Ärmelkanal: Rekordstrom von Migranten kommt 2024 nach Großbritannien

Im ersten Quartal dieses Jahres überquerten rund 5.000 Migranten den Ärmelkanal – so viele wie noch nie. Was ist mit den geplanten Abschiebungen? Und wie reagiert die französische Seegendarmerie auf den steigenden Migrantenstrom?
Ärmelkanal: Rekordstrom von Migranten kommt 2024 nach Großbritannien
Ein Schlauchboot mit etwa 65 Migranten an Bord durchquert am 6. März 2024 den Ärmelkanal.Foto: Dan Kitwood/Getty Images
Von 1. April 2024

Allein am Samstag, dem 30. März, überquerten sieben kleine Boote mit insgesamt 349 Migranten an Bord den Ärmelkanal mit Kurs auf das Vereinigte Königreich. Wie das Innenministerium mitteilte, stieg damit die Gesamtzahl für das Jahr 2024 nach vorläufigen Angaben der Regierung auf 4.993 Menschen.

Das ist ein neuer Rekord. Der bisherige Höchstwert kam aus dem Jahr 2022, wo in den ersten drei Monaten des Jahres 4.548 Migranten mit Booten nach Großbritannien schifften, wie „The Guardian“ berichtete. Seit Jahresbeginn entdeckten die Behörden 105 Boote bei der Überfahrt, in denen sich durchschnittlich mehr als 47 Personen befanden.

Im vergangenen Jahr gab es insgesamt nach Angaben von BBC 29.437 Zuwanderer. Das sind 36 Prozent weniger als im bisherigen Rekordjahr 2022, als die Behörden 45.774 Ankünfte registrierten. Der verkehrsreichste Tag dieses Jahres war bisher der 20. März. 514 Menschen in insgesamt 10 Booten legten die rund 35 Kilometer Lange Strecke von Frankreich nach Großbritannien zurück.

Flüge nach Ruanda ungewiss

Die Regierung von Rishi Sunak hatte bereits erklärt, dass sie „die Boote stoppen“ will. Laut BBC resümierte der Schattenminister für Einwanderung, Stephen Kinnock, aber, das sich Sunaks Versprechen „in Fetzen“ aufgelöst habe.

Die britische Regierung hatte sich bereits vor rund zwei Jahren überlegt, all jene Migranten, die in kleinen Booten ankommen, nach Ruanda zu schicken. Viele im britischen Parlamentshaus befürworten diesen Plan. Allerdings gibt es auch einige innerhalb und außerhalb des Parlaments, die heftigen Widerstand dagegen leisten. Daher hat das Oberhaus die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften wiederholt blockiert. Nach dem Ende der Osterpause wollen die Abgeordneten die Maßnahmen erneut diskutieren.

Eine Sprecherin des Innenministeriums und Befürworterin der Maßnahme teilte dazu mit: „Die inakzeptable Anzahl von Menschen, die weiterhin den Ärmelkanal überqueren, zeigt, warum wir so schnell wie möglich Flüge nach Ruanda einrichten müssen.“

Angesichts der Zahlen der ersten drei Monate dieses Jahres sagte Kinnock, dass 2024 „ein unerwünschter Rekord nach dem anderen bei der Zahl der Ankünfte“ verzeichnet wurde. „Wir können aus diesen Zahlen auch ersehen, dass im Ärmelkanal eine große Tragödie bevorsteht“, fügte er hinzu. Ebenso ermahnte er die Regierung:

Es ist an der Zeit, die Dinge in den Griff zu bekommen und die Ordnung an der Grenze wiederherzustellen.“

Asli Tatliadim ist Kampagnenleiterin der Wohltätigkeitsorganisation Refugee Action. Sie sagte: „Menschen werden weiterhin ihr Leben riskieren, um den Ärmelkanal in fadenscheinigen Booten zu überqueren, weil die Regierung sich weigert, sichere Routen für Menschen zu öffnen, die das Vereinigte Königreich erreichen wollen, um hier Asyl zu beantragen.“

Das werde auch „keine noch so teure und undurchführbare Abschreckungspolitik wie das Abkommen mit der Regierung von Ruanda“ ändern.

Aggressives Vorgehen der französischen Polizei

Ein Sprecher des britischen Innenministeriums sagte: „Wir arbeiten weiterhin eng mit der französischen Polizei zusammen, die mit zunehmender Gewalt und Störungen an ihren Stränden konfrontiert ist.“ Die Seegendarmerie sei fast unermüdlich damit beschäftigt, „diese gefährlichen, illegalen und unnötigen Reisen zu verhindern“.

Dabei soll die vom Vereinigten Königreich finanzierte französische Seepolizei rigoros vorgehen. Sie würden kleine Boote mit Migranten im Ärmelkanal zusätzlich gefährden, wie die paneuropäische Non-Profit-Organisation ECRE schilderte. Das würden Videoaufnahmen zeigen, die „Euronews“ kürzlich veröffentlichte.

Das Filmmaterial stamme von Oktober 2023 und wurde von „Lighthouse Reports“ in Zusammenarbeit mit „Le Monde“, „Der Spiegel“ und dem „Observer“ veröffentlicht. Es zeigt, wie die Seegendarmerie versucht, Rückzugsmanöver gegen kleine Boote in französischen Gewässern durchzuführen. Dadurch sollen diese an der Überquerung des Ärmelkanals nach Großbritannien gehindert werden.

Zu den aggressiven Taktiken der Polizei gehörte es, das Boot der Migranten mit hoher Geschwindigkeit zu umkreisen. Die dadurch entstandenen Wellen sollen das Boot fluten. In einem anderen Video sei zu sehen, wie die französischen Einsatzkräfte zu See die Migranten mit Pfefferspray bedrohten, bevor sie es rammten.

Der Vorfall wirft schwierige Fragen für die französische Polizei hinsichtlich der potenziell lebensbedrohlichen Taktik einiger ihrer Beamten auf. Auch die britische Regierung kommt hier in Erklärungsnot. Das bei dem Vorfall eingesetzte Boot ist mit britischen Geldern finanziert, das Großbritannien Frankreich im Rahmen einer Vereinbarung von 2018 zur Verfügung gestellt hatte.

Schleuser festgenommen

Viele Kriminelle machen mit dem Wunsch der Migranten, nach Großbritannien zu kommen, ihre Geschäfte, wie „Der Spiegel“ berichtet. Schleuser bieten den Migranten einen Weg über den Ärmelkanal. Im Februar dieses Jahres gelang es der europäischen Polizeibehörde Europol, ein solches Schleusernetzwerk zu zerschlagen. Wie die EU-Behörden mitteilten, gab es im Zuge dessen 19 Festnahmen von Verantwortlichen in Deutschland.

Die Ermittlungen dauerten eineinhalb Jahre. Die Ermittler konzentrierten sich besonders auf ein irakisch-kurdisches Netzwerk, das im Verdacht stand, illegale Migranten aus dem Nahen Osten und Ostafrika von Frankreich nach Großbritannien zu schleusen, so Europol.



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