Die Schranzen-Apokalypse

Oder: Wie dein Leben als Milliardär aussähe – wie man mit dir spräche, wie dein Umfeld sich entwickelte und warum du bald als Visionär auf Weltrettungsmission wärst. Eine realistische Satire von Dr. Andrick.
Titelbild
Philosoph und Satiriker Michael Andrick.Foto: privat, Michael Andrick_web
Von 14. Dezember 2023

Hättest du nicht eine Million, nicht eine Milliarde, sondern sogar einige Milliarden – ob geerbt, erworben, erpresst oder erschlichen spielt keine Rolle -, was bekämst du dann zu hören? Natürlich dies: „Genialer Macher“, „leidenschaftlicher Entrepreneur“, „vorbildlicher Familienvater“, „unprätentiös“, „bescheiden“ und „herzenswarm“, „stets elegant gekleidet“, „der Patriarch einer Dynastie von…“ oder auch ein schlichtes „Thank you for your leadership“.

Hättest du einige Milliarden, so spräche niemand mehr so mit dir, wie er es einfach deinetwegen – also der von deinem Konto abstrahierten Person wegen – tun wollte. Sondern jeder redet mit dir so, wie er meint, sprechen zu müssen, um ein wenig von deinen Milliarden abzubekommen.

Oder aber er spricht so, wie er meint, sprechen zu müssen, um nicht deinen Zorn zu erregen, der ja milliardenschwer ist und der sich im Falle des Missfallens die für dich ausersehenen Folterwerkzeuge und die Knechte zu ihrer Bedienung einfach kaufen kann. Als Milliardär kommt dir also meist Schmeichelei oder freundliches Schweigen entgegen.

Die Verschranzung setzt ein

Hättest du also einige Milliarden, so würdest du jederzeit sehr ermutigt werden, dein Wissen für tiefgründig und deine Ideen für heil versprechend zu erachten: Was du gestern im Warteraum des Zahnarztes gelesen oder in einem Internet-Video gehört hast, das wird morgen von deinen Bekannten begierig aufgenommen –  „Genial.“ Oder vielleicht sagen sie auch nur: „Das habe ich so noch gar nicht gesehen …“, oder „Aha-ja ja, ich verstehe“, was aber auch dein gefühltes Wissen und deine Ideen bestätigt.

Und darauf kommt alles an: Dein Wissen, real oder eingebildet, und deine Ideen, klug oder dumm, zu bestätigen, allenfalls mit affirmativem Nachfragen deinen Vortrag etwas in Länge und Breite zu ziehen und im Übrigen stets dreinzublicken, als würde einem die Offenbarung des Heiligen Geistes zuteil, – das ist das Geschäftsmodell deiner Umgebung.

Jedenfalls das all der Leute, die deine Gesellschaft suchen, das Geschäftsmodell der Schmeichler also. Die Ängstlichen, die ihre eigenen Ansichten in deiner Gegenwart hinunterschluckten, haben sich schon längst verzogen und kommen freiwillig nicht wieder. Und die wenigen Philosophen, die unbefangen bei dir bleiben, sind schwer auszumachen oder stoßen deinem Ego als Applausverweigerer übel auf.

Das ist nicht deine Schuld, du bist kein besonders übler Milliardär. Überall dort, wo Milliarden auf nur einem Konto sich häufen, greift diese Sozialdynamik Platz: Normal eigenwillige Menschen werden durch normativ Anspruchslose aus dem Umfeld der Milliardäre verdrängt, wo diese sich dann mehrheitlich zur „Schranze“ entwickeln – zu Leuten, die sich für ideologische Zuverlässigkeit und persönliche Loyalität bezahlen lassen.

Hättest du also einige Milliarden, so hättest du pro Milliarde so viele Schranzen um dich, wie du möchtest. Und natürlich möchtest du Menschen anheuern, denn du bist ja von deinem Wissen und deinen Ideen, aus den schon entwickelten Gründen, vollends überzeugt; das gelegentliche „Ach-so-ja-ja“ nur lauwarmer Hingabe erschüttert dich nicht sehr.

Die Weltgesundung ist nah!

Die Weltgesundung, so weißt du, ist nah, wenn du nur „the best and the brightest“ („die Besten und die Hellsten“) darauf verpflichten kannst, aus deinem Wissen und deinen Ideen die Weltgesundungspolitik zu entnehmen – und sie dann gehörig zu exekutieren, indem sie für dich dein Geld so walten lassen, dass alle in deine Dienste verschranzt werden, denen die Weisheit deines Wissens und deiner Ideen nicht einleuchten mag oder die stur auf ihrem Wissen und ihren Ideen beharren wollen.

