LobbyControl bemängelt Einfluss des Wirtschaftsrats der CDU auf Klimapolitik

LobbyControl bemängelt Verbindungen zwischen dem Wirtschaftsrat der CDU und „klimawissenschaftsfeindlichen Akteuren“ sowie „rechtspopulistischen Medien“. Die Organisation fordert deshalb von der Union, sich von diesen zu distanzieren. Außerdem soll Parteichef Friedrich Merz dem Wirtschaftsrat den Dauergaststatus im Parteivorstand entziehen.
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Laut der Organisation LobbyControl ist der Wirtschaftsrat der CDU ein scharfer Bremser in Sachen Klimaschutz. Symbolbild.Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images
Von 25. April 2024

Mitte März hatte die Organisation LobbyControl die Arbeit der Bundesregierung im Hinblick auf Transparenz als Erfolg gewertet. Die Ampelregierung habe in gut zwei Jahren viele neue Lobbyismusregeln auf den Weg gebracht, sagte Geschäftsführerin Imke Dierßen bei der Vorstellung des Lobbyreports 2024. „Die Bilanz kann sich sehen lassen.“ Der Bericht Lobbyreport 2024 sehe verglichen mit der Ausgabe vom September 2021 kurz vor dem Ende der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Verbesserungen „in fast allen Feldern“.

Die als gemeinnützig geführte Organisation LobbyControl berichtet nach eigenen Angaben auf ihrer Website über Einflussnahmen auf die politische Willensbildung, über Lobbynetzwerke und Denkfabriken, politische PR-Kampagnen und die Grauzonen der Politikfinanzierung. „Wir klären auf über strukturelle Hintergründe und setzen uns für die Beseitigung von Missständen ein.“

Einen neuen mutmaßlichen Missstand hat die Organisation jetzt unter der Rubrik „Lobbyismus und Klima“ veröffentlicht. Nicht die Akteure um Graichen in Habecks grünem Wirtschafts- und Klimaministerium sind hier gemeint. Darüber hatte LobbyControl-Chef Timo Lange bereits vor Monaten einen Gastbeitrag in der taz verfasst, in dem er schrieb, dass der Fall Graichen „das Meinungsklima […] erhitzt wie sonst nur fossile Kraftwerke das echte Klima“. Einer der Gründe für den Aufschrei in den Medien sei eine starke Lobby der Klimaschutzverhinderer, der Patrick Graichens Fehler ganz gelegen komme. „Das Gerede von Clan- oder auch Mafiastrukturen, wie es aus Teilen der Union und der AfD zu hören ist und von einigen Medien bereitwillig verbreitet wird“, sei dabei vollkommen unangemessen, befindet LobbyControl.

Kontakte zu klimawissenschaftsfeindlichen Kreisen

Der Wirtschaftsrat der CDU steht jetzt zur LobbyControl-Debatte, die Organisation bezeichnet diesen in seiner neuesten Publikation als „Türöffner für Klima-Desinformation“. Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein parteinaher Wirtschaftslobbyverband, der als Stimme von Unternehmen innerhalb der CDU wahrgenommen wird. Vor allem über seinen Dauergastsitz im CDU-Parteivorstand verfüge er über privilegierte Zugänge in das Machtzentrum der CDU. LobbyControl schreibt dazu: „Unsere neue Recherche zeigt, dass aus dem Lobbyverband Wirtschaftsrat heraus Kontakte zu klimawissenschaftsfeindlichen Kreisen gepflegt werden.“

Gleich mehrere Landesverbände des Wirtschaftsrats hätten Fritz Vahrenholt als Redner zu Veranstaltungen eingeladen. Der frühere RWE-Manager und ehemalige Umweltsenator von Hamburg (SPD) ist für LobbyControl „einer der bekanntesten Klimawissenschaftsleugner in Deutschland“. Die Beiträge von Vahrenholt „wurden auf den jeweiligen Veranstaltungen sehr wohlwollend aufgenommen“, will LobbyControl wissen.

