Zentralrat der Juden sieht AfD-„Alptraum“ – jüdischer Journalist und AfDler mit Annäherungsangebot

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Kritik des Rates an der AfD in einem Interview in aller Schärfe erneuert. Schuster möchte nicht, dass die Brandmauer gegenüber der AfD aufgeweicht wird. Während viele Medien einseitig beleuchten, analysiert Epoch Times in diesem Artikel auch anhand von Aussagen des jüdischen Journalisten Broder und dem AfD-Abgeordneten Braun, um eine breitere Gesprächsgrundlage zu schaffen.
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Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, empfindet die AfD als demokratiegefährdend.Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 4. Oktober 2023

Dem Zentralrat der Juden gehören in Deutschland über zwanzig Landesverbände mit über einhundert Gemeinden und fast einhunderttausend Mitglieder an. Der Rat wurde 1950 gegründet und war damals ein Glücksfall für die junge Bundesrepublik, denn er belegte, dass es überhaupt noch Juden gibt, die bereit waren, weiter im Deutschland der Täter zu leben.

Vorsitzender des Zentralrates ist seit Ende 2014 der Würzburger Arzt Josef Schuster. Die Eltern seiner Frau wurden in Auschwitz ermordet, Schusters Vater und Großvater wurden enteignet und gezwungen, Deutschland zu verlassen, nachdem die Familie seit 1600 in Unterfranken angesiedelt war.

Josef Schuster gab dem Portal „web.de“ zwei Tage vor dem Tag der Deutschen Einheit ein Interview, das von vielen Medien zitiert wurde, insbesondere deshalb, weil Schuster hier mit der AfD hart ins Gericht geht.

„web.de“ erinnert zunächst daran, dass vor vier Jahren ein bewaffneter Attentäter versucht hatte, in die Synagoge von Halle einzudringen. Die daraufhin vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer eingeleiteten Sicherheitsverschärfungen hätten den Gläubigen bald wieder ein Gefühl der Sicherheit gegeben, betont Schuster.

Taugt die „Mitte-Studie“ als Argument gegen die AfD?

Im Interview wird Schuster, gebeten, die „Mitte-Studie“ einer SPD-nahen Stiftung zu kommentieren, die gerade herausgefunden haben will, dass es einen Zuwachs an rechtsextremistischen Einstellungen gibt. Unerwähnt bleibt hier, dass es längst relevante Stimmen gibt, welche diese Studie scharf kritisieren.

Schuster selbst spüre diesen Wandel persönlich allerdings nicht, sagt er. Aber er sehe es am Erfolg der AfD:

„Dort steht die AfD, eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei, bei Werten, die ich mir in meinen Albträumen nicht ausgemalt hätte und die mir ernsthaft Sorgen bereiten.“

Der Zentralratsvorsitzende meint weiter, dass es seit Jahren eine Ablehnung jüdischen Lebens in Deutschland gibt, die konstant bei 20 Prozent liegt. Entscheidend ist für Schuster jetzt, dass es gelingt, „gerade junge Menschen für das Judentum zu sensibilisieren sowie über Antisemitismus aufzuklären, damit solche Einstellungen in diesem Lande irgendwann keine Chance mehr haben. Gelingen kann das nur mit Bildung.“

Anfang August hatte Schuster gegenüber der Jüdischen Allgemeinen auch den muslimischen Antisemitismus in Deutschland thematisiert:

„Dabei ist es eine Pflicht liberaler und demokratischer Parteien, auch das Problem des muslimisch geprägten Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu benennen und zu bekämpfen, zum Beispiel durch gezielte Bildungsangebote.“

Antisemitismus „großenteils aus dem muslimisch geprägten Milieu“

In dem Zusammenhang betonte Schuster allerdings, dass es wichtig sei, dass dabei keine fremdenfeindlichen und antimuslimischen Narrative bedient werden. In dem Zusammenhang nannte er die AfD. Der Partei werde ein Freiraum gelassen, den sie mit „spalterischer Rhetorik und Verschwörungsideologien“ fülle.

Schuster meinte weiter gegenüber der Zeitung, dass „verbale und körperliche Übergriffe gegen Juden im öffentlichen Raum“ seiner Wahrnehmung nach „großenteils aus dem muslimisch geprägten Milieu“ kämen. Wenn es aber um schwere Gewalt und Terror gehe, sei der Rechtsextremismus die größere Gefahr.

Schuster meint weiter: „Weder der Islam noch die muslimische Kultur ist zwangsläufig antisemitisch.“

Gespräche mit Aiwanger, nicht mit AfD

Der Zentralratsvorsitzende hatte sich vor einigen Tagen auch mit dem Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zur Aussprache getroffen, um mit diesem über das antisemitische Flugblatt zu sprechen, dass Aiwangers Bruder als Schüler verfasst haben soll und welches damals in der Schultasche von Hubert Aiwanger gelandet sein soll. Trotz der Aussprache hält Josef Schuster daran fest, dass Aiwanger eine eindeutige Distanzierung habe vermissen lassen.

Mit der AfD allerdings suche Schuster das Gespräch nicht, heißt es im Interview, das wäre im Zentralrat schon vor Jahren so beschlossen worden. Der im Interview formulierte Anwurf gegen die AfD könnte allerdings kaum konkreter sein.

