Der Stern geht voran

Titelbild
6. Januar als Sternenträger und Könige unterwegs. Hier in der katholischen Gemeinde „St. Peter und Paul“ Dessau.Foto: Thomas Guffler/ wikipedia
Von 7. Januar 2023

Sie stapfen an befahrenen Straßen entlang, sie ziehen durch die kleinste Nebenstraße.

Bei jedem Wetter, bei Regen, Matsch, Schnee und Wind.

Die Blicke von Vorüberfahrenden und Passanten sind ihnen gewiss, denn ihr Anblick ist ungewöhnlich.

In wallende, farbige Umhänge gehüllt und mit glänzendem Kopfschmuck gekrönt, wandern sie dahin. Einer trägt auf einem Stab einen goldgelben, hölzernen Stern und es sieht fast so aus, als schwebe der Stern der kleinen Gruppe voran. Drei folgen in gemessenem Schritt. Natürlich sind es nicht dieselben, die vor über 2.000 Jahren einem rätselhaften Stern am Firmament folgten, doch immer wieder zum Beginn eines neuen Jahres machen sich ihre Nachfolger auf den Weg – tapfer, ausdauernd und unerschrocken wie ihre Vorbilder, von denen der Evangelist Matthäus im Weihnachtsevangelium berichtet. Schon im 2. Jahrhundert nach ihrem Erscheinen wird diesen Männern auf der Wanderschaft von frühen Christen ein eigenes Fest gewidmet und ihre Geschichte beflügelt immer noch die Phantasie der Menschen.

Wer waren die Männer?

Im Matthäusevangelium werden sie als „Sterndeuter aus dem Osten“ bezeichnet.Von weit her kommen sie nach Jerusalem.

Ein Stern sei aufgegangen, erzählen sie dort, der nur als Zeichen einer königlichen Geburt gedeutet werden könne. Doch im Jahr null unserer Zeitrechnung weiß niemand etwas von solch einem herausragenden Ereignis.

Mehr noch: Ihre Nachricht löst beim damaligen Herrscher alles andere als Freude aus. Als „König Herodes dies hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem“, notiert Matthäus.

Der Despot zügelt jedoch seinen Schrecken, empfängt die Sterndeuter und bittet sie, ihm umgehend Nachricht nach Jerusalem zu bringen, sollten sie das königliche Kind entdecken. Ihre Suche geht also weiter, nach Jerusalem werden sie jedoch nicht zurückkehren, denn sie folgen dem Rat eines warnenden Traums.

Rätsel und Zeichen

Wie viele Weise aus dem Morgenland es waren, berichtet der Evangelist nicht.

Spätere Generationen legen ihre Zahl auf drei fest, denn als der Stern am Rande von Betlehem still steht und ihr Ziel erreicht ist, schenken die Sterndeuter dem Neugeborenen und seiner Familie wahrhaft königliche Gaben, drei an der Zahl: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Diese Zahl, die herrschaftliche Bedeutung und der Wert der Geschenke sind es auch, der die biblischen Reisenden in frühchristlichen Texten und Abbildungen zu drei Königen werden lassen.

Im 9. Jahrhundert erhalten die Könige dann ihre Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. In der Folge werden sie sogar als Stellvertreter der drei damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika betrachtet, die dem neugeborenen Messias die Ehre erweisen. Diese Deutung wiederum erklärt, warum noch heute meist einer der drei weisen Männer als Afrikaner dargestellt wird.

In Gemälden der Gotik setzt sich dann eine weitere Symbolik durch: Die drei Könige werden in den drei Mannesaltern dargestellt –  als Jüngling, Mann und Greis.

Sternsinger als Holzfiguren aus dem Erzgebirge. Foto: iStock

Kinder und Jugendliche tragen den Stern weiter

Heute sind es vorwiegend Kinder und Jugendliche, die dem Stern durch Städte und Dörfer folgen – und auch das hat seine entstehungsgeschichtlichen Gründe.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts entdecken Klosterschüler und Chorsänger das Neujahrs- und Dreikönigssingen als Einnahmequelle. Fast zeitgleich vergaben manche Städte an Handwerker und arme Handwerksburschen das Recht als Sternsinger durch die Straßen zu ziehen. Kinder und Jugendliche aus mittellosen Familien gingen um den Dreikönigstag auch ohne jede Erlaubnis von Haus zu Haus und baten um Lebensmittel und Geld.

