Ab Montag: Verdi will erneut den Nahverkehr lahmlegen

Warnstreiks im Verkehr treffen stets viele Menschen, das ist lange bekannt. Dass die Gewerkschaften dieses Potenzial so intensiv nutzen wie jetzt, ist dagegen ungewöhnlich.
Am 2. Februar hatte Verdi den öffentlichen Personennahverkehr in einer bundesweit koordinierten Aktion in nahezu allen Bundesändern bestreikt.
Verdi bestreikt erneut den öffentlichen Personennahverkehr in einer bundesweit koordinierten Aktion.Foto: Robert Michael/dpa
Epoch Times22. Februar 2024

Eine bundesweite Warnstreikwelle bei Bussen und Bahnen im Nahverkehr wird kommende Woche wieder Tausende Fahrgäste treffen. Wie die Gewerkschaft in Berlin mitteilte, sind die Arbeitskämpfe im Zeitraum von Montag bis Samstag regional an unterschiedlichen Tagen geplant, mit dem Hauptstreiktag am Freitag, 1. März. Bayern ist als einziges Bundesland nicht betroffen. Parallel zu den Warnstreiks organisiert Fridays For Future für den 1. März zahlreiche Demonstrationen gegen die Klimakrise.

Die Warnstreiks dürften zu Tausenden Ausfällen von Bussen, U- und Tram-Bahnen führen. Die meisten S-Bahnen in Deutschland sind nicht betroffen. Sie werden in der Regel von der Deutschen Bahn betrieben, die nicht mit Verdi, sondern aktuell mit der Lokführergewerkschaft GDL über neue Tarifverträge verhandelt.

Verdi: Endlich Bewegung in Verhandlungen bringen

„Um endlich Bewegung in die Verhandlungen zu bringen, muss jetzt erneut Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt werden“, sagte Verdi-Vize Christine Behle. „Deshalb rufen wir die Beschäftigten zu konzertierten Streiks auf.“

Die Aktion ist der zweite bundesweit koordinierte Arbeitskampf im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in diesem Jahr. Bereits am 2. Februar hatte Verdi den Nahverkehr vielerorts lahmgelegt. Damals waren nach Gewerkschaftsangaben mehr als 80 Städte und rund 40 Landkreise betroffen. In den vergangenen Wochen gab es zudem mehrere Warnstreiks in einzelnen Bundesländern.

Die genauen Auswirkungen werden sich erst in den kommenden Tagen abzeichnen. Absehbar dürften die Folgen des Warnstreiks je nach Region sehr unterschiedlich sein. In Berlin dürften beispielsweise während der Warnstreik-Zeit keine U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen fahren. Nach Verdi-Angaben sind rund 90.000 Beschäftigte zum Warnstreik aufgerufen. Beim Warnstreik am 2. Februar war vor allem Nordrhein-Westfalen stark betroffen, dort arbeitet ein Drittel dieser 90 000 Beschäftigten.

Kampf für bessere Arbeitsbedingungen

Die Tarifverhandlungen laufen derzeit parallel in allen Bundesländern außer Bayern. In den meisten Runden geht es vor allem um die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Verdi fordert unter anderem kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen einzelnen Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld. Auch Wendezeiten, also die planmäßige Zeit zwischen der Ankunft an einer Endhaltestelle bis zur Weiterfahrt in die Gegenrichtung, spielen eine Rolle.

Verdi will vor allem erreichen, dass die Beschäftigten entlastet und die ÖPNV-Berufe attraktiver werden. Sämtliche Verkehrsunternehmen leiden unter anhaltendem Personalmangel. Insbesondere Busfahrerinnen und Busfahrer sind schwer zu finden.

„Es muss dringend etwas geschehen, damit die Beschäftigten entlastet werden“, forderte Verdi-Vertreterin Behle. „Die Arbeitgeber sind jedoch nach wie vor nicht bereit, die Forderungen zu erfüllen und den Beschäftigten entgegenzukommen. Damit ist ein Streik unumgänglich.“

Tausende Busfahrer fehlen

Sämtliche Verkehrsunternehmen leiden unter anhaltendem Personalmangel. Insbesondere Busfahrerinnen und Busfahrer sind schwer zu finden. Nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) gehen bis 2030 in der gesamten Branche rund 80.000 Beschäftigte in den Ruhestand.

Bus- und Bahnunternehmen haben laut VDV einen besonders hohen Babyboomer-Anteil – also Beschäftigte aus den geburtenstarken Jahrgängen der Nachkriegszeit – da „die Branche über Jahre hinweg wegen politischer Sparvorgaben kaum Nachwuchs einstellen konnte“. Der Verband schätzt, dass für ein Gelingen der Verkehrswende bis 2030 etwa 110.000 neue Beschäftigte eingestellt werden müssen.

In Brandenburg, im Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird auch über höhere Löhne und Gehälter verhandelt. Verdi fordert etwa in Bandenburg 20 Prozent – mindestens aber 650 Euro – mehr pro Monat für die Beschäftigten. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll laut Verdi ein Jahr betragen. In Hamburg wird über einen neuen Haustarifvertrag für die Verkehrsbetriebe verhandelt. Lediglich in Bayern wird derzeit nicht verhandelt.

Immer mehr Streiks und Warnstreiks

Die erneuten Warnstreiks reihen sich ein in eine länger werdende Liste an Arbeitskämpfen im Verkehr in den vergangenen Monaten. Neben den ÖPNV-Warnstreiks gab es mehrtägige Arbeitskämpfe bei der Bahn und zuletzt auch mehrere Arbeitsniederlegungen im Flugverkehr.

Warnstreiks im Verkehr betreffen meist viele Menschen mitten in ihrem Alltag oder auch vor lange ersehnten Reisen – der Ärger bei Ausfällen ist schnell groß. Das ist keine neue Erkenntnis, aber nun nutzen die Gewerkschaften dieses Potenzial auch zunehmend. Die Beschäftigten stehen dabei offenbar an ihrer Seite: Nach hoher Inflation und angesichts deutlich höheren Lebenshaltungskosten wollen sie einen Ausgleich. Die Gewerkschaften berichteten zuletzt von mehr Eintritten.

Die Warnstreiks am 1. März werden mit zahlreichen Klimademonstrationen zusammenfallen, die von Fridays For Future (FFF) organisiert werden. Verdi und FFF arbeiten bereits seit einiger Zeit zusammen, unter anderem in der Verkehrs-Kampagne „Wir fahren zusammen“. Auch beim Warnstreik Anfang Februar mischten sich an Streikposten junge Aktivistinnen und Aktivisten unter die Beschäftigten. Die Anfahrt zu den Klimademonstrationen dürfte vielerorts durch den Warnstreik aber deutlich schwieriger werden. (dpa)



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