Cornelia Funkes („Tintenherz“) Roman „Das Labyrinth des Fauns“ oder: Wie man sich dem Guten zuwendet

Vor langer Zeit lebte in einem unterirdischen Königreich Prinzessin Moanna. Doch eines Tages verschwindet sie. Als Ofelia scheint sie wieder aufgetaucht zu sein. Zum Beweis muss Ofelia in "Das Labyrinth des Fauns".
Titelbild
Cornelia Funke hat ihren Lieblingsfilm in Worte übersetzt.Foto: Christophe Gateau/dpa
Epoch Times16. Juli 2019

Es war einmal eine sehr erfolgreiche deutsche Schriftstellerin, die fantastische Geschichten über alles liebte und auch selbst verfasste.

Als Cornelia Funke (60) eines Tages von dem nicht minder bekannten und erfolgreichen mexikanischen Filmemacher Guillermo del Toro (54) gefragt wurde, ob sie zu seinem oscarprämierten Fantasy-Streifen „Pans Labyrinth“ (2007) ein Buch schreiben würde, dachte sie: unmöglich! Wie sollte sie dieses in Inhalt, Aussage und Form grandiose Opus – übrigens seit Jahren ihr Lieblingsfilm – in eine ausschließlich verbale Sprache umsetzen. Doch dann besann sie sich darauf, dass man zu so einer magischen Aufgabe nicht nein sagen kann. In Märchen funktioniert so etwas.

Und sie machte sich daran, „dieses bildgewaltige Meisterwerk in einen Teppich aus Worten zu verwandeln“. Nicht einfach so: Kein Wort aus dem Film sollte in ihrem Buch „Das Labyrinth des Fauns“ durch die Zeilen fallen. Aber ergänzen wollte sie, was cineastisch ohne Sprache auskommt. So schuf Funke („Tintenherz“-Trilogie 2003-2007) zehn kleine Geschichten, sozusagen als Bindemittel, die den Hintergrund der Story um das Mädchen Ofelia erleuchten und Zusammenhänge deutlicher machen sollten. Und es gelang ihr ganz vorzüglich.

Roman verschmilzt Fantasie und Wirklichkeit, Historie und Gegenwart

Herausgekommen ist ein Roman, der Fantasie und Wirklichkeit, Historie und Gegenwart miteinander verschmelzen lässt und den Lesern ganz nebenbei eine Lektion in Politik erteilt. Geeignet für jung und alt, männlich und weiblich und auch für jene, die den Märchen eher die Wirklichkeit vorziehen. Vielleicht öffnet ihnen Ofelias Geschichte ja die Augen dafür, dass auch die reale Welt voller Wunder steckt. Und leider auch voller Grausamkeiten.

Das muss die junge Ofelia erfahren, als sie 1944 mit ihrer hochschwangeren Mutter durch einen finsteren Wald fährt, zu ihrem brutalen Stiefvater, der ebendort als hochrangiger Offizier des spanischen Diktators Franco (1892-1975) Widerstandskämpfer jagt und tötet. Ofelia sucht immer wieder Zuflucht im Wald. Dort hört sie Blätter wispern und Bäume Geschichten erzählen. Sie sieht insektenartige Feen, die sie begleiten. Und ein gehörntes Wesen scheint geradezu ein Auge auf sie geworfen zu haben.

Alles ist etwas unheimlich, aber auch faszinierend. Erst recht, als sie auf ein Labyrinth stößt, das ins Erdreich führt. Und hier beginnt die zweite Erzählebene: Sie führt in ein unterirdisches Königreich, in dem Prinzessin Moanna aufwuchs. Ihre Neugier auf die Welt führte sie vor Hunderten Jahren nach oben. Seitdem ist sie verschwunden. Doch ihr Vater, der König, glaubt daran, dass ihre Seele unsterblich ist und lässt unermüdlich nach ihr suchen. Das gehörnte Wesen, ein Faun, glaubt, in Ofelia die verschwundene Prinzessin gefunden zu haben. Doch bevor er sie in das Königreich führt, muss Ofelia drei Aufgaben erfüllen. Und da sie ein Menschenkind mit Fehlern ist, tut sie sich schwer damit.

Ihre Wanderung zwischen den beiden Welten ist ohnehin gefährlich und mühevoll. Oben muss sie die Härte und Ungerechtigkeit des Lebens unter dem faschistischen Regime erfahren, unten sich mit Zauberwesen auseinandersetzen, von denen sie nicht weiß, ob sie gut oder böse sind. Dazwischen erzählt Cornelia Funke über Menschen aus der Umgebung, aufrechte und schwache, gute und böse, aus früheren Zeiten und aus der Zeit des Franco-Regimes. Und zwar so bildhaft, dass das Buch vor dem geistigen Auge des Lesers wieder zum Film wird. So wie der Film zum Buch wurde.

Funke: „Bin nie stolzer auf ein Buch gewesen“

Del Toro ist begeistert. Die Leser werden es auch sein. Und Funke selbst? „Ich bin nie stolzer auf ein Buch gewesen“, erklärt sie. „Es hat mich unendlich viel gelehrt, und die Geschichte, die es erzählt, berührt mich immer wieder aufs Neue mit ihrem Bekenntnis zur Verantwortlichkeit und menschlichem Mut (…).“

Dabei vermeidet die in Nordrhein-Westfalen geborene Autorin, deren Bücher bisher eine Gesamtauflage um die 20 Millionen erreichten und in 37 Sprachen übersetzt wurden, geschickt den erhobenen moralischen Zeigefinger. Vielmehr überzeugt sie ihre Leser mit schöner Sprache und märchenhafter Symbolik von der menschlichen Verpflichtung, sich stets dem Bösen entgegenzustellen, auch wenn es große Opfer verlangen sollte: „Diese Botschaft war nie wichtiger, und sie ist so aktuell, wie sie es in der Zeit war, in der das Buch spielt.“

Cornelia Funke, Guillermo del Toro: Das Labyrinth des Fauns, Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 320 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-7373-5666-4 (dpa)



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