Im 20. Jahrhundert begann nach den Schrecken der Weltkriege besonders im deutschsprachigen Raum eine neue Blüte des Sternsingens. Seit Ende der 40er-Jahre sandten einzelne Pfarreien Sternenträger und jugendliche „Könige“ aus.

Mit der Aktion Dreikönigssingen des Kindermissionswerkes entstand 1959 schließlich die inzwischen weltweit größte Hilfsaktion von Kindern für Kinder. Fast 300.000 Kinder und Jugendliche sind allein in Deutschland um den 6. Januar als Sternenträger und Könige unterwegs.

So wandern sie also von Haus zu Haus, klingeln an den Türen und singen für die Menschen, die ihnen öffnen, das Dreikönigslied. Oft werden sie auch in Haus oder Wohnung gebeten, um dort das Rauchfass, das einer der Könige mit sich trägt, zu schwingen und die Räume mit dem Duft von feinwürzigem Weihrauch zu füllen. Zu guter Letzt schreibt der Größte von ihnen mit geweihter Kreide einen Segen ganz oben auf das Blatt der Haustür. Nach alter Tradition besteht der Schriftzug aus einer Kombination der Jahreszahl des jungen Jahres und den Zeichen C + M + B. Es sind die Initialen von Caspar, Melchior und Balthasar und gleichzeitig die Anfangsbuchstaben des Lateinischen „Christus + Mansionem + Benedicat“ – Christus segne dieses Haus.

Zum Abschied wandern dann Spenden für Kinder in Not in eine Holzschatulle, Plätzchen, Lebkuchen und Schokolade jedoch in die Taschen und Beutel der Sternsinger.

Seit Generationen unterwegs

Oft sind schon ihre Urgroßväter, Großväter und Väter durch Städte und Dörfer gestapft und haben das ebenso gehalten. Und inzwischen sind auch junge Frauen und Mädchen mit unterwegs.

Wenn sie dann abends in den Pfarrheimen Umhänge, Kronen, Turbane und den Stern wieder in den Schränken verstauen und die geschenkten Spezereien zum wärmenden Tee verspeisen, wird dort in lauter und lustiger Runde von den Erlebnissen des Tages erzählt. Und auch die Sternsinger-Geschichten der Väter und Großväter werden ausgeplaudert:

Vom damals jungen Großvater und seinen Königskollegen, denen in den Bauernhöfen selbst gebrannter Schnaps zum Aufwärmen angeboten wurde, bis sie nicht mehr geradeaus gehen konnten, vom Schneesturm, in den der Vater als Sternenträger mit seinen Königen geriet und dann im rettenden Haus, mit blau gefrorenen Lippen das Dreikönigslied sang.

Sie berichten von überraschendem Geiz oder wunderbarer Großzügigkeit in so manch großem Haus, von warmherziger Gastfreundschaft in der kleinsten Mietwohnung. Sie erzählen sich vom einsamen Mann, der im ausgebeulten Jogginganzug die Tür öffnete und dann mit Tränen in den Augen dem Dreikönigslied lauschte, vom alten Ehepaar, das für die frierenden Sternsinger Kinderpunsch aufwärmt, vom  aggressiven Betrunkenen, vor dem die Könige ganz schnell die Flucht ergriffen, von der freundlich erwartungsvollen Familie, deren Kinder mit großen Augen staunen und lauschen. Und auch von Gleichgültigkeit, Verachtung, mürrischen Menschen, verschlossenen Türen und Silhouetten hinter den Vorhängen erleuchteter Fenster erzählen sie.

Und trotzdem werden sie im nächsten Jahr wieder mit dabei sein, von Haus zu Haus gehen und fröhlich singen:

„Die heil´gen drei Könige mit Ihr´igem Stern, die kommen gegangen ihr Frauen und Herrn …“



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