Abnehmspritze Wegovy ab Montag in Deutschland verfügbar – EMA prüft schwere Nebenwirkungen

Noch unpassender könnte der Zeitpunkt nicht sein. Nachdem sich Meldungen über Selbstverletzungen und Selbstmordgedanken nach der Einnahme von Diabetiker-Präparaten gehäuft haben und die EMA eine Prüfung eingeleitet hat, ist eines dieser Medikamente ab Montag, 17. Juli, in Deutschland erhältlich.
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Ursprünglich für Diabetiker entwickelt, ist die Spritze Wegovy ein Hoffnungsschimmer für Übergewichtige. Ganz ungefährlich ist das Mittel jedoch nicht (Symbolbild).Foto: iStock
Von 16. Juli 2023

Bislang war die Abnehmspritze Wegovy in den USA, Dänemark und Norwegen verfügbar. Ab Montag gibt es das verschreibungspflichtige Medikament auch in Deutschland. Die Hersteller rechnen mit einer hohen Nachfrage und immensen Gewinnen. Kein Wunder. Nachdem Promis wie Elon Musk und Kim Kardashian offenbart hatten, dass sie mit der Abnehmspritze von Ozempic, einem ähnlichen Mittel, überflüssige Pfunde verloren hatten, ist in Amerika ein regelrechter Lifestyle-Hype ausgelöst worden, der inzwischen auch andere Länder erreicht hat.

Der Ansatz klingt für viele verlockend. Einmal pro Woche setzt man sich eine Wegovy-Spritze in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm und verliert dafür lästige Pfunde. Dafür sorgt der Wirkstoff Semaglutid, der das Sättigungsgefühl erhöhen und gleichzeitig den Hunger und die künftige Nahrungsaufnahme verringern soll. Doch der Schein trügt. Dass das Mittel ursprünglich für Diabetiker Typ 2 gedacht war, wird nur am Rand erwähnt.

Fachärzte kritisieren den Trend zum Abnehmen per Spritze und den damit verbundenen Hype. Einer von ihnen ist Stephan Martin, Chefarzt Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums beim Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf. Er bemängelt, dass übergewichtige Menschen, die „nur“ Adipositas haben, Patienten das Medikament wegnähmen, die es dringend für ihre Diabetesbehandlung bräuchten. „Das ist eine Riesen-Schweinerei, was da im Moment passiert.“

Ein weiterer Aspekt, der in der öffentlichen Debatte oft nicht beachtet werde: In den Studien wurde Semaglutid immer mit Sport und einer Ernährungsumstellung kombiniert. Darauf weist auch der Endokrinologe Matthias Blüher hin, der die Adipositas-Ambulanz am Universitätsklinikum Leipzig leitet: „Allein das Medikament kann es nicht richten“, betont er.

Der Bumerang-Effekt

Wie drastisch sich eine Behandlung mit Wegovy auswirken kann, zeigt ein Fall aus den USA, über den die „New York Post“ berichtete. Eli Diaz, die zu Beginn der Behandlung 122 kg wog, wollte damit ihr Traumgewicht von etwa 73 kg zurückerobern, das sie vor Geburt ihres Kindes hatte.

Tatsächlich verlor sie in den ersten drei Monaten elf Kilogramm, wobei sie sich wöchentlich eine Wegovy-Spritze verabreichte. Da die Behandlung nicht von ihrer Versicherung übernommen wurde, zahlte sie die 3.000 US-Dollar dafür aus eigener Tasche.

Während des dritten Monats wurde die dreifache Mutter sehr krank. „Ich fühlte mich müde, mir war übel und ich musste mich übergeben“, schilderte sie. Weil sie Herzrasen bekam, suchte sie ein Krankenhaus auf.

Dann die bittere Nachricht: Aufgrund einer Schilddrüsenüberfunktion rieten die Ärzte der 36-Jährigen, die Behandlung abzubrechen, da Schilddrüsentumore eine der schwerwiegenden Nebenwirkungen von Wegovy sind.

Nach dem Abbruch schnellte ihr Gewicht in die Höhe, und zwar auf 127 kg, sodass sie mehr wog als zu Beginn der Therapie. Selbst nach einer vollen Mahlzeit verspürte sie noch immer Hunger, erinnert sich Diaz.

„Die meisten Menschen nehmen wieder zu, wenn sie die Ursache für die Gewichtszunahme nicht beseitigt haben“, erklärte Dr. Caroline Messer, eine Endokrinologin am Northwell Lenox Hill Hospital, gegenüber der „New York Post“. Wenn man nur abnimmt und nicht trainiert, verlangsamt sich der Stoffwechsel und es kommt zu einem Bumerangeffekt, sobald man die Behandlung einstellt, so die Medizinerin weiter.

Nach ihrem Scheitern litt Diaz an schweren Depressionen. Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, sagte sie sich: „Das bin ich nicht.“ Nach einer Beratung beim Arzt entschied sie sich schließlich zu einer Magenverkleinerung. Seit der Operation im März hat sie 20 Kilogramm abgenommen und ist damit ihrem alten Ich ein Stückchen näher. Außerdem fühle sie sich viel gesünder.

Nebenwirkungen von Wegovy

Am häufigsten berichteten die Probanden in Studien über Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. Die mittlere Dauer der Übelkeit betrug acht Tage, während die Probanden zwei Tage mit Erbrechen und drei mit Durchfall verbrachten. 47 Tage litten sie im Schnitt an Verstopfung. Wegen derartiger Magen-Darm-Nebenwirkungen soll die Dosis des Medikaments über mehrere Wochen bis auf 2,4 Milligramm gesteigert werden.

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Gallensteine, niedrige Blutzuckerwerte, Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern sowie Haarausfall, Kopfschmerzen, Schwindel, erhöhte Herzfrequenz und anaphylaktische Reaktionen.

Die Europäische Arzneimittelagentur rät von einer Einnahme des Medikaments in der Stillzeit ab. Bei tierexperimentellen Versuchen wurde von säugenden Ratten das Semaglutid in die Muttermilch ausgeschieden. Daher könne ein Risiko für ein gestilltes Kind nicht ausgeschlossen werden.

Es sei auch nicht bekannt, ob Semaglutid Auswirkungen auf die menschliche Fertilität habe. „Möchte eine Patientin schwanger werden oder tritt eine Schwangerschaft ein, muss Semaglutid mindestens 2 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden“, heißt es von der EMA.

Suizidgedanken und Selbstverletzungen stehen noch nicht auf der Liste der Nebenwirkungen, aber das könnte sich in den kommenden Monaten ändern. Aufgrund von rund 150 Meldungen, in denen über Suizidgedanken und Selbstverletzungen nach der Einnahme von den Medikamenten Ozempic und Wegovy (beide mit dem Wirkstoff Semaglutid) sowie Saxenda (Liraglutid) berichtet wurde, hat der Pharmakovigilanzausschuss der EMA am 3. Juli eine Sicherheitsprüfung eingeleitet. Das Ergebnis soll im November 2023 vorliegen.



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