Max Moor über die erstaunliche Lebensphilosophie des Buben Dietr

Titelbild
Max Moor - auch bekannt auch aus "Titel Thesen Tempramente" - blickt zurück auf seine Kindheit als Schweizer Bub.Foto: Cover Rowohlt

Donnerstag am 18. 7. um 20 Uhr live im Kino Babylon! Der beliebte und erfolgreiche Schriftsteller Max Moor liest aus seinem neuen Buch Als Max noch Dietr war. Geschichten aus der neutralen Zone.
Neugierig? Lust auf mehr? Hier ein kleiner Vorgeschmack auf den wunderbaren Roman.

In seinem neuen Buch, Als Max noch Dietr war, nimmt uns der Schriftsteller Max Moor dieses Mal auf eine andere Reise mit, als zu sich auf seinen Hof in Brandenburg. Er führt uns über die Alpen, hinüber in die schmucke Schweiz, hinein in die neutrale Zone, hin zu einem winzigen Ort, der sich Mellikon nennt. Was das eigentlich genau heißt – Neutralität – das erfahren wir in einer der vielen Geschichten am Beispiel eines Vergleiches zwischen Sheriff Bill, den Amerikanern, einer begehrten Frau plus der Gängschterbande.

Das Buch ist eine Reise zurück in die Vergangenheit eines Buben namens Dietr, der uns mit seiner sprühenden Neugierde, seinen wunderbar philosophischen kindlichen Ansichten und seiner umwerfenden Logik für die Dauer des Lesens reich beschenkt. Und weit darüber hinaus.

Schon der Weg dorthin in die Vergangenheit wird in liebevollen und humoristischen Etappen erzählt, bei denen uns der Schriftsteller versucht weiszumachen, dass das Schwyzerisch tatsächlich eine eigene Sprache ist – und nicht eine Halskrankheit, wie die meisten von uns hier in Deutschland gern vermuten. Auch der neue und sehr eigenwillige literarische Stil dieses Herrn Moor wird von ihm sehr präzise, wie ein gut funktionierendes Uhrwerk erklärt (wahrscheinlich seine Schweizer Gene?). Anschließend analysiert er das Ganze mal eben selber und setzt es uns wohlschmeckend vor, garniert mit der Voraussetzung, dass man sich mithilfe des Wörterbuches (Dixionär) das am Schluss angehängt ist, schon irgendwie zurechtfinden wird.

Auch warum Dieter schlussendlich zu Max wurde – was er selber maximal gut findet – wird noch einmal für alle die, die es immer noch nicht begriffen haben – oder nicht wollen – oder nicht können – erklärt. Und nun kann man sich überlegen und auch fachsimpeln, was es denn mit dem Dieter so auf sich hatte, dass er lieber Max heißen möchte.

Dieser eigensinnige Stil hat es in sich. In gekonnt verschachtelten Sätzen, dem Schweizer Redefluss getreu angepasst, blitzt eine lebenslange Erfahrung auf mit Menschen und mit dem Leben an sich. Der liebevolle Blick zurück in die Vergangenheit wird zu einer inneren Reise voll der Abenteuer, und nicht selten verschmelzen Erinnerungen und Gegenwart miteinander, das Kind in einem selbst wird geweckt und eine Zeitreise durch das eigene Leben bewegt sich in bunten Bildern während des Lesens vor dem inneren Auge.

Die Art und Weise wie der kleine Bub Dietr all die Schönheiten der großen Schweiz kennenlernen möchte, und sehr bald feststellen muss, dass doch noch so viel mehr Schönheiten auf dieser Erde existieren, lässt uns mit diesem kleinen Bengel gemeinsam verzweifeln.

Max Moor schreibt: Ich merke: Wer sein ganzes Leben verbraucht hat und jetzt  alle Schönheiten der ganzen Schweiz kennt, der kennt von der Welt erst einen winzi-munzigen Nasen-Böög. Darum kann ich niemals die Schönheiten der ganzen Welt kennenlernen, weil: Das Leben reicht dafür einfach nicht aus.

Und ich merkte, was für ein schönes Gefühl das gewesen ist, als ich noch wusste, die Schweiz ist die Welt. Nie wieder kann ich dieses Gefühl haben, weil: Jetzt weiß ich ja, dass es so gar nicht ist.

