Orgel und Trompete – ein perfektes Paar

Mit zwei Musiker-Koryphäen wurde in einem erhebenden Konzert Geburtstag gefeiert. Denn 300 Lenze zählt sie, die außergewöhnliche Domorgel zu Brandenburg.
Titelbild
Schon vor 300 Jahren verewigt: der Signalton der Trompete paart sich gut mit der Kraft der Orgel.Foto: Juliane Menzel
Von 23. August 2023

Jubel ist das Wort, welches sofort in den Sinn kommt – bei den ersten Klängen dieses Konzerts mit Arvid Gast (Orgel) und Andre Schoch (Trompete) am Abend des 16. August im Dom der Stadt Brandenburg. Aus der Suite of Trumpet Voluntaries von John Stanley (1712–1786) stammen sie und somit aus der Entstehungszeit der Jubilarin: der Orgel.

In der angenehmen Kühle des Doms lässt einen die Musik zur Ruhe kommen und so recht die Erhabenheit und das Gotteslob, welches zugrunde liegt, spüren. Auf dem Programm stehen ausschließlich Choräle und Konzerte aus dem 17. und 18. Jahrhundert: festliche Barockmusik, wie der Konzerttitel verspricht.

„300 Jahre gab es diese Klänge, man tritt mit den Vorfahren in Verbindung und lässt diesen früheren Geist wieder aufleben“, resümiert Professor und Organist Arvid Gast im Gespräch nach dem Konzert. Begeistert fährt er fort:  „Wenn dann die Musik auch noch dazu passt, mit Vivaldi, Stanley und Bach, die alle hier gewesen sein könnten, und das sicherlich ganz toll gefunden hätten, dann ist das großartig.“

Ebenbürtige Partner

Es ist der Klang der beiden Instrumente, der wunderbar zueinander passe, erzählt Andre Schoch. Durch den Einsatz unterschiedlicher Trompeten und verschiedener Register an der Orgel ergebe sich eine wunderbar breite Palette an Klangfarben. Diese vielen Möglichkeiten seien reizvoll. Außerdem gebe es viel Kompositionsrepertoire, sowohl aus dem Barock als auch moderner Natur.

„Als Trompeter sind wir meistens zu laut, wenn wir mit anderen Instrumenten zusammenspielen, bei der Orgel ist das nicht der Fall“, lacht Andre Schoch. Und Arvid Gast fügt hinzu: „Als Organist kann man den vollen Umfang des Instrumentes nutzen, man muss sich nicht zurückhalten.“ Gerade wenn jemand so wie Andre Schoch blase, mit entsprechender Strahlkraft und Brillanz, habe man unglaublich viele Schattierungen und das verbinde sich einfach fabelhaft, freut sich der Organist.

In immer wieder neuen Registrierungen entlockt Arvid Gast der „alten Dame“ ein umwerfendes Klangvolumen, welches die Kraft besitzt, alle störenden, unkonzentrierten Gedanken beim Zuhören hinwegzufegen. Unglaublich, wie nur zwei Hände und zwei Füße solch eine komplexe Klangfülle erzeugen können.

Federleicht tanzen dazu die Trompetenklänge auf den Schaumkronen der großen Meereswellen, denen der Klangteppich der Orgel gleicht. Eine Piccolo-Trompete ist es, aus der Schoch diese wunderbar klaren, eindeutigen Töne zaubert. Bei den Chorälen wird der Höreindruck mittels einer größeren Trompete wärmer, tiefer, nicht weniger faszinierend.

Andre Schoch hat unterschiedliche Trompeten im Einsatz, vorne eine Piccolo-Trompete mit vier Ventilen. Foto: Felix Broede

Auf Anhieb gepasst

36 Jahre jung ist Schoch. Von 2014 bis 2017 war er bereits Solotrompeter im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Jetzt ist er Mitglied der Berliner Philharmoniker und Dozent an der Karajan-Akademie. In Fachkreisen heißt es über ihn, besser als von Andre Schoch könne Trompete nicht gespielt werden. Durch seine solistische Konzerttätigkeit in ganz Europa ist er viel unterwegs und gibt zudem regelmäßig Meisterkurse, unter anderem in der Shanghai Orchestra Academy und der Manhattan School of Music.