„Alle“, das bedeutet hier auch alles: Ganze altehrwürdige Institutionen, national wie international, werden mit deinem Geld verschranzt von „den Besten und Hellsten“, die du ausschickst, und alle – deine Schranzen selbst, die von ihnen korrumpierten Einzelnen und das Personal der von ihnen korrumpierten Institutionen – wirklich alle erkennen mit dem Geldeingang auf ihren Konten zuverlässig die Vorteile, die eigentümliche Stimmigkeit, ja Genialität deines Wissens und deiner Ideen.

Du wirst nicht aussprechen, dass „die Besten und die Hellsten“, die du dir einkaufst, einfach deine Schranzen sind – Leute, die eben sagen, was sie meinen, dass du hören willst, und die schon vorauseilend genau das tun, was sie meinen, dass du getan sehen willst.

Und die Schranzen wollen glauben, dass sie „die Besten und die Hellsten“ sind, was ihnen ja auch täglich leicht gemacht wird, da sie überall, wo sie die Visitenkarte mit deinem milliardenschweren Namen zücken, mit der vorsichtigen Höflichkeit empfangen werden, die früher den Abgesandten eines Fürsten und heute vielleicht dem Steuerbeamten gilt.

Und so bleibt die Wahrheit über die Natur ihres Status und ihrer Tätigkeit symbiontisch unausgesprochen. Man arbeitet in der notwendigen Illusion zusammen, dass im Schranzensystem der Milliardäre gar keine Schranzen tätig sind, sondern nur Weltgesundmacher ohne eigene und natürlich ganz ohne Milliardärsinteressen.

Interesselose Wohltätigkeit, wirklich!

Um diese Lüge unter der strukturellen Mehrheit der politisch Naiven aufrechtzuerhalten, muss zwingend, notfalls mit aller Gewalt, eine weitere, noch größere Lüge in aller Welt verkauft werden: Dass es nämlich gar kein Gemeinwohl gibt, das nicht mit dem Schranzen- und Milliardärsinteresse identisch wäre.

Die Schranzen-Regierung heißt und will denn auch nichts weniger als „Global Governance“. „Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode“ (Shakespeare).
So einfach ist die Welt in diesem Punkt – aber so einfach darf sie eben nach dem Willen des immer anwachsenden Schranzenvolks nicht verstanden werden, deren Einkommen an den Milliardären und ihren kleinen oder großen Agenturen zur Weltgesundung hängt. Klarheit in diesem Punkt, die auch politisch Naiven einleuchtete, wäre das Ende des Geschäftsmodells der Milliardäre und ihrer Schranzen.

Um also der Aufdeckung ihres Weltgesundungsschwindels zu wehren, haben die Schranzen eine Schranzenschutzvereinigung gegründet; ach was sag‘ ich, nicht eine, sondern sehr viele, und sie alle verkünden denselben dasselbe: „Wer sagt, wir wären Schranzen und das Interesse der Milliardäre sei nicht mit dem Gemeinwohl identisch, der ist ein Schwurbel-Verschwörungs-Extremisten-Antisemit.“

Und wenn es jemandem nicht gefällt, so angegangen zu werden, und wenn er aufmuckt, dann bekommt er im mildesten Fall eine Schranzenprüfung verpasst, genannt „Faktencheck“. Im ärgsten Fall verschwindet er in den Kerkern einer verschranzten Justiz des einen oder anderen der Weltgesundungsagenda der Milliardäre hörigen Staates.

Meine Prophezeiung

Als Student hörte ich in einer Mittelaltervorlesung davon, wie Mönche sich in Erwartung des Weltendes am Datum des Jahrhundertwechsels in fertig ausgehobene Grabstellen legten, um bei der Abreise zum Jüngsten Gericht keine Zeit zu verlieren. Ob dies nun wahr ist oder gut erfunden, das Bild ist schlagend.

Auch wir gehen in eine Endzeit. Die bürgerlichen Kreise der westlichen Welt machen es sich im oligarchisch verwalteten Meinungsraum ihrer gelenkten Demokratien gemütlich und verstehen nicht, dass sie mitten in der Schranzen-Apokalypse stecken.

Meine Prophezeiung ist, dass schon recht bald – wenn keine entschiedene Re-Demokratisierung einsetzt – jeder Bürger entweder Schranze eines oligarchischen Systems werden oder aber sich selbst verleugnen und ins Private zurückziehen muss. Das ist dann die vollendete Knechtschaft, die man zu lieben hat, sonst Gnade einem … Sie wissen schon, wer.

So ein Milliardär ist wirklich eine „demokratische Zumutung“. (Angela Merkel)

 

Zum Autor:

Michael Andrick ist promovierter Philosoph und Kolumnist der „Berliner Zeitung“. Im Februar 2024 erscheint sein neues Buch „Im Moralgefängnis“ im Westend Verlag. Er lebt in Berlin und publiziert unter anderem in „Freitag“, „DLF Kultur“, „Cicero“ und „Weltwoche“.

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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