Auftrittsverbot abgewendet: Seniorinnenballett beugt sich Auflagen

Die Bundesgartenschau in Mannheim wollte einer Tanzgruppe älterer Damen ihre Auftritte mit Sombrero, Kimono oder Sari wegen „kultureller Aneignung“ und „klischeehafter Darstellung“ verbieten. Jetzt gibt es einen Kompromiss – inklusive obligatorischer Diskussionsveranstaltung.
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Symbolbild: Stets bunt und tolerant muss es in Deutschland zugehen – aber keinesfalls auf der Bühne: Exotische Kostüme wie etwa japanische Kimonos sind für Nicht-Japanerinnen unangemessen, meint das Team der Bundesgartenschau Mannheim.Foto: Kyodo/dpa
Von 18. April 2023

Erinnern Sie sich noch an die britische Filmkomödie „Ganz oder gar nicht“ aus dem Jahr 1997? Darin ging es um eine Gruppe von ganz gewöhnlichen Männern, die aus Geldnot einen Striptease-Tanz im Stil der „Chippendales“ auf die Bühne bringen wollte.

In Mannheim sorgt derzeit eine ganz ähnliche Geschichte für Aufregung, allerdings ohne Geldnot und unter völlig anderen Vorzeichen, doch mit derselben Aussage „Ganz oder gar nicht“: Eine Gruppe von Seniorinnen der örtlichen Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rheinau wollte auf der Bundesgartenschau auftreten – in vielen verschiedenen bunten Kostümen. „Weltreise in einem Traumschiff“ heißt das musikalische Bühnenprogramm, für das die älteren Damen des „AWO-Balletts“ monatelang geprobt und genäht hatten. Doch den Verantwortlichen der BuGa ist so etwas im Jahr 2023 offenbar viel zu heikel.

BuGa: Nur „kultursensible“ Auftritte erlaubt

Dass die Seniorinnen auf ihrer „Weltreise“ nämlich unter anderem in mexikanische Ponchos, spanische Flamencokleider oder japanische Kimonos schlüpfen wollten, sah die BuGa-Leitung um Geschäftsführer Michael Schnellbach und seine Pressesprecherin Corinna Brod als „kulturelle Aneignung“, die wegen der „klischeehaften Darstellung“ die Gebote der „interkulturellen Sensibilität“ verletzen könnten. Das berichtete unter anderem die „Berliner Zeitung“ unter Verweis auf einen Artikel im „Mannheimer Morgen“ (Bezahlschranke).

Auch die orientalisch, indisch oder ägyptisch anmutenden, selbst geschneiderten Kostüme waren der Bundesgartenschauleitung demnach offenbar ein Dorn im Auge. Sie lehnten Verkleidungen ab, „bei denen der Eindruck entstehen könnte, es würden kulturelle und religiöse Stereotype zur Unterhaltung ausgeschlachtet werden“, zitiert der „Spiegel“ eine nicht näher genannte BuGa-Sprecherin: „Mexikaner als Menschen mit Sombrerohut oder klischeebesetzte asiatische Kostümierung – das sind Bilder, die wir nicht auf der Mannheimer Buga sehen.“

Seniorinnen stimmen Kompromiss zu

Die älteren Damen um ihre Mitbegründerin Erika Schmaltz wehrten sich nach Angaben der Zeitung „Welt“ (Bezahlschranke) zunächst gegen die Bedenken der BuGa-Leute: Mit Rassismus oder Diskriminierung habe ihr Tanzprogramm nichts zu tun. Im Gegenteil wertschätze man andere Kulturen.

Deswegen wolle man auch das gesamte Showprogramm inklusive der Kostüme zeigen: „Ganz oder gar nicht“, so Schmaltz‘ Ansage laut „Spiegel“.

Nach einer Aussprache am 17. April ließen sich die Seniorinnen nun doch auf einen Kompromiss ein: Wie der SWR berichtet, müssen die tanzbegeisterten Damen „noch drei Kostüme anpassen, um dem kulturellen Anspruch des jeweils betroffenen Landes zu entsprechen“ – erst dann dürften sie auftreten.

Konkret müssen die Hobbykünstlerinnen nun auf Sombreros verzichten; statt „Pharaoninnen“ sind auf der Bühne nur noch „ägyptische Arbeiter“ zugelassen, und auch das Asien-Outfit muss einer moderneren Variante weichen, heißt es beim SWR.

Betreuter Show-Genuss

Um letzte Zweifel über die politische Korrektheit auszuräumen, soll es nach jeder Vorstellung eine „Diskussionsveranstaltung“ auf der Bühne geben. Im Gegenzug will die BuGa-Leitung jetzt aber sogar die große Hauptbühne zur Verfügung stellen.

Der „Konflikt im Herzen der BUGA 23-Fläche“ sei nach Auffassung des BUGA 23-Veranstaltungschefs Fabian Burstein damit auf „großartige“ Art und Weise aufgelöst worden.

Auch der Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Mannheim, Alexander Manz, zeigte sich nach SWR-Informationen zufrieden mit der Einigung: Diese werde den Interessen der AWO-Damen gerecht und greife zugleich die „Diskussion zum Spannungsfeld der Vielfalt in der Gesellschaft“ auf. Ähnlich habe sich eine Sprecherin des BuGa-Teams geäußert: Ihr Anliegen, „kulturelle Merkmale ohne Stereotype“ zu zeigen, würde nun erfüllt.

Details zu den Auftritten unklar

Die Verlegung auf die Hauptbühne zieht allerdings organisatorische Änderungen nach sich: Ob und wann alle ursprünglich geplanten sieben Auftritte stattfinden können, muss nach Angaben des SWR noch im Einzelnen geklärt werden. Die erste Show hätte ursprünglich am Mittwoch, 19. April, stattfinden sollen.

Das ehrenamtliche AWO-Ballett Mannheim-Rheinau war 1980 gegründet worden, um Menschen eine Freude zu machen. Die mittlerweile 17 Mitglieder im Alter zwischen 59 und 82 Jahren treten mit ihrer Mischung aus älteren Schlagern, Sketchen, Formationstänzen und Stepptanzeinlagen vor allem in Senioreneinrichtungen oder bei Straßenfesten auf, aber nach eigenen Angaben auch gerne auf runden Geburtstagen, Klassentreffen oder Gemeindefesten. Rund 40 Auftritte kämen so pro Jahr zustande.



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