Egon W. Kreutzer über Waffenproduktion und Export und den Wählerentscheid

Entweder man macht lohnende Geschäfte und steht auch dazu, oder man verzichtet ganz darauf. Dann hat der Wähler wenigstens eine klare Ausgangslage für seine Entscheidung.
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Rüstungsexport.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 29. März 2019

Die Gerätschaften, die den Kriegshandwerkern zur Verfügung gestellt werden, um gezielt Menschenleben auszulöschen, Bauwerke aller Art zu pulverisieren und die Infrastruktur ganzer Staaten lahmzulegen, sind vor allem eines, nämlich irrsinnig kompliziert konzipiert. Infolgedessen ist die Entwicklung einer neuen Generation von Kampfflugzeugen zu einer Ingenieursaufgabe geworden, die von der ersten Skizze bis zum Bau des ersten Prototypen gut und gerne zehn Jahre in Anspruch nehmen kann. Ähnliches gilt für Schiffe, U-Boote, Raketen und die militärische Kommunikations-Infrastruktur, in der stets versucht wird, alle Waffensysteme und alle Einheiten miteinander zu vernetzen.

Das ist teuer

Die Serienproduktion der Systeme ist dann vergleichsweise preiswert. Die notwendigen Fertigungstechnologien stehen in aller Regel bereits in der Industrie zur Verfügung. Gleichgültig ob ein neuer Chip für die Raketensteuerung in die Massenfertigung geht, die Fertigungstraße dafür steht längst, oder ob Panzerstahl aus dem bestehenden Walzwerk eingekauft wird, die Produktionskosten für das Militärgerät bleiben relativ günstig.

Es versteht sich von selbst, dass die Endkunden nicht nur die Produktionskosten, sondern auch die Entwicklungskosten bezahlen müssen. Das kann man auf unterschiedliche Weise lösen. Entweder ein Staat hat einen eigenen Etat für die Waffenentwicklung und bezahlt daraus die Entwicklungkosten der beauftragten Unternehmen, um dann für die produzierten Systeme nur noch die Herstellungskosten zu tragen, oder der Waffenproduzent entwickelt auf eigene Kosten und kalkuliert die Entwicklungskosten in den Preis mit ein. Natürlich gibt es auch Mischsysteme, und darunter wieder solche, die für die Öffentlichkeit transparent sind, und andere bei denen die Unterstützung der Rüstungs-Unternehmen durch den Staat weniger oder gar nicht transparent ist.

Im Endeffekt läuft jedoch beides auf das Gleiche hinaus: Der tatsächliche Stückpreis eines Waffensystems setzt sich aus den Herstellungskosten und den anteiligen Entwicklungskosten zusammen. Je mehr Systeme geordert werden, desto geringer die anteiligen Entwicklungskosten pro System. Um es explizit an einem Beispiel zu sagen: Bei Entwicklungskosten von rund 20 Milliarden Euro für den Transporter A400 M muss jedes Exemplar 200 Millionen Entwicklungskosten tragen, wenn 100 Stück verkauft werden, das halbiert sich auf 100 Millionen, sollten 200 Stück verkauft werden, oder auf nur 10 Millionen, sollte es gelingen 2.000 Exemplare abzusetzen.

Der Pannenflieger für die „Einkaufsgenossenschaft“

Für die A400 M haben sich daher Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Spanien und die Türkei zu einer „Einkaufsgenossenschaft“ zusammengeschlossen, um gemeinsam insgesamt 180 Stück des Pannenfliegers zu bestellen und damit die Entwicklungskosten günstiger zu verteilen als das für Frankreich oder Deutschland alleine möglich gewesen wäre.

Damit wird der Wunsch, möglichst viele Systeme zu produzieren und vor allem zu verkaufen um einiges verständlicher. Und zwar sowohl für die Waffenfabrikanten, als auch für deren „Heimatstaaten“, die als Erstkunden ungern die einzigen Kunden bleiben, weil mehr Kunden eben auch den Preis für den eigenen Auftrag senken könnten (Das kann man vertraglich vereinbaren, ob man es tut, ist eine andere Frage.), oder weil wenigstens über die Ertragssteuern der Rüstungsindustrie ein Zufluss für die Staatskasse erwartet werden kann. Über solche Peanuts, wie die eventuell ersparte Versorgung von Arbeitslosen bei Vollbeschäftigung in der Rüstungsindustrie, muss dabei gar nicht erst nachgedacht werden.

(Ein zusätzlich zum Listenpreis verkaufter A400 M bringt um die 100 Millionen Euro zusätzlichen Gewinn ein, weil die Entwicklungskosten ja schon eingespielt sind – das sind die Hausnummern, in denen gerechnet wird. Rechnen Sie mal aus, wie viele Arbeitslose in Hartz IV man damit ein Jahr lang versorgen kann!)

Verlängerung des Rüstungsembargos gegen die Saudis

Nun ist die SPD wieder einmal publikumswirksam auf den Kashoggi-Zug aufgesprungen, präsentiert sich als Beinahe-Pazifisten-Partei und hat die Verlängerung des Rüstungsembargos gegen die Saudis durchgesetzt. Das dürfte bei der Wahl zum EU-Parlament ungefähr drei zusätzliche Wählerstimmen bringen. Die Franzosen springen derweil vor Wut im Dreieck, denn die dürfen, weil es die Vertragslage so hergibt, eben auch nichts an die wahabitischen Herrscher liefern, sofern sich in den von ihnen endmontierten Systemen Teile mit deutscher Herkunft befinden.

Wieder einmal steht die deutsche Politik mitten in der Zwickmühle. Keine Waffenexporte in Krisengebiete, wie es im Kriegswaffenkontrollgesetz geschrieben steht, und sich mit den europäischen Waffenbrüdern auch in dieser Frage verkrachen, oder doch eine Ausfuhrgenehmigung, weil man „Krisengebiet“ schließlich nach dem Verfahren bei den „Sicheren Herkunftsländern“ mit einigem Freiraum selbst definieren kann.

Was man auch daran erkennt, dass das Exportverbot nach Saudi-Arabien erst verhängt wurde, als die Türkei darauf aufmerksam machte, dass fernab des mörderischen Krieges im Jemen ein einzelner Sterblicher von den Saudis in ihrem Konsulat in Istanbul gestorben worden sei. Wenn das die gültige Definition von „Krisengebiet“ ist, brauche ich tatsächlich einen Auffrischungskurs in neuer deutscher Semantik.

Dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer sich im EU-Rat vor 11 Jahren verabredet haben, in dieser Frage nach einem gemeinsamen Standpunkt zu suchen, sei nur am Rande erwähnt, denn gefunden haben sie ihn bis heute nicht – es sind ja auch in weiten Teilen nicht mehr die gleichen Gesichter dort vertreten, und die, die noch vertreten sind, haben das vermutlich längst vergessen.

Fakt ist: Wer eine Rüstungsindustrie unterhält, muss Rüstungsgüter exportieren, sonst liegt das Militärbudget schnell deutlich oberhalb der 2%-BIP-Marke.
Wer Rüstungsgüter exportiert, ist schlecht beraten, Lieferungen dann zu verbieten, wenn das für friedlich gehaltene Gebiet, mit Hilfe der exportierten Waffen zum Krisengebiet gemacht wird.

Das hieße ja, dem Kunden in den Rücken zu fallen, ihn in der schwersten Stunde im Stich zu lassen – und ihn dann für immer zu verlieren.

Also hört mit der Heuchelei auf. So oder so.

Schreibt entweder ins Kriegswaffenkontrollgesetz, dass Deutschland jede Art von Waffen an jeden Staat verkauft, der nicht im Verdacht steht, im Laufe der nächsten fünf Jahre in eine kriegerische Auseinandersetzung mit Deutschland verwickelt zu werden.

Oder strebt die andere Lösung an, die aber in Berlin kaum eine Mehrheit finden wird:

Deutschland, das Land, von dem nie wieder ein Krieg ausgehen soll, verbietet Forschung, Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern im Geltungsbereich deutscher Gesetze vollständig und kauft die für die Landesverteidigung unentbehrlichen Waffen von den Anbietern aus den USA, Frankreich, Spanien und Israel. Könnte sein, dass die Flugzeuge dann sogar fliegen und die U-Boote tauchen.

Zwischen diesen beiden Wegen gibt es nichts, was die fortwährende Heuchelei beenden könnte.

Entweder man macht lohnende Geschäfte und steht auch dazu, oder man verzichtet ganz darauf. Dann hat der Wähler wenigstens eine klare Ausgangslage für seine Entscheidung.
Bisher wird er in dieser Frage im Grunde nur verarscht.

Zuerst erschienen auf www.egon-w-kreutzer.de

Egon W. Kreutzer ist Unternehmensberater, Autor und Verleger.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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