Berühmte Parallelfiguren: Marco Polo und Zhang Qian

In dieser Reihe befassen wir uns mit historischen Persönlichkeiten, die unverkennbare chinesische „Äquivalente“ haben.
Titelbild
Marco Polo im Tatarenkostüm. Fotos: public domain
Von 19. Juni 2022

Im Jahr 138 v. Chr. reiste ein Beamter namens Zhang Qian in diplomatischer Mission über die westlichen Grenzen Chinas hinaus. Doch eine Verzögerung nach der anderen verlängerte seine Reise auf 25 Jahre. In dieser Zeit besuchte er viele den Chinesen unbekannte Königreiche und sammelte detaillierte, wertvolle und aufschlussreiche Informationen. Zhang Qians Berichte markierten einen Wendepunkt in den Beziehungen zu den Ländern jenseits der westlichen Grenzen Chinas. Seine Reisen sind in der historischen Chronik „Aufzeichnungen des Chronisten“ gut dokumentiert.

Im Jahr 1271 n. Chr. machte sich ein junger Venezianer namens Marco Polo mit seinem Vater und seinem Onkel, die Kaufleute waren, auf den Weg in den Osten. In den folgenden 24 Jahren erkundeten sie die gesamte Seidenstraße sowie ganz China und Südostasien. Nach ihrer Rückkehr schrieb Marco Polo das Buch „Die Reisen des Marco Polo“, das den Europäern die Faszination des Ostens näherbrachte und unzählige Fantasien weckte.

Zhang Qian

Als Beamter und Diplomat der Han-Dynastie wurde Zhang Qian (164-113 v. Chr.) vom Kaiser entsandt, um einen Bündnisvertrag mit einem benachbarten Nomadenstamm, den Yuezhi, zu schließen. Auf dem Weg dorthin durchquerte Zhang feindliches Gebiet und wurde gefangen genommen. Über ein Jahrzehnt war er in Gefangenschaft.

Da er sich nicht abschrecken ließ, gelang ihm schließlich die Flucht und die Ankunft an seinem Ziel. Dort angekommen, musste Zhang feststellen, dass das Volk der Yuezhi nicht sonderlich an einem Bündnis interessiert war. Doch das war noch nicht alles, was er herausfand. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass die Yuezhi in der Landwirtschaft sehr weit entwickelt waren und eine Reihe von Pflanzen anbauten, die den Chinesen unbekannt waren, sowie prächtige Pferde züchteten.

Von dort aus reiste Zhang durch ganz Zentralasien und zeichnete seine Entdeckungen und Beobachtungen auf, bevor er sich auf den Weg zurück in die Hauptstadt der Han machte – auf einer anderen, wie er hoffte, sichereren Route.

Statue von Zhang Qian in der Stadt Hanzhong der Provinz Shaanxi in China. Fotos: public domain

Er wurde erneut gefangen genommen.

Glücklicherweise dauerte es dieses Mal nur zwei Jahre, bis sich eine günstige Gelegenheit zur Flucht bot. Nachdem er es endlich nach Hause geschafft hatte, informierte Zhang den Han-Kaiser über die vielen zivilisierten und bevölkerungsreichen Königreiche und Staaten, ihre Kultur, Lebensweise, Geografie und alles Interessante, das er dort gesehen hatte.

In den „Aufzeichnungen des Chronisten“ heißt es:

„Der Kaiser erfuhr von Dayuan, Daxia, Anxi und den anderen allesamt großen Staaten, die reich an ungewöhnlichen Produkten waren und deren Menschen das Land kultivierten und ihren Lebensunterhalt auf ähnliche Weise wie die Chinesen bestritten.“

Von besonderem Interesse waren die „blutschwitzenden“ Ferghana-Pferde, auf Elefanten reitende Krieger, geschickte Bogenschützen, Luzerne als Futtermittel, einhöckrige Kamele und Traubenwein.

Zhang war die erste bekannte Person, die den Chinesen genaue und detaillierte Informationen über Zentralasien und seine Völker lieferte. Seine Erkundungen führten zum Ausbau der Seidenstraße durch Zentralasien und zu vielen weiteren Expeditionen.

