit mir die Staatsgrenzen überqueren müsste, damit ich eine Abtreibung vornehmen lassen konnte“, erinnert sie sich. „Ich war 16 Jahre alt und minderjährig. Es war ihnen völlig egal.“

Ihr Freund begleitete sie auf dem Flug, war aber erleichtert, als er am Flughafen warten musste. Denn Ballor wurde zusammen mit fünf oder zehn anderen Frauen, die alle aus demselben Grund die Reise angetreten hatten, von einem Kombi der Klinik abgeholt. Sie hatte sich gewünscht, dass ihr Freund sie beschützen und anflehen würde, die Abtreibung nicht vorzunehmen. Als der Wagen jedoch losfuhr, gab es kein Zurück mehr.

„Ich hatte in dem Augenblick das Gefühl, mich mit anderen schweigenden, traurigen und hoffnungslosen Frauen auf einem Fließband zu bewegen“, sagte sie. „Von da an bewegte ich mich einfach wie ein Roboter durch den ganzen Prozess und unterdrückte jegliche Gedanken und Gefühle. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich das Beruhigungsmittel, das sie mir gaben, wirklich nicht benötigt – mein Geist war bereits von Hoffnungslosigkeit betäubt.“

Die Dobbs-Klinik, so beschreibt sie, war eine „riesige Einrichtung“, „wie ein Krankenhaus“ für Schwangerschaftsabbrüche. Obwohl eine Beratung vor dem Eingriff vorgesehen war, wurden sie und die anderen Frauen nicht beraten. „Jemand fragte: ‚Haben Sie irgendwelche Fragen?‘ Nun, wer würde schon eine Frage stellen?“, sagt sie. „Und wer würde sagen: ‚Ich bin mir nicht sicher, ob ich das machen möchte?‘ Ich war gerade aus Ohio eingeflogen.“

Ballor versuchte, die Geräusche und Gerüche in dem kalten, sterilen Raum auszublenden. Der Arzt riet ihr: „Entspannen Sie sich, es wird nicht lange dauern.“ Das tat es auch nicht. Danach hörte sie das Weinen der anderen Frauen im Wartezimmer. Ihr selbst liefen auch die Tränen über die Wangen.

„Ich habe noch nie in meinem Leben eine solche Leere und Verzweiflung empfunden“, sagte sie. „Man hatte mir vorgegaukelt, mein Baby sei nur ein Klumpen Gewebe. Aber ich wischte mir die Augen ab, biss die Zähne zusammen und sagte mir, dass ich nicht weinen dürfe, weil ich mich dafür entschieden hatte, dies zu tun. Nichts konnte mein Baby zurückbringen. Ich schwor mir, so zu tun, als wäre es nie passiert. So verließ ich diesen Ort des Todes und der Verzweiflung genauso, wie ich ihn betreten hatte: wie ein Roboter, der seine Aufgaben erfüllt. Lange Zeit verdrängte ich das.“

Ballor sagt mit ihren eigenen Worten, sie habe ihr Kind umgebracht. Sie fühlte eine innere Leere. „Man fühlt sich eigentlich nicht leer, wenn man gerade einen Tumor entfernt bekommen hat.“ Sie kapselte sich emotional ab und verbrachte Jahrzehnte damit, die Plagegeister zu verdrängen, die sie wegen ihrer Taten plagten.

Auf Verzweiflung folgt Heilung

Während ihres Studiums und ihrer beruflichen Laufbahn als Grundschullehrerin suchte sie intime Beziehungen außerhalb der Ehe, da sexuelle Freizügigkeit akzeptiert und „sozusagen als normal angesehen wurde“, sagt sie. „Heute ist es noch schwieriger, sich über die Folgen von Sex im Klaren zu sein“; unser Körper sei ein kostbares Gut, das man nicht wegwerfen dürfe, „nur, weil ein Typ dir sagt, dass er dich liebt“.

