Zwischen Versprechen und Realität: Das steckt hinter dem CDU-Migrationskurs

CDU-Politiker wie Thorsten Frei müssen frei davon sein, ein andauerndes Scheitern ihrer Vorschläge zur Begrenzung der anhaltenden Massenzuwanderung als Enttäuschungen zu empfinden oder sie haben einen Erfolg von vornherein nicht eingeplant. Eine Analyse.
Titelbild
Flüchtlinge danken der Kanzlerin.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 25. Juli 2023

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview. In der Nachberichterstattung konzentrieren sich die Medien auf sein heute schon widerrufenes Zugeständnis einer Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Dabei geraten allerdings die Äußerungen des CDU-Parteivorsitzenden zur Asyldebatte ins Hintertreffen.

Interviewer Theo Koll hatte Merz auf Thorsten Frei angesprochen. Dieser ist seit Dezember 2021 erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die politische Karriere des ehemaligen Bürgermeisters von Donaueschingen geht stetig, aber vergleichsweise zäh voran, Ambitionen für ein Spitzenamt sind nicht erkennbar.

In einer Debatte um die Verleihung des Großkreuzes der Bundesrepublik Deutschland hielt Frei die Verteidigungsrede für die Kanzlerin und sprach von einem „herausragenden“ Wirken von Angela Merkel.

Frei allerdings war eine der wenigen CDU-internen Stimmen, die sich von Anfang an kritisch gegenüber der Asylpolitik unter Angela Merkel und Horst Seehofer aufgestellt hatten. Wie im Folgenden zu lesen sein wird, markiert Thorsten Frei wie kaum ein anderer die Asyldebatte innerhalb der Union.

Und aktuell steht Thorsten Frei erneut im Mittelpunkt der Diskussion. Dieser nämlich hatte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in einer Art Positionspapier gefordert, „das individuelle Recht auf Asyl muss ersetzt werden“. Dieser viel beachtete Artikel wurde von Medien als „Asyl-Vorstoß“ bezeichnet, die öffentlich-rechtliche „Tagesschau“ schrieb gar von einem „radikalen Vorschlag“ Freis.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Herbst 2015 einen humanitären Imperativ über das Recht gestellt. Ihr damaliger Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte alles so weit vorbereitet, die offenen Grenzen wieder zu sichern, aber Merkel verhinderte, dass diese Maßnahme ausgeführt wurde. Das war das Initial einer bis heute anhaltenden Massenzuwanderung. Welt-Journalist Robin Alexander hatte Merkels Entscheidung in den Mittelpunkt seines Bestsellers „Die Getriebenen“ gestellt.

Ausputzer bei schlechten Umfragen

Wir schreiben 2023: Die AfD liegt bei 22 Prozent, die CDU verliert massenhaft Mitglieder und Zustimmung beim Wähler. In diese für die Union durchaus dramatische Situation hinein kommt Thorsten Frei mit seinem „Asylvorstoß“. Der „Spiegel„ kommentiert: „Unions-Fraktionsmanager Thorsten Frei hat eine Debatte ausgelöst. Migrationsexperten teilen die Analyse – aber nicht seine Schlussfolgerung.“

Und hier ist dann im Vorteil, wer die Zeitspanne von 2015 bis heute im Auge behalten hat. Denn Frei tritt aus den Reihen der Union nicht zum ersten Mal mit einem die Massenzuwanderung begrenzenden Vorschlag hervor. Der Eindruck verfestigt sich sogar, dass Frei immer dann vorrückt, wenn die Kritik an der anhaltenden Massenzuwanderung in der Bevölkerung hochkocht und sich in Wahlumfragen negativ auf die CDU auswirkt.

CDU-Chef Friedrich Merz äußert sich hingegen nicht oder kaum. Dafür lässt er eine Eiskunstläuferin in Polizeiuniform kritische Worte zur Asylpolitik der Ampel sagen oder lässt eben Thorsten Frei aus der ersten Reihe schießen.