Auf eine lange Liste an Konzert- und Unterrichtsorten weltweit blickt Organist Arvid Gast, Jahrgang 1962. Als Juror war er an vielen renommierten Wettbewerben beteiligt, unter anderem in Tokyo, Graz und Boston. Schon 1993 wurde er als Professor für Orgel an die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ berufen und zum Universitätsorganisten benannt. Heute ist er als Organist in St. Jakobi, Lübeck, mit bedeutenden historischen Orgeln betraut, deren Entstehungszeit teilweise bis in die Gotik zurückreicht. An der Musikhochschule derselben Stadt hat er seit 2004 eine Professur für künstlerisches Orgelspiel inne.

Schoch und Gast fanden zusammen, als der Trompeter Joachim Pliquett, seit über vier Jahrzehnten Duo-Partner von Arvid Gast, in Ruhestand ging. Eine „Riesen-Freude“ sei es gewesen, als Pliquett und Gast auf ihn zugekommen seien und er habe sofort zugesagt, erzählt Andre Schoch. Denn schon von klein auf sie ihm dies eine Besetzung gewesen, die ihm sehr am Herzen lag.

Nach dem ersten Konzert war klar, dass es gut harmoniert. Und so folgten Auftritte in Luxemburg, Brüssel, Berlin, Lübeck. In Brandenburg sind beide nun das erste Mal zusammen.

Organist und Professor für künstlerisches Orgelspiel, Arvid Gast. Foto: Arvid Gast

Kleinod auf dem Land

Das geschützte Umfeld der ländlichen Umgebung hat es wohl ermöglicht, diese wunderbare Orgel des Orgelbauers Joachim Wagner im Original zu erhalten. Auch in der Marienkirche in Berlin gebe es eine Wagner-Orgel, doch nicht im Original, sondern als Rekonstruktion. Überhaupt sei Berlin früher voller Wagner-Orgeln gewesen, dem Silbermann des Nordens, dessen Instrumente Johann Sebastian Bach mehr als die des Wagner-Kollegen aus Sachsen geschätzt haben soll.

Doch in der Stadt sei über die Jahrhunderte vor allem die Technik abhandengekommen. Oder die Prospektpfeifen seien weggekommen, die außen sichtbar das Erscheinungsbild der Orgel prägen. Hier in Brandenburg habe sich der Charakter immer bewahrt und treffe den Nerv der bachschen Zeit. „Dass das so konserviert ist, ist etwas ganz Besonderes“, sagt Arvid Gast, „nie ist etwas abgegeben worden, alles ist alt, auch die Fassade.“

Dass diese Rarität noch ein echter Geheimtipp zu sein scheint, zeigt die Besucherzahl an diesem Abend. Trotz hochkarätiger Musiker und der Millionenstadt Berlin nur 50 Minuten mit der Regionalbahn entfernt, bieten die Stühle im Dom Platz für viel mehr Zuhörer. Dabei ist auch die ruhige Insellage des Doms, umgeben von Havel und deren Kanalarmen, wirklich reizvoll.

Um 1995 sei er das erste Mal hier gewesen, erzählt Arvid Gast, und habe sich gleich verliebt in die Orgel, in den Raum. „Wir haben auch immer wieder Benefizkonzerte für den Dom gegeben, und jetzt zu sehen, wie alles hier strahlt, das ist super“, ist Gast begeistert. Die stückweise Veränderung durch die Renovierung des Doms habe er über die Jahre mitbekommen, und es sei sehr schön, was sich auf der Dominsel alles verändert habe.

Herzensverbindung

Abschluss des Programms „Kunst und Klänge am Dom zum 300-jährigen Jubiläum der Orgel“ ist am 3. September mit 300 Minuten Orgelmusik ab 13 Uhr. Kirchenmusikdirektor und Kantor am Brandenburger Dom Marcell Fladerer-Armbrecht und drei weitere Organisten spielen das Geburtstagsständchen – Besucher sind eingeladen, nach Belieben ein und aus zu gehen.

Dass dieser Ort seine Ausstrahlung behält, ist Arvid Gast wichtig. „Dass die Menschen hier nicht wie in ein Museum gehen – ja, das ist eine alte Mauer, ein altes Bild – sondern es mit allen Sinnen erfassen“, erläutert der Musiker, „und von den alten Klängen inspiriert werden.“ Dieser Ort sei etwas ganz Seltenes, das müsse weitergegeben, weitergepflegt, weitergelebt werden. Und er fügt hinzu: „Es muss die Seele erreichen und man muss eine Liebe dazu entwickeln, das ist entscheidend.“

Am 5. November sind Arvid Gast und Andre Schoch wieder gemeinsam zu erleben. Dann in der Hauptstadt – in der Auenkirche zu Berlin.

Orgel von Joachim Wagner (1723) im Dom von Brandenburg. Foto: Juliane Menzel

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion