Pläne für Arzneistudien an Dementen stoßen auf Widerstand

Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu klinischen Studien an Demenzkranken schlagen seit Monaten hohe Wellen. Es geht um das Vorhaben, klinische Arzneitests an Demenzkranken faktisch auszuweiten. Dagegen gibt es nicht nur Widerstand von Seiten der Kirchen und Behindertenverbänden.
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SymbolbildFoto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times8. November 2016

Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu klinischen Studien an Demenzkranken schlagen seit Monaten hohe Wellen. Es geht um das Vorhaben, klinische Arzneitests an Demenzkranken faktisch auszuweiten. Dagegen gibt es nicht nur Widerstand von Seiten der Kirchen und Behindertenverbände.

Auch im Bundestag ist der Plan umstritten, so dass die Vorlage mehrfach von der Tagesordnung genommen wurde. Am Mittwoch befasst sich das Plenum in zweiter Beratung mit den Änderungsanträgen, bevor am Freitag über die Arzneimittelnovelle abgestimmt werden soll. Der Fraktionszwang ist dabei aufgehoben. Ein Überblick:

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Bislang ist die Studienteilnahme von Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr selbst einwilligen können, nur dann erlaubt, wenn damit ein möglicher Nutzen für sie selbst verbunden ist. Das kann eine neuartige Therapie sein oder eine besonders intensive medizinische Behandlung während der Studie.

Dann kann der gesetzliche Betreuer eines Demenzkranken – nach Abwägung der möglichen Risiken – die Zustimmung erteilen. Nicht erlaubt ist bislang eine Forschung, die nur „gruppennützig“ ist, den Betroffenen selbst also keine Vorteile bringt, sondern allenfalls künftigen Generationen.

Um welches Gesetz geht es aktuell?

Der Streit dreht sich um einen Passus im Entwurf des „Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ – so der sperrige Titel. Formal wird damit eine EU-Verordnung umgesetzt, in der die gruppennützige Forschung erlaubt wird.

Welche Änderungen sieht die neue Arzneimittelnovelle vor?

Der persönliche Nutzenfaktor bekommt nach Gröhes Plänen weniger Gewicht. Durch die Änderung des Arzneimittelgesetzes sollen klinische Arzneistudien an Menschen mit Demenz oder anderen nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten, die davon keinen unmittelbaren Nutzen haben, in engen Grenzen erlaubt werden. Voraussetzung wäre dem Gesetzentwurf zufolge, dass sie vorab in einer Patientenverfügung einer späteren gruppennützigen Forschung zustimmen und der gesetzliche Betreuer nach umfassender Aufklärung in die Studie einwilligt.

Wie begründet Gröhe die neuen Regelungen?

Der Minister verweist wie auch andere Befürworter darauf, dass hochwertige klinische Prüfungen „eine Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Zugang zu neuen Arzneimitteln“ seien. In Interviews berief er sich zudem auf Expertenäußerungen, wonach sich die Ergebnisse von Arzneimitteltests in früheren Krankheitsstadien nicht einfach auf spätere Erkrankungsphasen übertragen lassen. Deshalb seien solche klinischen Studien zwingend erforderlich, um die Behandlung von Demenzkranken weiter zu verbessern.

Woran entzündet sich die Kritik?

Gegner der Novelle wie die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft geben zu bedenken, dass Demenzkranke „besonders schutzbedürftige Menschen“ seien, die ihre Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr widerrufen können. Die Betreuer könnten dadurch in einen Zwiespalt geraten. Auch die Behindertenverbände halten es für schwierig, den aktuellen Willen von Dementen zu ermitteln.

Die Kirchen sehen in der Novelle einen Verstoß gegen die Menschenwürde und warnen davor, dass „der Mensch zum bloßen Objekt herabgestuft und benutzt wird“. Andere Kritiker wie die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese halten Arzneitests an nicht einwilligungsfähigen Menschen generell nur für akzeptabel, wenn diese selbst einen Nutzen davon hätten.

Welche Zielrichtung haben die Änderungsanträge?

Zum Gesetzentwurf der Regierung liegen drei fraktionsübergreifende Änderungsanträge vor. Ein Antrag um die Abgeordneten Uwe Schummer (CDU), Ulla Schmidt (SPD), Kathrin Vogler (Linke) und Kordula Schulz-Asche (Grüne) sieht vor, es bei der bisherigen, restriktiven Regelung zu belassen. Den zwei anderen Anträgen zur Folge wäre die gruppennützige Forschung nach entsprechender Voraberklärung grundsätzlich erlaubt – sofern es eine verpflichtende beziehungsweise optionale ärztliche Beratung gibt.

(afp/mh)



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