Transformation der Wirtschaft kostet am Ende Wohlstand

Der ehemalige Energiemanager Vahrenholt wurde schon 2019 als Vorsitzender der Wildtier Stiftung gefeuert, da er das von der Regierung angestrebte Ziel der Klimaneutralität infrage gestellt hatte. Dabei hatte Vahrenholt die Klimaerwärmung und die Notwendigkeit, von Menschen verursachte CO₂-Emissionen zu reduzieren, sogar ausdrücklich bestätigt. Unter Berufung auf Wissenschaftler vertrat er aber die Haltung, dass „eine Zielzahl Netto-Null für die CO₂-Emissionen global überhaupt nicht erforderlich ist“.

Aktuell warnt der langjährige Energiemanager vor den Risiken einer einseitig auf erneuerbare Energien ausgerichteten Energiewende in Deutschland. Da bei der Umwandlung und Verbrennung drei Viertel der Energie verloren gehe, sei Windstrom aus Wasserstoff am Ende viermal so teuer. All das führe zu einem starken Anstieg der Stromkosten in Deutschland. Vahrenholt konstatiert, dass dies „das Ende der energieintensiven Industrie in Deutschland“ sei. Die Bundesregierung müsse erkennen, dass sie zu schnell und zu überhastet diese Transformation durchführe. „Und das wird uns Arbeitsplätze kosten, am Ende Wohlstand“, prophezeit Vahrenholt.

Nicht nur Vahrenholt, sondern laut LobbyControl „gleich mehrere führende Vertreter:innen des Wirtschaftsrats treten prominent bei dem rechtspopulistischen Medienkanal NIUS auf“. Das Problem für LobbyControl: NIUS sende immer wieder Desinformation zur Klimakrise und habe eine harte Klimakrisenleugnerin als Kolumnistin engagiert. Durch die prominenten Auftritte bei NIUS und die Einladungen der Landesverbände an Vahrenholt normalisierten diese klimawissenschaftsfeindliche Positionen.

Das klingt erst einmal wie Lobbyarbeit für die Klimapolitik der Bundesregierung durch die sich selbst als unabhängig bezeichnende Organisation LobbyControl. Was eine konkrete Einflussnahme des Wirtschaftsrats der CDU auf die Klimapolitik der Partei angeht, bleibt LobbyControl eher vage: „Das könnte im Interesse mancher Mitgliedsunternehmen sein, die ihr fossiles Geschäftsmodell durch den Klimaschutz bedroht sehen.“

Der Wirtschaftsrat falle laut LobbyControl immer wieder als ein scharfer Bremser in Sachen Klimaschutz auf, denn zuletzt hätte er sich etwa gegen einen „verfrühten“ Kohleausstieg und für einen verstärkten Einsatz von heimischem Fracking-Gas ausgesprochen. Diese Forderungen trügen dazu bei, die dringend notwendige Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität auszubremsen.

LobbyControl sieht Klimadebatte in Gefahr

Die Organisation fordert sowohl den Wirtschaftsrat als auch die CDU auf, „sich klar von Einladungen an und Auftritten bei klimawissenschaftsfeindlichen Akteuren zu distanzieren“. Außerdem soll Parteichef Friedrich Merz, der bis Ende 2021 selbst Vizepräsident des Verbands war, dem Wirtschaftsrat „endlich den Dauergaststatus im Parteivorstand entziehen“.

Der Wirtschaftsrat ist zwar formal ein parteiunabhängiger Lobbyverband, steht aber dem Wirtschaftsflügel der CDU nahe. Die Präsidentin des Wirtschaftsrats, Astrid Hamker, sitze sogar als Dauergast im Bundesvorstand der CDU. Damit haben Unternehmen, so LobbyControl, einen Lobbyzugriff auf das Machtzentrum der Partei.

Schaden für die Demokratie, wenn Klimaschutz ausgebremst wird?

Laut LobbyControl ist es für die Demokratie ein enormer Schaden, „wenn wissenschaftsfeindliche Positionen normalisiert werden und verbreitet werden und Klimaschutz ausbremsen“. Auch für die Partei könne es schädlich sein, dass der Wirtschaftsrat klimawissenschaftsfeindliche Positionen in seinen Reihen toleriert. „Solche Positionen bekommen so den Anstrich organisierter Unternehmensinteressen – und gelangen über den eng mit der CDU verbundenen Lobbyverband in die Partei hinein.“



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