Und dass ich das jetzt weiß, das tut mir maximal leid.

Wer kennt sie nicht, die erste Verabschiedung aus der kleinen familiären Umgebung, die nur für kurze Zeit Schutz und Geborgenheit gab? Ein berührend nachdenklicher Moment, bei dem wir den Prozess erleben, wie die Kinderschuhe zu eng und klein werden.

Aber er gibt nicht auf, dieser Dietr. Er streift die Kinderschuhe ab, nun will er sein ganzes Leben weitermachen, mit dem Schönheitenkennenlernen.

Und mit dieser Lebensgier und unstillbarem Hunger nach Allem beobachtet, ja fast seziert er seine Mitmenschen, dringt ganz subtil in ihr Inneres, allen voran bei seiner Familie. Das Muätti, der Vatti, die Schwester Vreni und der kleine Bruder Matti.

Anhand der liebenswürdigen Figur des Vaters, voll der verrückten Ideen, die man doch alle patentieren lassen könnte, der seinen erstgeborenen Sohn Dietr bei der Hand nimmt und ihn zum Beispiel hoch auf den Gotthard zu einer Wanderung mitnimmt, obwohl es in Strömen regnet und der Bub sich allen Ernstes fragt, was die Erwachsenen an so einem Spaziergang in den Bergen schön finden, wenn die Füße schmerzen, die Waden weh tun und der Rücken sich krümmt, darüber die fürchterliche Regenpelerine, da erfahren wir etwas über die kindliche Logik, mit der es kein Erwachsener aufnehmen kann.

Auch die Ausstellungen in der großen Messehalle werden zum abenteuerlichen Ereignis, wenn der Vatti sich hier überall nach den neuesten Errungenschaften kundig macht und auf die Strumpfhose schwört, die angeblich nie eine Laufmasche kriegen soll. Bis er eines Besseren belehrt wird. Auch sein halsbrecherisches Fahrkönnen im Fauweh demonstriert er ganz mannhaft bis die anderen Familienmitglieder grün und blau anlaufen und rechtzeitig zur ersten Mondlandung gönnt das Familienoberhaupt seinen Liebsten einen Badeurlaub am Strand von Rimini. All diese Erzählungen offenbaren die zärtliche Hommage eines Sohnes an den Vater.

In einem ganz eigenen, wunderbaren Erzählstil beschreibt Max Moor das Vater-Sohn Verhältnis der Düslifamilie, und wie nebenbei lernen wir eine völlig andere Lebensweise kennen, die diese schöne Schweiz auch in sich birgt. Weg vom klinisch sauberen Image. Diese literarische Form, dieses Beobachten der Figuren, jeden Augenaufschlag zu registrieren, das ist mehr als beeindruckend und man wünscht sich von diesem Stil in Zukunft noch sehr viel mehr.

Der Düsl-Vatter lachte nie, redete nichts, wurde immer je vernagelter und verbohrter. In sich gekehrt, wie ein umgedrehter Handschuh. Man konnte nichts Rechtes mehr anfangen mit ihm. Aber er gab sich redlich Mühe, die Buben zu währschaften Bauern und Sennen zu formen. Ohne viele Worte, in knapper Zeichensprache, dirigierte er sie ins harte Berglerleben. Arbeit Tag und Nacht, strenge Blicke, kein Gelafer und kein Bääbele, dafür wenn nötig eine saftige Flättere hinter die Ohren, das war im Wesentlichen, was er in ihre Erziehung investierte.

Für die Brüder war der Düsl-Vatti Gott. Sie liebten ihn, und sie fürchteten ihn. Er war das Maß aller Dinge. Versorger, Richter, Lehrer.

Und Dämon. Oft hockte er den ganzen Nachmittag in der Stube, selbst wenn draußen bestes Heuwetter zur Ernte drängte, er starrte auf ein Bild, das keiner sehen konnte außer ihm. Das Bild seiner Frau. Die Buben werweißen, dass Muätti müsse wohl an der Wand sein, grad neben dem Kachelofen, weil der Vatti immer genau zu dieser Stelle hinstarrt, ohne einen Lidschlag zu tun. Reglos, wie geschnitzt aus grobem Holz, mit Augen aus kalter Kohle. Ab und zu packte seine schwielige Tatze die Flasche mit dem selbst gebrannten Chrüüter und hob sie zu den schmalen Lippen. Ein kleiner Ruck mit dem Kopf, die Hand sank auf die Tischplatte zurück. Je schärfere der Schnaps in der Kehle vom Vatti brannte, desto klarer erschienen ihm die Bilder seiner Frau. Hin und wieder grummelte er zur Wand hin. Selten gelang es den Buben, aus seinem Geknurre verständliche Worte herauszufiltern.