Ballor gedenkt ihres verlorenen Kindes beim Nationalen Gedenktag für abgetriebene Kinder in Canton, Ohio, im Jahr 2016. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Christine Ballor

Unbewusst suchte sie sich Partner, die gefühllos waren und sie missbrauchten, was so weit ging, dass ihr ehemaliger Verlobter in ihre Wohnung einbrach und sie mit vorgehaltener Waffe vergewaltigte. Aus Schuldgefühlen heraus fühlte sie sich „unwürdig“, als ob sie diese schreckliche Behandlung verdient hätte.

„Auf diesem Weg habe ich mich befunden und habe mich in Alkohol und Drogen geflüchtet“, erzählte sie. „Nach außen hin habe ich immer den Schein gewahrt, konnte anfangen zu unterrichten, … aber nichts war befriedigend. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, war eine gute Schauspielerin: ‚Alles in Ordnung.’“

Mit einer Flasche Tequila in der einen Hand und einer Handvoll Schlaftabletten in der anderen betete sie: „Gott, wenn es dich gibt und wenn du denkst, dass mein Leben noch etwas wert ist, bitte, bitte hilf mir!“

Was dann kam, war ein Wunder

„Die Antwort erreichte meine Seele nicht in Worten, sondern in Form einer sofortigen Erkenntnis, dass ich von einer unbeschreiblichen, unergründlichen Liebe geliebt wurde, die beinahe unvorstellbar schien“, erzählte sie Live Action. „Ich fühlte mich von einer Wärme und einem Frieden umhüllt, den ich nicht beschreiben kann. Ja, Gott liebte mich, und mein Leben hatte einen Sinn. Da meine Eltern mich nicht religiös erzogen hatten, verbrachte ich drei Jahrzehnte damit, diesen Gott kennenzulernen, der mir sagte, dass er mich liebt.“

Dieses Erlebnis war ein Wendepunkt in Ballors Leben. Sie beschreibt, wie göttliche Kräfte sie zum Pro-Life-Aktivismus führten, zunächst in Washington, D. C., wo sie niemanden kannte. Dort schloss sie sich spontan einem Protest an und bat darum, ein Schild mit der Aufschrift „Ich bereue meine Abtreibung“ zu tragen.

Ballors Konvertierung zum katholischen Glauben, ihr Beitritt zum Abtreibungsheilungsprogramm „Heart“ und ihr Engagement als „Verteidigerin des Lebens“ bei Pro Life waren die entscheidenden Schritte auf ihrem Weg der Heilung in den folgenden Jahren.

Sie wurde zur Aktivistin: als Erzieherin, die jungen Frauen das vermittelt, was sie als Teenager so dringend gebraucht hätte, als Teilnehmerin des Marsches für das Leben und als Rednerin der Kampagne „Silent No More Awareness“ (Deutsch etwa: Nicht länger schweigen. Bewusstsein schaffen), die auf den Stufen des Obersten Gerichtshofs ihr Statement abgibt.

Dann, am 24. Juni 2022, geschah ein weiteres Wunder. Als der Oberste Gerichtshof Roe v. Wade – ganze 50 Jahre nach Ballors Abtreibung – kippte, war sie überglücklich. Die bahnbrechende Entscheidung sei erst der Anfang, räumt sie ein. 

Mit dem Ende von Roe v. Wade wird der Schutzstatus der Abtreibung durch die Bundesregierung aufgehoben, die Legalitätsfrage liegt nun in den Händen der einzelnen Staaten und der Bevölkerung. „Jetzt wird der Kampf in den Staaten ausgetragen“, sagt sie, um die Menschen auf Herzens- und Verstandesebene zu verändern und gleichzeitig die Anfechtungen der Abtreibungsgegner auf Bundesebene abzuwehren.

Fernab von Vandalismus und störenden Demonstrationen, die von Abtreibungsbefürwortern wie Jane’s Revenge initiiert werden, geht es bei Ballors Aktivitäten um Aufklärung, das Erzählen ihrer Geschichte und die Offenlegung der Tatsachen darüber, was Abtreibung wirklich bedeutet.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „16-Year-Old Got an Abortion in 1972—But 50 Years Later Calls Overturning of Roe ‘A Gift’ From God“ (deutsche Bearbeitung kr)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 58, vom 20. August 2022.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion