Musik aus Leidenschaft: Zum 125. Geburtstag von George Gershwin

Vor 125 Jahren wurde der Komponist George Gershwin geboren. Seine Musik verband erstmals scheinbar Gegensätzliches und fasziniert Zuhörer auch heute noch immer wieder aufs Neue.

Titelbild
Porträtfoto von George Gershwin um 1924.Foto: public domain
Von 26. September 2023

Am 26. September 1898 kommt George Gershwin als Jacob Gershovitz im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn zur Welt.
Die Eltern sind erst sechs Jahre zuvor aus Russland nach Amerika ausgewandert. Über die Jahre passen sie ihren Familiennamen schrittweise dem Amerikanischen an. Auch die Änderung der eigenen Vornamen und der ihrer vier Kinder zeigen den Wunsch, ganz in der Neuen Welt anzukommen.

Ein Klavier stellt Weichen

Die Familie lebt in einfachen, bescheidenen Verhältnissen. So ist der Erwerb eines gebrauchten Klaviers im Jahr 1909 eine Anschaffung, die der Familie finanziell nicht leicht gefallen sein dürfte. 
Und: Eigentlich gibt es bis zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerte musikalische Familientradition. Nun aber wird sich das schlagartig ändern.

Das Instrument ist als Ansporn für Ira, den ältesten Sohn der Gershwins, gedacht. Er soll mit dem Klavierspiel beginnen. Zur Überraschung aller setzt sich jedoch der zwei Jahre jüngere, gerade 11-jährige George ohne Umschweife ans Pianoforte und spielt seiner staunenden Familie mühelos ein gerade populäres Musikstück vor.
 Er hat es sich heimlich am Klavier des Nachbarn selbst beigebracht. Den für den älteren Bruder Ira angedachten Unterricht erhält nun George.

Sein Klavierlehrer Charles Hambitzer lehnt schon bald jede Bezahlung ab.
 Er ist fasziniert von der unbändigen Begabung, die sich ihm zeigt. In einem Brief an seine Schwester schreibt er: „Ich habe einen neuen Schüler, der – wenn jemals irgendjemand – Zeichen setzen wird. Der Junge ist ein Genie.“

Entscheidung für Musik und viel Arbeit

George Gershwin geht ganz in der Musik auf. Mit 15 Jahren wirft er in der Schule hin und macht seine Leidenschaft zum Beruf. Mit musikalischen Auftragsarbeiten trägt er zum Familieneinkommen bei, bespielt sogenannte Piano-Rollen für automatische Klaviere, ist Pianist in New Yorker Nachtlokalen und beginnt im Musikverlag Jerome Remick als Werbeklavierspieler. Eine Aufgabe, die – heute völlig unbekannt – für die Musikindustrie New Yorks am Anfang des 20. Jahrhunderts von großer Bedeutung ist.

Denn es ist das Vorspiel der Werbepianisten, das darüber entscheidet, ob eine neue Komposition gefällt und somit Notenblätter in größerer Stückzahl gedruckt werden. Nur eine hohe Auflage führt schließlich zu Erfolg und Popularität eines neuen Songs.

In der 28. Straße – zwischen Fifth Avenue und Broadway – präsentieren die „Song Pluggers“ genannten Pianisten Kunden des Musikverlags direkt von originalen Notenblättern stundenlang ein neues Stück nach dem anderen.

Ein wahrer Knochenjob, der dem jungen Musiker jedoch schlafwandlerische Sicherheit im Spiel, in der Improvisation und enorme Fähigkeiten im Transponieren von einer zur anderen Tonart verleiht.
Bald bekommt Gershwin zusätzliche Aufträge als Pianobegleiter von Sängern bei ihren Auftritten und Musicalproben am Broadway.

Millionenerfolg

Mit 18 Jahren veröffentlicht er erstmals eigene Arbeiten.
 Sowohl eingängige Songs als auch klassische Streichquartette faszinieren ihn und er komponiert beides.
 Mit dem Lied „Swanee“ landet er schließlich im Jahr 1919 seinen ersten großen Erfolg. Allein über eine Million mal wird jetzt seine eigene Komposition gedruckt und verkauft.

Über Nacht ist der inzwischen 21-Jährige zum gefeierten Liebling der New Yorker Musikszene geworden.
Bereits im selben Jahr zeichnet er für die gesamte Musik einer Broadway-Produktion verantwortlich.
Es folgen in schneller Folge viele weitere, in denen George Gershwin sein einzigartiges Gespür für einprägsame Melodik und mitreißenden Rhythmus unter Beweis stellt.

Adele und Fred Astaire in Gershwins Broadway Musical „Lady Be Good!“, Januar 1924. Foto: public domain

Gleichzeitig entsteht in Gershwin jedoch immer mehr der Wunsch, die streng getrennten Welten der populären Musik und der Klassik zu verbinden. Für den Jazz, der Anfang der 20er-Jahre in der New Yorker Kulturkritik immer noch als minderwertige Musikgattung bezeichnet wird, will er Brücken zwischen Musikgenres bauen.

Als er vom Orchesterchef Paul Whiteman um eine Komposition gebeten wird, die Stilmittel des Jazz mit symphonischen Elementen verbinden soll, sagt er sofort begeistert zu.

Doch – so berichten Zeitgenossen – in der Flut von Terminen und Broadway-Produktionen vergisst er das Projekt.

Schreckmoment und fieberhafte Arbeit

Bis zum Moment, als er eines Morgens die Zeitung aufschlägt und von der Ankündigung der Uraufführung einer neuen Gershwin Komposition liest –
nur knappe sechs Wochen vor dem 12. Februar 1924, dem Tag, an dem der Konzertabend stattfinden soll.
Fieberhaft beginnt er sofort mit der Kompositionsarbeit. So schnell wie nur möglich müssen schließlich Noten für die Orchesterproben zur Verfügung stehen.

Gershwin komponiert, Ferdie Grofé, ein befreundeter Komponistenkollege, orchestriert.
 Es gelingt – in nur knapp drei Wochen. Am Tag der Uraufführung der „Rhapsody in blue“ fehlen bloß noch einige Klavierpassagen.

Hier kommt Gershwin – dem Komponisten und Pianisten in Personalunion – sein ungeheuer großes Improvisationstalent zu Hilfe. Weite Teile der bisher nicht notierten Kalviersoli entwickelt er während des Konzerts aus dem Stegreif. Mit dem Dirigenten Paul Whiteman hat er für das unvorhersehbare Ende seiner Solopassagen Zeichen vereinbart, bei denen dieser dem Orchester Signale zum Einsatz geben soll.

„Rhapsody in Blue“, Paul Whiteman und sein Konzert-Orchester mit dem Komponisten George Gershwin am Piano, 1924. Aufnahmen durch: Victor Talking Machine. Foto: public domain

Zwischen Moll und Dur

Der Abend schreibt Musikgeschichte. In einer nie vorher versuchten Symbiose vereint Gershwins Rhapsodie Stilelemente, die bis dahin als unvereinbar galten.

Sich verschiebende und verschleifende Jazz-Rhythmen, Instrumentaleffekte, die Laute und Geräusche nachahmen, und die sogenannten – zwischen Dur und Moll changierenden – „blue notes“ verbinden sich mit klassischer, orchestraler Symphonik und machen die Komposition zu einem mitreißenden Wechselbad musikalischer Stimmungen und Empfindungen.

In der wenig strengen musikalischen Gattung der Rhapsodie findet Gershwins spielerischer Umgang mit unterschiedlichsten musikalischen Motiven und Gedanken ihren angemessenen, unkonventionellen Rahmen.

Wie in seinem wegweisenden Werk für Orchester und Solisten entwickelt Gershwin auch in scheinbar einfachen und kleinen musikalischen Genres Erstaunliches.

Brillante Symbiose

In seinen oft für Musicals komponierten Songs erzählt er mit seiner Musik berührend feine, melancholisch zarte oder überschwänglich Kraft strotzende, witzige und augenzwinkernd freche Geschichten.

Er tut dies zusammen mit seinem Bruder Ira, der – nachdem George die Melodien und Arrangements Klavier spielend ertastet und niederschreibt – in kongenialer, feinsinniger und wortmächtiger Weise die Texte zu den Melodien ersinnt.

Von der New Yorker Musikszene wird Ira Gershwin deshalb scherzhaft auch „the Jeweller“– der Juwelier – genannt. Mit seinen einfühlsamen Texten verleiht er den genialen Liedkompositionen seines jüngeren Bruders den letzten brillanten Schliff.

Fotoporträt von Ira Gershwin, dem begnadeten Liedtexter, um 1925. Foto: public domain

Über die Jahre entstehen so Meisterwerke, die längst Eingang in das kollektive Gedächtnis von Generationen gefunden haben.
„Oh, Lady Be Good“, „S Wonderful“, „The Man I Love“, „I Got Rhythm, I Got Music“ sind nur einige von ihnen.

Kreative Blockaden scheinen die Brüder nicht zu kennen.
„Ich habe mehr Melodien im Kopf, als ich in hundert Jahren je aufs Papier bringen könnte“, sagt George Gershwin einmal auf die Frage nach seinem schöpferischen Reservoir.

„Oh, Lady Be Good!“ aus dem gleichnamigen Musical. Musik: George Gershwin, Text: Ira Gershwin. In einem Arrangement von Glenn Miller. Foto: public domain

Eine Oper für Amerika und die Welt

Im September 1935 wird seine Oper „Porgy and Bess“ uraufgeführt, für die er den Sommer des Jahres 1934 in South Carolina in der Nähe von Charleston bei der Volksgruppe der Gullah verbracht hatte.

Folgerichtig greift er Elemente ihrer ursprünglich afrikanischen Kultur und Sprache in der Oper auf. Auch volkstümliche Jazz- und Bluesmelodien machen aus „Porgy and Bess“ die erste „amerikanische Volksoper“, wie sie die „New York Times“ später bezeichnet.

Zuerst wird die heute berühmte Oper um die schicksalhafte Liebesgeschichte zwischen der schönen, aber leicht verführbaren Bess und dem treuen, gehbehinderten Porgy nicht euphorisch aufgenommen.
 Erst im Jahr 1941 kommt für sie der Durchbruch zum großen Welterfolg.

Inszenierung von „Porgy and Bess“ aus dem Jahr 2014 im St. Louis Municipal Theatre, The Muny. Foto: Meetmeatthemuny

Mitten im Leben

George Gershwin erlebt die Erfolgsgeschichte seines Lieblingsprojektes nicht mehr.

Voller Energie und Ideen arbeitet er an neuen Kompositionsprojekten, als ihn 1937 immer häufiger rätselhafte motorische Störungen und unerklärliche Kopfschmerzen quälen. Am 9. Juli 1937 fällt er in ein plötzliches Koma, aus dem er nicht mehr erwacht. Untersuchungen ergeben den Verdacht auf einen Gehirntumor. Eine Notoperation kann ihn nicht mehr retten.

Sein völlig unerwarteter früher Tod sendet eine Schockwelle durch Amerika und die ganze Welt. Der Journalist und Autor John O´Hara sprach vielen aus dem Herzen, als er schrieb: „George Gershwin starb am 11. Juli 1937, doch ich muss das nicht glauben, wenn ich es nicht glauben will.“



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