Studie: Wiederholte Grippeimpfung birgt höheres Infektionsrisiko

Wissenschaftler haben noch viele offene Fragen zu dem Mechanismus, der für das erhöhte Infektionsrisiko bei Wiederholungsimpfungen verantwortlich ist.
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Von 23. Januar 2024

Ein kürzlich veröffentlichter Vorabdruck, den Forscher des U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) U.S. Flu Vaccine Effectiveness Network, des Netzwerks für Effektivität von Grippeschutzimpfungen des US-Gesundheitsamts, mitverfassten, zeigt, dass wiederholte jährliche Grippeimpfungen mit einem erhöhten Risiko einer Grippeinfektion verbunden sind.

Die Autoren des Vorabdrucks fragten sich zunächst, ob der Zeitpunkt der Impfung und Grippeinfektionen in früheren Jahren zum erhöhten Infektionsrisiko von Mehrfachgeimpften beigetragen haben könnten.

Sie kamen jedoch zu dem Schluss, dass diese Faktoren „das erhöhte Infektionsrisiko bei Mehrfachgeimpften im Vergleich zu Nicht-Mehrfachgeimpften nicht vollständig erklären können“.

Mehrfachgeimpfte erkranken eher an einem Grippetyp

Die Studie beobachtete Patienten, die sich während der acht Grippezeiten von 2011 bis 2019 mit akuten Atemwegserkrankungen in einer der ausgewiesenen Kliniken eingefunden hatten. Die Wissenschaftler analysierten mehr als 55.000 Klinikbesuche und deren Impfstatus.

Mehrfachgeimpfte hatten im Vergleich zu nicht Mehrfachgeimpften ein um 10 Prozent erhöhtes Risiko, sich mit dem Influenza-Typ A H3N2 zu infizieren, nicht aber für die Varianten Influenza Typ B und Influenza Typ A H1N1.

Diejenigen, die in früheren Jahren an Grippe erkrankt waren, waren laut den Studiendaten besser vor einer Ansteckung geschützt, wenn die aktuell zirkulierende Variante zum selben Subtyp gehörte.

Die Daten zeigten zum einen, dass sich Mehrfachgeimpfte in der Regel etwa eine Woche früher impfen ließen als Nicht-Mehrfachgeimpfte. Zum anderen war ein Trend ersichtlich, dass Ungeimpfte, die sich in der vorangegangenen Saison infiziert hatten, in der folgenden Saison eher dazu neigten, sich impfen zu lassen. Jedoch stellten die Autoren fest, dass keiner der beiden Faktoren die Schätzungen zu den Auswirkungen der Mehrfachimpfung signifikant veränderte.

Ein fortdauerndes Dilemma

Ein erhöhtes Risiko einer Grippeinfektion bei Mehrfachgeimpften ist ein Phänomen, das seit Jahrzehnten beobachtet wird.

Bereits in den 1970er-Jahren haben Studien gezeigt, dass eine wiederholte Grippeimpfung mit einem geringeren Impfschutz verbunden ist.

Auch eine kanadische Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass der Impfstoff bei den zuvor nicht Geimpften einen Schutz von 43 Prozent bot, während die in der vorangegangenen Saison Geimpften eine Immunität von minus 15 Prozent aufwiesen, was bedeutet, dass sie einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt waren als zuvor.

Eine weitverbreitete Theorie ist das Konzept der sogenannten Antigenerbsünde. Dieses Konzept besagt, dass der Körper unabhängig von dem Virus, mit dem wir in Berührung kommen, immer dazu neigt, auf neuere Virusstämme auf dieselbe Weise zu reagieren wie auf die ursprüngliche Infektion.

„Unser Immunsystem reagiert am stärksten auf die Virenstämme, denen wir in unserer Kindheit begegnet sind. […] Nach der OAS-Theorie (Original Antigenic Sin) [ursprüngliche Antigenerbsünde, Anm. d. Red.] würde unser Körper, egal wie viele Grippeimpfungen oder COVID-Auffrischungen wir erhalten, hartnäckig darauf bestehen, unnütze Antikörper gegen einen nicht mehr aktuellen Virusstamm zu produzieren“, schrieb der Immunologe Gabriel D. Victora von der Rockefeller University in einem Artikel vom Januar 2023.

Es hat sich gezeigt, dass wiederholte Impfungen gegen dasselbe Virus die körpereigene Antikörperreaktion abschwächen.

Eine in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Studie ergab, dass Menschen, die in zwei aufeinander folgenden Jahren mit der gleichen Zubereitung geimpft wurden, Antikörper entwickelten, die weniger effektiv an Virusbestandteile binden und diese abbauen, wenn sie infiziert werden – und das, obwohl der Virusstamm in den beiden Vergleichsjahren ähnlich war.

Andere Studien widersprechen jedoch diesen Ergebnissen. Die Autoren einer Studie aus dem Jahr 2022, die in der Fachzeitschrift „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht wurde, stellten fest, dass die Impfung im Vorjahr zwar die Wirksamkeit des Impfstoffs abschwäche, die Impfung in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jedoch einen besseren Schutz bieten würde als keine Impfung.

Die durch eine Infektion erworbene natürliche Immunität ist laut einer anderen Studie in der Fachzeitschrift „Nature“ wirksamer als die kurzfristige Immunität, die durch Grippeimpfstoffe erreicht wird.

Die unspezifische Wirkung von Impfstoffen

Der Biologe Alberto Rubio-Casillas von der Universität Guadalajara erklärte in einer E-Mail an The Epoch Times, dass verschiedene Impfstoffe unterschiedliche unspezifische Wirkungen haben.

„Das heißt, sie verhindern nicht nur die Krankheit, auf die der Impfstoff abzielt, sondern verringern auch die Sterblichkeit bei anderen Infektionen. Impfstoffe trainieren offenbar das Immunsystem in einer Weise, die die Anfälligkeit für nicht verwandte Infektionen verringert oder erhöht“, sagte er.

„Alle bisher untersuchten abgeschwächten Lebendimpfstoffe, einschließlich BCG (Bacillus Calmette-Guérin) [Impfstoff gegen Tuberkulose], Masernvirus und oraler Polioimpfstoff, haben positive unspezifische Wirkungen. […] Andererseits haben Nicht-Lebendimpfstoffe negative unspezifische Wirkungen.“

Im Gegensatz dazu ergaben einige Studien, dass Grippeimpfungen auch eine Immunität gegen Respiratorische Synzytialviren verleihen können.

Bei den meisten zugelassenen Grippeimpfstoffen handelt es sich heute um Nicht-Lebendimpfstoffe.

Lebendimpfstoffe erzeugen in der Regel eine längere und wirksamere Immunität. Sie führen jedoch auch zu stärkeren immunologischen Reaktionen, die von immungeschwächten Personen oder Personen mit chronischen Gesundheitsproblemen möglicherweise nicht effektiv bewältigt werden können, so die Einschätzung des Biologen.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Repeat Influenza Vaccination Linked to Higher Risk of Infection: CDC Preprint“ (deutsche Bearbeitung jw)



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