EU-weite E-Patientenakte beschlossen: Mehr Widerspruchsrechte gefordert

Gesundheitsdaten sind ein wertvolles Gut. Aufgrund eines neuen EU-Beschlusses sollen diese zukünftig länderübergreifend verfügbar sein – sowohl für den Patienten als auch für Forschungszwecke.
Elektronische Patientenakten werden etwa für Arztbefunde und Röntgenbilder genutzt.
Elektronische Patientenakten werden etwa für Arztbefunde und Röntgenbilder genutzt.Foto: Jens Kalaene/dpa
Von 16. Dezember 2023

Rezepte, Laborergebnisse, Befunde. Die elektronische Patientenakte kommt, und zwar EU-weit. Dafür stimmte die Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament am 13. Dezember in Straßburg mit 526 Stimmen bei 95 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen. Im Gegensatz zu deren Verordnungsentwurf setzte sich das Plenum dafür ein, den Patienten mehr Widerspruchsrechte einzuräumen.

Wer im europäischen Ausland oder in einem anderen Bundesland krank wird, soll nicht nur Zugriff auf seine Patientenakte haben, sondern auch vor Ort elektronische Rezepte einlösen können. Um dies zu gewährleisten, sollen Daten aus dem Gesundheitsbereich in einem einheitlichen Standardformat digitalisiert und innerhalb der EU nutzbar gemacht werden.

In jedem Fall soll die Privatsphäre der Bürger gewahrt, erklärte die italienische Abgeordnete Annalisa Tardino, Mitberichterstatterin des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, während einer Pressekonferenz am 13. Dezember. Gleichzeitig verwies sie auf Vorteile, welche die EU-Patientenakte mit sich bringen soll. Es sei etwa wichtig, die Blutgruppe einer Person zu kennen. „Das kann Leben retten“, so Tardino.

Neben dieser Primärnutzung von Daten für Patienten sollen auch Daten im Rahmen der Sekundärnutzung in pseudonymisierter und anonymisierter Form grenzüberschreitend für Forschungszwecke bereitgestellt werden. Für Universitäten und Forschungsinstitute sollen ganze „Kataloge“ verfügbar gemacht werden, um ihre Forschungen voranzutreiben. Noch zu formulierende Zulassungsbestimmungen sollen regeln, wer auf diese Daten zugreifen kann.

Die Nutzung der Daten für Werbung und Versicherungsbeiträge oder auf dem Arbeitsmarkt wird dem Entwurf zufolge verboten, die Daten dürfen zudem nicht an Dritte weitergegeben werden. Für besonders sensible Gesundheitsinformationen sollen Patienten der Weitergabe explizit zustimmen.

Widerspruch möglich

Es gibt auch sogenannte OPT-OUT-Möglichkeiten, also Widerspruchsrechte für die Bürger. Der Verordnetenentwurf ging noch davon aus, dass Bürger einer Weitergabe von Patientenübersichten, elektronischen Verschreibungen, medizinischen Bildern und Laborergebnissen nicht widersprechen dürfen. Dem haben die Parlamentarier so aber nicht entsprochen.

So sei ein Widerspruch möglich, wenn Versicherte – beispielsweise ältere Bürger – nicht möchten, dass ihre Daten elektronisch zugänglich sind, oder Bedenken zum Schutz der Privatsphäre bestehen, so Tomislav Sokol, Mitberichterstatter des Umweltausschusses. „Dann werden die Daten in diesem elektronischen System nicht erfasst.“ Auch ein eingeschränkter Zugriff von Gesundheitspersonal könne von den Betroffenen verfügt werden, wie bei psychologisch behandelten Patienten, die ihre Daten ausschließlich Psychologen zugänglich machen wollen.

In dem vom EU-Parlament neu gefassten Punkt „Erwägung 39a“ heißt es: „Es sollte ein Opt-in-Mechanismus ins Auge gefasst werden, im Rahmen dessen die betroffenen Personen der Verarbeitung eines Teils oder der Gesamtheit dieser Daten für einige oder alle Zwecke der Sekundärnutzung ausdrücklich zustimmen oder ihre Genehmigung erteilen.“ Auch eine umfassende Aufklärung der Patienten über die Möglichkeit zum Widerspruch ist vorgesehen.

Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, hatte vor der Abstimmung eine uneingeschränkte Nutzung der Patientendaten scharf kritisiert. „Eine ePA [elektronische Patientenakte] kann Vorteile haben, aber als Pirat ist meine Überzeugung: Niemand hat das Recht, besser zu wissen, was gut für mich und meine Gesundheit ist als ich selbst.“ Aus Umfragen wisse er als Volksvertreter: „Die Menschen wollen nicht, dass ungefragt jegliche Behandlung, alle unsere körperlichen und psychischen Störungen in einer europaweit vernetzten elektronischen Patientenakte gesammelt und Sicherheitsrisiken ausgesetzt werden, wie Sie es planen.“ Einen Zwang zur elektronischen Patientenakte dürfe es nicht geben.

Umsetzung erst in sieben Jahren in Sicht

Das Gesetz geht nun in die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und soll noch vor der Europawahl im kommenden Juni fertig sein. Wie Sokol betonte, ist man dabei an einer einheitlichen Vorgehensweise interessiert. „Wir wollen gemeinsame Regeln für alle“, so der Berichterstatter. Dies betreffe auch die Regelungen zu den Widerspruchsmöglichkeiten, die für alle Bürger EU-weit gelten sollen.

Doch auch wenn sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Vorgehensweise geeinigt haben, ist eine kurzfristige EU-weite Datennutzung noch lange nicht in Sicht. Nach Aussage des Sonderberichterstatters stehen hier neun Jahre im Raum. Allein für die Einspeisung der Daten in die Datenbanken sei eine Frist von fünf beziehungsweise sieben Jahren vorgesehen.



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