Marco Polo

In den folgenden Jahrhunderten erlebte die Seidenstraße ihre Höhen und Tiefen. Nach dem Untergang der Tang-Dynastie im 10. Jahrhundert wurde sie sehr gefährlich und der Handel ging drastisch zurück. Erst während der Pax Mongolica im 13. Jahrhundert erwachte die Straße wieder zum Leben – ein perfekter Zeitpunkt für die Ankunft unserer Parallelfigur auf der Bildfläche.

Marco Polo wurde 1254 als Sohn einer venezianischen Kaufmannsfamilie geboren. Als Teenager brach er mit seinem Vater und seinem Onkel zu einer Geschäftsreise in den Osten auf. Das Trio war jedoch nicht nur mit Handelsgeschäften beschäftigt, und es dauerte 24 Jahre, bis sie wieder einen Fuß nach Europa setzten.

Von Venedig aus durchquerten die Polos das heutige Israel, die Türkei, den Irak, den Iran, Afghanistan und Tadschikistan; sie durchquerten die Wüsten Taklamakan und Gobi. In der Hauptstadt der Yuan-Dynastie angekommen, wurden sie von Kublai Khan (dem Enkel von Dschingis) empfangen. Der Khan, der zuvor den Vater und den Onkel kennengelernt hatte, traf nun den jüngsten Polo und machte ihn zu seinem Gesandten. Dieses anfängliche Vertrauen führte zu einer langfristigen Ernennung, die es Marco Polo ermöglichte, China und Südostasien 17 Jahre lang mit einem VIP-Pass zu erkunden und dabei Orte und Dinge zu sehen, die kein Westler zuvor gesehen hatte.

Das, was ihm widerfuhr, hört sich viel schöner an als die mehr als zehn Jahre, die Zhang Qian als Gefangener verbrachte. Marco Polo war jedoch so beliebt beim Khan, dass er Jahre später, als er nach Hause zurückkehren wollte, immer wieder vergeblich darum bat.

Schließlich wurde Marco die Heimreise gestattet. Doch als er 1295 zurückkehrte, fand er Venedig im Krieg vor. Marco wurde Kommandant einer Galeere, fand sich aber bald, wie sein chinesisches Vorbild, in einem Gefängnis wieder.

Marco Polo im Tatarenkostüm. Fotos: public domain

Es war jedoch keine vergeudete Zeit. Im Gefängnis verfasste Polo zusammen mit einem schreibenden Zellengenossen das Manuskript seines epischen Reiseberichts.

„Die Reisen des Marco Polo“ beschreiben die asiatische Geografie und die kulturellen Bräuche. Polo spricht von Porzellan und Schießpulver, von „Steinen, die wie Holzscheite brennen“ (Kohle), von einer großen Hauptstadt mit „dem größten Palast, den es je gab“ und einem Speisesaal, in dem 6.000 Menschen Platz fanden. Er spricht von Papiergeld und der kaiserlichen Post, von riesigen Kanalsystemen, von einer enormen Eisen- und Salzproduktion, von Taschenbüchern und Seidenbekleidung sowie von Elefanten, Alligatoren und Affen. Doch am Ende betont Marco Polo: „Ich habe nur die Hälfte von dem erzählt, was ich gesehen habe.“

Die Reisen gaben den Europäern einen ersten, umfassenden Einblick in China und andere Länder Asiens. Das Buch wurde unglaublich populär und galt als einer der wertvollsten Berichte über die Außenwelt jener Zeit. Es heißt, dass über ein Jahrhundert später ein Mann namens Christoph Kolumbus auf seinen eigenen Reisen ein Exemplar mitführte.

Es handelt sich also um zwei Männer – einen, der von Osten nach Westen reiste, und einen, der von Westen nach Osten reiste –, die sich auf gefahrvolle Reisen begaben, die jeweils zweieinhalb Jahrzehnte dauerten, und die ihren Nationen faszinierende Erkenntnisse mitbrachten über die faszinierenden Welten, die sie entdeckten. Tausend Jahre voneinander entfernt, kreuzten sich die Wege von Zhang Qian und Marco Polo in gewisser Weise, erhellend und inspirierend in ihrer Rolle als Abgesandte interkultureller Erkundungen.

Der Artikel erschien zuerst auf de.ShenYun.org.



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