Vielleicht erschließt sich erst nach der Lektüre eine weitere Deutung der Covergestaltung. Gekleidet in eine typische Schweizer Tracht in weiß und rot, den Farben des Landes, sieht uns der Schriftsteller direkt an, hält sich einen Apfel an die Schläfe. Die berühmteste Schillersche Dramenfigur Wilhelm Tell lässt grüßen. Der Tell muss seinem Knaben einen Apfel vom Kopf schießen, und nur aufgrund des absoluten Vertrauens des Sohnes in den Vater, gelingt der Schuss aus der Armbrust ohne das Kind zu verletzen.

Walter Tell: „Vater, hier ist der Apfel – Wußt‘ ich’s ja, Du würdest deinen Knaben nicht verletzen.“  (3. Akt, 3. Szene aus Wilhelm Tell, Friedrich Schiller.)

Max Moor hält sich selbst den Apfel an den Kopf. Ein großes Vertrauen in und Dank an den Vater?

Der Apfel gilt in der Mythologie nicht nur als ein Symbol der Fruchtbarkeit und Liebe, sondern auch der Erkenntnis und durch seine Kugelform ist er ein Abbild der Erde und ihrer sinnlichen Verführung. Aber die Erkenntnis von den Dingen hat ihren Preis, wie wir vom Sündenfall des ersten Menschenpaares wissen. Diesen Preis muss auch der kleine Bub Dietr schmerzhaft erfahren, wenn er sich langsam von der Familie abnabelt. Ähnlich wie der Tell – der große Einzelgänger, der sich seinen Weg aus Enge und Unterdrückung sucht, ist auch der kleine Dietr die Hauptfigur all dieser Erzählungen, der sich mit einer unbändigen Freiheitslust und Lebensgier langsam aus dem kleinen Mellikon hinausbewegen wird, um eines Tages die Schönheiten der ganzen Erde kennen-zu-lernen.

Nichtsdestotrotz scheinen die Erinnerungen an die Heimat als Lebenselixier zu bestehen und prägen die Gegenwart.

Was der Vater/Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden. So Friedrich Schiller.

Und Max Moor hat bewiesen, dass er ein ganz besonderer Schriftsteller ist. Danke an die Schweiz.

Maximal gut!

Lesung mit Max Moor am 19. Juni im Berliner Kino Babylon

Wer ihn nun auf der Bühne erleben möchte, Donnerstag Abend im großen Saal des Berliner Kinos Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz ist der Schriftsteller zu hören und zu sehen. Denn Max Moor wird mehr als nur lesen. Mit seiner markanten und unverwechselbaren Stimme wird er seine ZuschauerInnen nicht nur grandios charmant unterhalten, sondern hier und da auch betören, zum Lachen und nachdenken anregen. Und mit ziemlicher Sicherheit wird es ihn so manches Mal von seinem Platze weg reißen und der Schauspieler in ihm performt dann gekonnt so manche Passage und bestimmt die Bühne zu seinem Medium.

Alle Veranstaltungen sind bestuhl bei freier Platzwahl. Ungefähr 30 Minuten vor der Vorstellung beginnt der Einlass. Im Anschluss an die Buchpremiere gibt es natürlich eine Signierstunde mit Max Moor. Tickets für die Lesung erhalten Sie im Babylon und an allen  Vorverkaufskassen. Reservierung können leider nicht entgegengenommen werden.

Rosa- Luxemburg-Straße 30
10178 Berlin
030/ 242 59 69

Foto: Cover Rowohlt

Max Moor
Als Max noch Dietr war
Geschichten aus der neutralen Zone

Jetzt als Taschenbuch erschienen bei Rowohlt
Auch als E-Book erhältlich
ISBN: 978-3-644-53011-2
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