Im Sommerinterview sagte Merz über den „Asyl-Vorstoß“ von Frei: „Ich unterstütze jeden Vorschlag, der einen Beitrag dazu leistet, dieses Problem zu lösen. […] Ich halte den Vorschlag für eine sehr gute erwägenswerte Idee. Das ist ein konstruktiver Beitrag. Wir werden das in der Bundestagsfraktion auch nochmal vertiefen. Wir werden dazu Fachgespräche führen, Experten anhören, wir wollen dieses Problem lösen.“

Nun ist das Asylproblem und die nicht enden wollende Massenzuwanderung nicht erst 2023 von Thorsten Frei entdeckt worden. Bisher unterlässt Friedrich Merz jedwede Kritik zur Entscheidung der Bundeskanzlerin, die Grenzen nicht zu schließen, was am Anfang dieser Massenzuwanderung steht.

Die CDU war bis Dezember 2021 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel Regierungspartei, Merkel-Nachfolger Olaf Scholz (SPD) war ihr Vizekanzler. In beider Asylpolitik ist eine klare Kontinuität erkennbar. Die Regierung Scholz arbeitet mittlerweile eng mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen und finanziert NGOs, die auf dem Mittelmeer als sogenannte „Seenotretter“ unterwegs sind oder in Afghanistan teilweise im Auftrag und für die Bundesregierung sogenannte „Ortskräfte“ auswählen.

Der Mann für das Grobe

Untrennbar verbunden mit dem Migrationskurs der CDU/CSU ist die Person Thorsten Frei. Er taucht oft in Punktlandung mit einem Vorschlag auf, wenn der Unmut in der Bevölkerung über die anhaltende, teils illegale Massenzuwanderung größer wird. Entlang der Äußerungen von Thorsten Frei zur Asylpolitik lässt sich der Migrationskurs seiner Partei gut nachzeichnen.

Im Oktober 2015, also auf dem Höhepunkt des Merkelschen humanitären Imperativs, schrieb Frei in seinem „Freibrief“ 10/2015 über das Asylmaßnahmenpaket der Union:

„Es wird maßgeblich von dem Gedanken geprägt, dass wir genau unterscheiden wollen zwischen denen, die unseres Schutzes bedürfen, und denen, die offensichtlich nicht schutzbedürftig sind. […] Unser Herz und unsere Hilfe dürfen in einer solchen Situation nicht zur Last oder gar zur Existenzfrage für die eigene Bevölkerung werden.“

Und Frei stellte schon damals ausdrücklich fest: „Menschen, die ausschließlich von unserem Wohlstand angelockt werden, können nicht von uns aufgenommen werden. Das müssen wir klar formulieren, aber auch klar mit unserem Handeln demonstrieren.“

Ein Jahr später, im Sommer 2016, sagte die Bundeskanzlerin auf dem CDU-Parteitag in Essen: „Eine Situation wie im Sommer 2015 darf sich nicht wiederholen“.

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet wiederholte im Bundestagswahlkampf 2021, also fünf Jahre später, die Worte Merkels: „2015 darf sich nicht wiederholen“. Die „Süddeutsche Zeitung“ fragte: daraufhin „Abgesehen davon, dass dies unwahrscheinlich ist: Warum eigentlich nicht?“

Angela Merkel kündigte Anfang 2017 eine „nationale Kraftanstrengung“ bei Abschiebungen an. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentierte:

„Wo Recht gesetzt ist, muss dieses Recht auch umgesetzt werden“, sagte Merkel am Montag bei der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbunds in Köln. Wer als Schutzbedürftiger einen Aufenthaltstitel habe, müsse auch integriert werden. Wer hingegen keinen Schutzstatus habe, müsse „unser Land wieder verlassen“.

Diese scharfe Kritik an den Folgen der eigenen Politik ist weitestgehend in Vergessenheit geraten. Aber warum ist das so? Liegt es vielleicht daran, dass es solche Anstrengungen nie gegeben hat? Die CDU stellte 2017 die Kanzlerin. Warum gelang es der CDU-geführten Koalition nicht, diese „nationale Kraftanstrengung“ umzusetzen, konnte man nicht oder wollte man am Ende gar nicht?

Merkels nationale Kraftanstrengung blieb aus

Die NGO ProAsyl empörte sich postwendend über Merkels „ranzige Formulierung“, gemeint war der Begriff „nationale Kraftanstrengung“ und zitierte dazu Thorsten Frei als Negativbeispiel aus der Union „Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei meinte bereits im Juli 2016: „Wir haben eine Spaltung der Gesellschaft und brauchen eine neue Abschiebekultur.“

Ein weiteres Frei-Beispiel aus 2019: „Tichys Einblick“ titelte damals: „Neue Obergrenze von 75.000 gefordert: Unionsvize Thorsten Frei trommelt gegen Horst Seehofer.“

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einer Obergrenze von 200.000 Migranten. Frei geht hier noch über eine Halbierung hinaus. Schaut man heute auf die unter der Last der Massenzuwanderung jammernden Städte und Kommunen, dann darf man davon ausgehen, dass die Vorstöße von Frei schon 2019 auf große Zustimmung gestoßen sind.

Aber was ist in der Folge real passiert? Nichts dergleichen konnte umgesetzt werden. Allenfalls halfen die Corona-Einschränkungen, die illegale Migration bis Mitte 2022 ein Stück weit einzudämmen.

Horst Seehofers 200.000er-Obergrenze wurde von der Kanzlerin schon 2017 kassiert. Im „Kompromisspapier“ im Oktober 2017 hieß es dazu, „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen […] die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.“ Es blieb reine Absichtserklärung und Seehofer gab sich damit zufrieden, ging in Rente und sitzt heute im Keller über seiner Modelleisenbahn.

„Konstruktive Beiträge“ ohne Erschöpfung

Vor knapp drei Jahren wurde Thorsten Frei von seiner Partei als „Migrationsexperte“ vorgestellt und warnte vor dem Entwurf der Asylreform, wie er damals von der EU vorgelegt wurde. Insbesondere ein neuer Familienbegriff könnte noch mehr „Flüchtlinge“ nach Deutschland bringen.

Im Interview im Oktober 2020 gibt sich Thorsten Frei optimistisch. Auf die Frage, ob er noch daran glaube, dass eine illegale Migration nach Deutschland zukünftig zu stoppen beziehungsweise auf legalem Wege zu steuern sein wird, antwortet Frei:

„Ein ganz eindeutiges: Ja! Die Möglichkeiten politischer Gestaltung werden oft unterschätzt. […] Wenn dies im von uns bevorzugten europäischen Rahmen nicht gelingt, bleiben nationale Möglichkeiten.“

Der CDU-Politiker muss entweder vollkommen frei davon sein, ein Scheitern seiner Vorschläge als Enttäuschungen zu empfinden, oder er hat von vornherein gar nicht die Hoffnung, dass eine Begrenzung der Massenzuwanderung nach seinen Vorschlägen je eintritt, oder seine Interventionen sind nichts anderes als wohl platzierte Blendgranaten.

Heute weiß man: Unter Merkel wurde die von ihr ausgelöste Massenzuwanderung nicht gestoppt und unter Kanzler Scholz werden die bestehenden Zuwanderungsrouten noch weiter ausgebaut.

Und abschließend noch mal zur Erinnerung, was Friedrich Merz im Sommerinterview über die x-te Neuauflage des Frei‘schen Asyl-Vorstoßes sagte:

„Das ist ein konstruktiver Beitrag. Wir werden das in der Bundestagsfraktion auch nochmal vertiefen. Wir werden dazu Fachgespräche führen, Experten anhören, wir wollen dieses Problem lösen.“

Leider war das Büro von Thorsten Frei telefonisch nicht erreichbar, so bleibt die Frage offen, ob Thorsten Frei als erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seinen sogenannten Asyl-Vorstoß im Vorfeld mit der Parteiführung abgestimmt hat und inwiefern solche Abstimmungen in den vorangegangenen Jahren vorgenommen wurden.

Die Pressemitteilungen von Thorsten Frei aus der Zeit von 2016 bis heute sind sauber und ordentlich archiviert, wie man hier nachlesen kann.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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