„Niemand weiß mehr, wo einem der Kopf steht“ – immer mehr Lehrer langfristig erkrankt

Es steht schlecht um die Gesundheit der Lehrer. Arzttermine werden verschoben, bis nichts mehr geht. Damit ist ein langfristiger Ausfall vorprogrammiert.
Lehrerin am Schultisch. Symbolbild. Foto: iStock
Der Druck auf Lehrern wird immer größer. Das bekommen sie auch gesundheitlich zu spüren (Symbolbild).Foto: iStock
Von 7. April 2024

Eine repräsentative Umfrage der forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) zeigt eine alarmierende Entwicklung an deutschen Schulen. 60 Prozent der im vergangenen Herbst befragten 1.310 Schulleitungen sehen einen Anstieg langfristiger krankheitsbedingter Ausfälle – sowohl hinsichtlich physischer als auch psychischer Erkrankungen.

Diese Werte sind im Vergleich zu den Jahren 2019 und 2021 sogar deutlich gestiegen. Im Jahr 2019 sagte nur rund ein Drittel der Befragten aus, dass physische und psychische Erkrankungen zugenommen hätten. Im Jahr 2021 war es bereits die Hälfte.

Dem VBE-Bundesvorsitzenden Gerhard Brand ist durchaus bewusst, dass Lehrer einem hohen Stress ausgesetzt sind. Außerdem seien die Arbeitsplätze oft nicht ergonomisch eingerichtet. „Und noch dazu liegen Arzttermine für Prävention meist mitten am Tag. Diese wahrzunehmen, würde Unterrichtsausfall bedeuten, denn mitten im Lehrkräftemangel ist eine Vertretung kaum möglich“, erklärt er.

Wird der Vorsorgetermin jedoch in die nächsten Ferien geschoben, kann es schon zu spät sein. So erkranken immer mehr Lehrkräfte langfristig und fallen aus.

„Ob Burnout oder Bandscheibenvorfall: Jede erkrankte Lehrkraft ist eine zu viel, vor allem, wenn Krankheiten durch bessere Arbeitsbedingungen und gezielte Präventionsangebote verhindert werden können“, betont Brand.

Keine Zeit für Gesundheit

71 Prozent der Schulleitungen gaben an, dass sie nicht genügend Möglichkeiten hätten, zur Gesunderhaltung ihrer Lehrer beizutragen. Nur ein Viertel (24 Prozent) hielt die Möglichkeiten für ausreichend. Am ehesten ist dies an Förder- und Sonderschulen der Fall.

„Das ist auch nachvollziehbar“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand. „Im aktuellen Lehrkräftemangel und durch den Zuwachs an Aufgaben weiß doch niemand mehr, wo einem der Kopf steht.“

Die Devise heiße „Schneller, höher, weiter, mehr“. Brand warnt: „Aber Lehrkräfte sind keine Sprinter! Wenn wir den Marathon von circa 40 Dienstjahren schaffen sollen, braucht es dafür gute Bedingungen. Momentan fühlt es sich aber einfach nur nach einem nicht enden wollenden Hürdenlauf an.“

Weniger Bürokratie, mehr Austausch

Den Schulleitungen wurden innerhalb der Umfrage einige mögliche Maßnahmen für die Gesunderhaltung ihres Kollegiums vorgegeben, von denen sie drei auswählen sollten.

Demnach sehen es 56 Prozent der Schulleitungen als besonders gesundheitsförderlich an, die Verwaltungsarbeit zu reduzieren. Etwa jede zweite Schulleitung (48 Prozent) nannte die gleichmäßige Verteilung von Aufgaben und Mehrarbeit.

Hier sieht der VBE-Chef die Politik am Zug: „Das ist nichts, was die Schulleitung einfach entscheiden kann. Die Verwaltungen sind in der Pflicht, bürokratische Hürden abzubauen, um die Belastung zu verringern.“

Die Umfrage zeigt auch, dass viele Schulleitungen den Arbeitsort Schule im Rahmen ihres Wirkens als Ort gestalten, an dem man sich gegenseitig zuhört und Hilfe erhält, wenn Unterstützung nötig ist.

40 Prozent der Befragten sahen transparente Entscheidungen der Schulleitung und den Einbezug der Lehrer als besonders förderlich für die Gesundheit der Lehrer an. Jede dritte Schulleitung (31 Prozent) sprach sich für einen regelmäßigen Austausch über Belastungen und Probleme aus.

„Wir wissen um die Bemühungen vieler Schulleitungen, aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt – und ihre Kräfte auch. Daher halten wir es für notwendig, neben den dringend benötigten strukturellen Veränderungen mehr Personal an Schule zu holen“, erläutert Brand. Unterschiedliche Professionen könnten sich am besten Aufgaben teilen und so für jedes Kind das Beste geben.

Sport allein ist keine Lösung

Als wenig förderlich für die Gesundheit wurden hingegen Angebote und Förderung zur sportlichen Betätigung der Lehrer gesehen, die nur fünf Prozent der Schulleitungen in ihrer Auswahl zu gesundheitsfördernden Maßnahmen berücksichtigten.

Dabei hatte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrem ad-hoc-Gutachten im Dezember 2022 eingefordert, dass mehr Angebote für Sport und Gesundheitsprävention unterbreitet werden sollen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken.

Brand sagte dazu: „Das darf nicht isoliert betrachtet werden. Mit Yoga löse ich keine jahrelange Belastungssituation.“ Wenn hingegen gleichzeitig die Arbeitsbedingungen verbessert würden, könne auch Sport präventive Wirkung haben.

„Der größte Sport in manch einer Bildungsverwaltung scheint aber das Streichen von Sabbatical- und Teilzeitanträgen zu sein. Übrigens auch eine Maßnahme, mit der die Gesundheit der Beschäftigten belastet wird“, so Brand.

VBE fordert Gesundheitsfachkräfte an Schulen

Nicht zuletzt verbindet der VBE mit den Ergebnissen einen Appell an die Politik, die Prävention in die Schule zu holen. Dafür brauche es „Schulgesundheitsfachkräfte“ als Teil des multiprofessionellen Teams – das fordert der VBE seit 2017.

Diese Mitarbeiter könnten nicht nur im akuten Erkrankungs- oder Verletzungsfall professionelle Hilfe leisten, sondern auch die zahlenmäßig immer mehr werdenden chronisch kranken Kinder bei der Medikamenteneinnahme unterstützen.

Das sei so auch wissenschaftlich evaluiert worden, „aber am Ende fehlte das Geld für eine Fortführung des Pilotprojektes in Brandenburg“, so Brand. „Wir zählen darauf, dass die Erfahrung der anderen Bundesländer dazu führen wird, dass bald in ganz Deutschland Schulen von diesen Kräften profitieren können. Zeit wird’s!“

 



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