Migrationsexperte will Spaltung in der Zuwanderungspolitik überwinden

Forscher der Universität Mannheim wollen neue Schnittmengen zwischen dem linken und rechten politischen Spektrum in der Migrationsfrage erkannt haben. Ist das schon die Blaupause für Schwarz-Grün oder doch nur eine Verwischung der Begriffe „Asyl“ und „Arbeitsmigration“?
Titelbild
Flüchtlinge und Migranten auf Arbeitssuche in Deutschland.Foto: JOHN MACDOUGALL/Getty Images
Von 9. Februar 2024

Gräben quer durch die Bevölkerung entstanden nicht erst zwischen Geimpften und Ungeimpften. Dieser multiple Grabenbau begleitet die menschliche Zivilisation wie auch die jüngere Geschichte der Bundesrepublik. So lässt sich etwa ein Graben zwischen Deutschen mit Migrationshintergrund und Einheimischen behaupten. Es gibt Gräben zwischen Arm und Reich, zwischen Zuwanderungsbefürwortern und -kritikern oder solche zwischen Vegetariern und Fleischessern.

Hier muss man unterscheiden, was eine Vielfalt der Meinungen ausmacht und was sich in der Tendenz unversöhnlich gegenübersteht, weil mindestens eine Seite die gegenüberliegende Haltung radikal ablehnt oder gar dämonisiert.

Reicht das überlieferte Links-Rechts-Schema hier für eine Zuordnung? Prof. Marc Helbing stützt sich in einem Interview mit der „Welt“ auf die Behauptung eines linken und rechten politischen Spektrums. An der Universität Mannheim lehrt er Soziologie mit Schwerpunkt „Migration und Integration“. Seine Forschungen beschäftigten sich zuletzt mit der Einstellung der deutschen Bevölkerung zur Zuwanderungspolitik.

Verschiedene relevante Medien wie „Welt“ und „Focus“ wurden auch deshalb auf die Forschungsarbeit aus Mannheim aufmerksam, weil Helbing interessante neue Thesen aufgestellt hatte:

Er behauptet nämlich, dass es sogar noch zwischen Grünen- und AfD-Anhängern in der Migrationspolitik Schnittmengen gibt. Im „Welt“-Interview sprach er von einer erkennbaren „Kompromissbereitschaft“ im rechten als auch im linken Spektrum inklusive einer Reihe von Überschneidungen. Ein Fazit aus Mannheim lautet: Eine Migrationspolitik, die sich auf diese Schnittmengen konzentriert, stoße auf bis zu 40 Prozent höhere Zustimmung.

Asylbewerber versus Arbeitsmigrant

Zunächst einmal erstaunt hier, dass bei den Experten der Universität Mannheim immer von „Migrationspolitik“ die Rede ist, es aber für viele Deutsche, die emotional über Zuwanderung diskutieren, im Wesentlichen um Asylbewerber und Asylanten geht und um die Frage, wer überhaupt Anspruch auf Asyl hat und wer ausreisepflichtig ist.

Das Asylrecht ist keine neue Erfindung. Neu sind eine ganze Reihe von Erleichterungen in der Einwanderung im Sinne einer Fachkräfteanwerbung bis hin zur Einwanderung auf Probe, dem sogenannten Chancenaufenthaltsrecht, das vor etwas über einem Jahr in Kraft getreten ist. Auch ein befristetes Visum zur Arbeitsplatzsuche gehört zu diesen Neuerungen.

Schon bald nach Beginn der Massenzuwanderung ab 2015 wurden in den politischen, den medialen und gesellschaftlichen Debatten zwei Gruppen oft willkürlich miteinander vermischt: Der um Asyl bittende und der arbeitssuchende Migrant. Rechtlich ist das streng zu trennen, aber es gestaltet sich in der Trennschärfe schwierig, wenn auch der Asylbewerber bzw. der Asylant eine Arbeit aufnehmen möchte oder sogar soll.

Politik und Industrie haben relativ frühzeitig in den „Flüchtlingen“ ab 2015 Hunderttausende Fachkräfte erkennen wollen. Der damalige Chef der DaimlerChrysler AG, Dieter Zetsche, befand im September 2015, mehr als 800.000 Menschen in Deutschland aufzunehmen, sei eine Herkulesaufgabe: „Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden – so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er- und 60er-Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben.“

Asylbewerber und Asylanten werden hier als potenzielle Lösung eines demografischen Problems betrachtet. Aber das gibt die bestehende Asylgesetzgebung nur sehr begrenzt her. Asyl ist seiner Idee nach immer eines auf Zeit, bis die Zustände im Herkunftsland eine Rückkehr gestatten.

Das Asylrecht unterscheidet nicht nach Kultur und Facharbeiterbrief

Bei Prof. Helbling im Interview mit der „Welt“ ist diese Unterscheidung nicht thematisiert. Auffällig ist zunächst, dass Prof. Helbing eher konservativ eingestellten Deutschen durchaus zubilligt, Migration etwas Positives abzugewinnen, wenn diese besser kontrolliert werde.

Konservative – Prof. Helbing nennt sie „rechtes politisches Spektrum“ – wollen demnach Einwanderer eher „nach wirtschaftlichen oder kulturellen Kriterien“ auswählen. Das allerdings kann mit Asylsuchenden/Flüchtlingen nichts zu tun haben. Denn das Asylrecht unterscheidet nicht nach Kultur und Facharbeiterbrief, sondern schaut allein auf die Plausibilität des angegebenen Verfolgungsgrundes.

Wer steht bei der Mannheimer Forschungsarbeit im Zentrum? Und war für Befragten die Unterscheidung zwischen Asyl und Arbeitsmigration erkennbar? Epoch Times hat Prof. Helbing dazu einen Fragenkatalog mit der Bitte um Beantwortung zugesandt.

Rückblick: Die Massenzuwanderung ab 2015 fand ganz überwiegend in die Asylsysteme statt. Erst die Ampel-Regierung erleichterte nach 2021 die Einwanderungsmöglichkeiten und warb noch intensiver als die Merkel-Regierung um Facharbeiter, die keinen Asylantrag stellen, sondern die Neuregelungen der Arbeitsmigration für sich in Anspruch nehmen.

Ein interessanter Satz in besagtem „Welt“-Interview lautet: „Tendenziell ist die Politik im Einwanderungsbereich liberaler als Teile der Bevölkerung.“

Das ist ein Stück weit eine Binse: Denn dass eine rot-grüne Regierung tendenziell eher für Einwanderung ist als Wähler der AfD oder der CDU, dürfte unstrittig sein.

Bis zu 40 Prozent höhere Zustimmung

Prof. Helbing will auch auf Basis seiner Befragungen herausgefunden haben, „dass besser gebildete Menschen mit höherem Einkommen Migration offener gegenüberstehen als Bildungsferne“. Aber liegt es wirklich an beiden Faktoren oder doch primär am Einkommen? Interessant wäre hier, jene Gruppe zu befragen, die zwar ein höheres Einkommen, aber keine bessere Bildung hat als der Durchschnitt. Oder schließt eines das andere aus?

Kommen wir zu den Vorschlägen, die Prof. Helbing und sein Team herausgearbeitet haben und die „auf bis zu 40 Prozent höhere Zustimmung stoßen“. Was sind die Kompromisse, auf die sich mutmaßlich beide Lager einigen könnten? Vorausgesetzt natürlich, die von Prof. Helbing genannten Grünen und AfD-Politiker setzen sich an einen Tisch.

Der Professor und sein Team präferieren hier für nicht weniger als die Aufhebung von roten Linien und das Einreißen von Brandmauern, sollten die Vorschläge in die Praxis umgesetzt werden.

Kein Mensch ist illegal – wenn die Gesetze nicht wären

Die Mannheimer Soziologen wollen herausgefunden haben, dass Menschen des linken Spektrums sich eine Begrenzung der Migration durchaus vorstellen könnten, wenn Migranten im Gegenzug mehr Rechte eingeräumt werden.

Diese Analyse irritiert allein schon deshalb, weil sie indirekt einer unbegrenzten Migration das Wort redet, welche aber faktisch mit dem deutschen Recht gar nicht vereinbar ist. Übersetzt hieße dann, was Prof. Helbing da herausgefunden hat, dass die Linke einer illegalen Migration unter bestimmten Voraussetzungen eine Absage erteilten.

Welches Entgegenkommen könnte das sein? Prof. Helbing nennt als Migrationskompromiss zwischen dem rechten und linken Lager „eine Politik, die Migration stärker kontrolliert, die aber gleichzeitig Migranten rechtlich besserstellt“.

Die genannten Lager ließen sich auch umschreiben als Ampel-Regierung und Opposition, hier sei vornehmlich die AfD genannt, möglicherweise auch jene Teile der Union, die das jüngste Koalitionsangebot von CDU-Parteichef Friedrich Merz an die Grünen nicht befürworten.

Eine Mitgift an Schwarz-Grün aus Mannheim

Eine zukünftige Koalition aus Union und Grünen müsste den Grünen in der Migrationsfrage Zugeständnisse machen. Hier kann man die Kompromissvorschläge der Universität Mannheim durchaus als erstes Hochzeitsgeschenk betrachten. Demnach meint dieses aus Mannheim soufflierte Aufeinanderzugehen explizit Union und Grüne.

Prof. Helbing sieht weitere mögliche Schnittmengen: So seien sich die Lager prinzipiell einig darüber, dass, wer eingebürgert werden will, die Sprache verständlich sprechen, einen Integrationskurs besuchen und nicht abhängig vom Sozialstaat sein soll.

Aber diese Vorschläge beziehen sich allesamt auf eine staatlich gesteuerte Einwanderung von Fachkräften. Es gibt hier keine legale ungesteuerte Einwanderung, es sei denn, man bezieht Asylbewerber hier mit ein.

Entlang des „Welt“-Interviews mit Prof. Helbing entsteht der Eindruck, dass aber genau diese Einbeziehung beim Forschungsprojekt aus Mannheim passiert ist. Ist die attestierte Kompromissbereitschaft am Ende nur ein Missverständnis? Entsprechende Fragen von Epoch Times sind gestellt, nach Beantwortung werden diese hier ergänzt.

Und parallel ist die deutsche Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze in Nigeria unterwegs und betreibt aktiv Fachkräfteanwerbung aus diesem Land. In großen Beratungszentren wird darüber informiert, wie man es legal nach Deutschland schafft ohne den gefährlichen Weg über eine der Zuwanderungsrouten. Deutschland zahlt jährlich eine halbe Milliarde Euro Entwicklungshilfe. Die Zuwanderer aus Nigeria, die bisher gekommen sind, wandern überwiegend ins Asylsystem ein. Ihre Schutzquote ist niedrig, Abschiebungen aber kaum möglich, weil 90 Prozent der Ankommenden aus Nigeria keine Papiere dabeihaben.



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