Fünf Tage für 119 Euro
Pastor beim Kirchentag: „Wir sind alle die Letzte Generation“
Am Sonntag endete der 38. Evangelische Kirchentag in Deutschland. Neben Abtreibungsgegnern und der AfD blieb diesmal auch die Friedensbewegung zu Hause.

Nach fünf Tagen voller politischer Statements und Bibelarbeiten geht der Kirchentag in Nürnberg zu Ende.
Foto: Pia Bayer/dpa
Am Sonntag, 11. Juni, ist in Nürnberg der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. Der letzte Tag der fünftägigen Veranstaltung stand im Zeichen des Abschlussgottesdienstes auf dem Hauptmarkt. 25.000 Menschen folgten diesem Gottesdienst, der an mehreren Stellen der Stadt auch übertragen wurde. Das geht aus einem Eigenbericht der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) hervor. Allein in Nürnberg verfügt diese über mehr als 120.000 Mitglieder. Auch sonst hielt sich das Interesse am Kirchentag in Grenzen – obwohl es der erste seit der Veranstaltung in Dortmund 2019 war.
Deutlich geringeres Interesse als vor der Corona-Zeit
Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, hatten vor der Corona-Krise 80.000 Dauerteilnehmer und 41.000 Käufer von Tageskarten den Kirchentag besucht. Diesmal gab es diese Differenzierung nicht mehr. Für ein Fünf-Tages-Ticket waren Berichten zufolge 119 Euro zu entrichten. Ein Ticket erwarben diesmal 70.000 Personen. Bis zu 130.000 Menschen konnten unentgeltliche Angebote wie der „Abend der Begegnung“ in der Innenstadt mobilisieren.
Im Rahmen der Abschlussfeier meldete sich unter anderem der frühere Bundesminister Thomas de Maizière zu Wort. Er sprach von „Zeiten erschütterter Gewissheiten“ – und dass man dennoch Zuversicht bewahren solle.
„Queeres“ Bekenntnis sorgte für Applaus am Kirchentag
Die Predigt zum Abschluss hielt der ursprünglich aus Südafrika stammende ostfriesische Pastor Quinton Caesar. Er mahnte dazu, „sichere Orte“ in der Kirche zu gewährleisten. Jetzt sei die Zeit, äußerte er in Anlehnung an den Slogan des Kirchentages, zu sagen:
„Wir sind alle die Letzte Generation, Gott ist queer und Black lives always matter.“
Außerdem rief er dazu auf, sich verstärkt mittels eigener Schiffe für die sogenannte Seenotrettung im Mittelmeer zu engagieren. Es sei zudem auch „mehr Engagement beim Klimaschutz“ erforderlich. Der Aufruf zur Solidarität mit der LGBTQ*-Community und sogenannten Klimaaktivisten stieß auf großen Applaus, so der Eigenbericht.
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Kirchentag erstmals auch ohne prominente Vertreter der Friedensbewegung
Wie bereits zum Kirchentag in Dortmund galten Politiker und Funktionäre der AfD auf dem Kirchentag als unerwünscht. Auch konservative christliche Gruppen, etwa aus dem Bereich der Abtreibungsgegner, waren nicht in öffentlich wahrnehmbarer Weise vertreten.
Erstmals fehlten, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) nicht ohne Ausdruck der Genugtuung vermerkte, jedoch auch Vertreter der Friedensbewegung. Prominenteste Abwesende war dabei die langjährige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann. Andreas Zumach, der ehemalige Sprecher der deutschen Friedensbewegung, blieb der Veranstaltung ebenfalls fern.
Stattdessen verteidigten Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Chef die „Zeitenwende“ und warnten angesichts des „russischen Angriffskrieges“ in der Ukraine vor „Appeasement“.
„Empfundene persönliche Irrelevanz“
Inwieweit der Evangelische Kirchentag einen Beitrag leisten konnte, um dem anhaltenden Bedeutungsverlust der EKD entgegenzuwirken, bleibt offen. Zum Ende des Jahres 2022 zählte sie nur noch 19,1 Millionen Mitglieder. Netto hatte sie dabei einen Verlust von mehr als einer halben Million Angehörigen zu verkraften. Mit 380.000 lag die Zahl der Kirchenaustritte sogar erstmals über jener der Todesfälle (365.000).
Damit waren nur noch 22,7 Prozent der Bevölkerung in Deutschland insgesamt noch Mitglied in einer evangelischen Landeskirche. Im Jahr 1961 waren dies noch 51,1 Prozent. Nur 19.000 Personen traten der Kirche bei. Ein deutliches Plus gab es nur bei den Taufen – wobei auch hier ein Nachholeffekt nach der Corona-Zeit eine Rolle gespielt haben dürfte.
Bereits im Jahr 2021 hatte Petra-Angela Ahrens vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD eine verbreitete „empfundene persönliche Irrelevanz“ der Kirche und ihrer Botschaft diagnostiziert. Diese sei im Regelfall der relevante Faktor für einen Kirchenaustritt. Dazu komme eine abnehmende Bereitschaft, den evangelischen Glauben an die nächste Generation weiterzugeben. Was auch damit zu tun haben könnte, dass – wie eine „Spiegel“-Umfrage 2019 zeigte – nur noch 67 Prozent der EKD-Mitglieder noch an Gott glauben.
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