Schuster erinnert daran, dass die Schoa-Überlebende Charlotte Knobloch noch 2006 gesagt hätte, Juden in Deutschland hätten ihre Koffer endlich ausgepackt. Dieser Satz sei heute wegen der AfD nicht mehr korrekt:

„Sollte eine Partei wie die AfD jemals Teil einer Bundesregierung sein, müsste man sich ernsthaft überlegen, ob jüdisches Leben in Deutschland noch möglich ist. Wegen ihrer radikalen Positionen zur Erinnerungskultur, ihren Beziehungen zu rechtsextremen Gruppen und der in ihren Reihen stark verbreiteten Xenophobie. Ich hoffe, dass sich das Verständnis durchsetzt, dass eine Partei, die zwar Slogans produzieren kann, aber keine Lösungen aufzeigt, nicht wählbar ist, wenn man an einer guten Zukunft in diesem Land interessiert ist.“

„Nationalistisch, rassistisch und völkisch“

Für den Zentralratsvorsitzenden ist die AfD „in großen Teilen nationalistisch, rassistisch und völkisch“. Die Partei verkörpere klar auch Nazi-Ideale, so Schuster.

Aber was sagt die AfD selbst dazu? Denn während in etlichen Medien ausführlich über die Kritik von Schuster berichtet wird, wird eine Konfrontation und Stellungnahme seitens der AfD ausgelassen.

Teilweise wurde medial sogar ein vermeintlicher Versuch ausgemacht, dass projüdische und proisraelische Positionen in der AfD gezielt Menschen jüdischen Glaubens gegen muslimische Zuwanderer aufbringen könne. Dazu passe aber nicht die AfD-Forderung, so der Deutschlandfunk, nach einem Schächtverbot und das zwiespältige Verhältnis der AfD zu Israel.

Ersteres gilt nun allerdings auch für die Tierschutzpartei oder etwa Teile der Grünen. Und ein zwiespältiges Verhältnis zu Israel ist in Deutschland eine traditionell linke Domäne. Die Konrad-Adenauer-Stiftung spricht auch von einem „linksextremen Antisemitismus“.

Innerhalb der AfD gibt es seit 2018 auch eine Vereinigung „Juden in der AfD“. Sie wurde von 24 jüdischen AfD-Mitgliedern gegründet und sogleich scharf vom Zentralrat und anderen gerügt. Auch Josef Schuster hatte sich damals gegenüber der Passauer Neuen Presse geäußert und gemeint: „Natürlich treffen Juden nicht nur kluge Entscheidungen.“

Auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich zu Wort gemeldet und gemeint, Juden in der AfD seien ihm „vollkommen unbegreiflich“.

„Der Umgang mit Ihrer Partei ist alles andere als fair“

Demgegenüber hat der Journalist Hendryk M. Broder, der selbst Jude ist, keine Berührungsängste mit der AfD, er sprach vor der Fraktion im Bundestag und sagt bei der Gelegenheit unter anderem: „Der Umgang mit Ihrer Partei ist alles andere als fair.“ Und „falls Sie jetzt wissen möchten, ob ich vorhabe, Sie zu wählen, kann ich nur sagen: Das hängt ganz von Ihnen ab“.

Broder sprach bei seinem Besuch im Bundestag gegenüber der AfD durchaus auch Klartext:

„Man legt die Füße nicht auf den Tisch, man rülpst nicht beim Essen, und man nennt die zwölf schlimmsten Jahre der deutschen Geschichte nicht einen ‚Vogelschiss‘. Das ist nicht nur aus der Sicht der Nazi-Opfer – der Juden, der Zigeuner, der Homosexuellen, der Widerstandskämpfer, der Deserteure – eine schwere Sünde. Es muss auch ein No-go für jeden Deutschen sein, der kein Jude, kein Zigeuner, nicht schwul ist und keine Angehörigen hat, die von den Nazis verfolgt wurden.“

Dazu existiert ein Foto, das die Vorsitzende der AfD zeigt, die Herrn Broder herzlich umarmt, Broder lächelt amüsiert, im Hintergrund lacht der AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun.

Epoch Times bat den Abgeordneten Jürgen Braun um eine Stellungnahme zu den Anwürfen des Zentralrates der Juden, explizit des Vorsitzenden Josef Schuster. Braun betont hier besonders die Gefahr eines zugewanderten Antisemitismus:

„Immer mehr deutsche Juden wählen die AfD, weil wir konsequent für die Sicherheit des jüdischen Lebens in Deutschland eintreten. Sie sehen, dass wir die erste Fraktion im Bundestag waren, die die israelfeindliche linke BDS-Bewegung verurteilt und das Verbot der Hisbollah gefordert haben. Diese jüdischen Wähler sehen auch, dass die AfD die einzige islamkritische Partei in Deutschland ist und die für Juden besonders gefährliche Islamisierung nicht leugnet. Die sicherste Hauptstadt für Juden in Europa ist gewiss nicht Berlin oder gar Paris, sondern Budapest, wo Viktor Orbáns Widerstand gegen illegale Migration die jüdischen Bürger schützt.“



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