Intensivpfleger bricht Lanze für „die vergessenen Stars der Corona-Pandemie“

Zuerst wurden sie beklatscht, dann diskriminiert. Und auch während des zweiten Corona-Symposiums der AfD kamen Pflegekräfte nach Ansicht von Werner Möller, Mitbegründer von „Pflege für Aufklärung“, viel zu kurz. Warum, erzählte er im Interview.
Titelbild
In der Corona-Krise wurden Pflegekräfte zuerst gefeiert, doch dann nicht gehört.Foto: iStock
Von 18. November 2023

Auch mehr als dreieinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Krise ist offensichtlich niemand an den wirklichen Problemen interessiert, mit denen die Pflege zu kämpfen hat, meint Werner Möller, Intensivpfleger, Atmungstherapeut und Mitbegründer von „Pflege für Aufklärung“. Er hatte vom zweiten Corona-Symposium der AfD am 11./12. November mehr erwartet. Aus seiner Sicht bekamen hinlänglich bekannte Themen wie falsche Intensivbettenzahlen, Maskenpflicht und PCR-Test viel Raum, während die Situation der Pflegekräfte lediglich emotional an Einzelfällen beleuchtet wurde.

Herr Möller, was kam aus Ihrer Sicht beim Corona-Symposium zu kurz?

Über die Situation in der Pflege damals wie heute wurde zu wenig diskutiert. Es ist zwar großartig, dass die AfD sich als einzige demokratisch gewählte Partei überhaupt der Corona-Aufarbeitung widmet und wir als Pflegevertreter zu Wort kamen, aber das Thema Pflegekräfte ist sehr komplex. Wir sind mit rund 1,7 Millionen Menschen immerhin die größte Expertengruppe in Deutschland – von Altenheimen bis zur Intensivstation.

Welche Themen sind Ihnen wichtig?

Die aktuelle Entwicklung der Versorgung der Menschen in Deutschland nimmt gefährliche Formen an. Die Macht der Krankenkassen, Krankenhausgesellschaften und Pharmaindustrie sind quasi unkontrolliert von politischen Organen. Außerdem wurde die Pflege in der Corona-Krise von den Medien wie so oft für politische Ziele instrumentalisiert. Darüber wird aber gar nicht mehr gesprochen.

Es gab etwa einen Bericht aus Stuttgart, in dem gezeigt wurde, dass die Leiterin einer Intensivstation wütend war, weil ein Patient, der sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen hatte, im Krankenhaus behandelt wurde. Die Leiterin regte sich darüber auf, dass dieser Patient einem Geimpften den Platz weggenommen hat. Gute Pflege darf aber keine Frage des Impfstatus sein.

Des Weiteren habe ich während der Corona-Krise unzählige Zuschriften von verzweifelten Pflegekräften erhalten, die mir über unhaltbare Zustände berichtet haben. In Pflegeheimen lagen die Bewohner teilweise in ihren Exkrementen, weil der Arbeitgeber angeordnet hatte, dass die Mitarbeiter nur einmal pro Schicht nach den Bewohnern schauen sollten. Das ist unmenschlich. Das ist paradox. Wie kann man solche Anordnungen befolgen? In dem ganzen Wahn haben die Angestellten das mitgemacht.

Das Gesundheitssystem ist schlimmer dran als je zuvor. Die Pflege befindet sich nicht nur in einem desolaten, sondern auch schizophrenen Zustand. Wir müssen für das Wohl der Patienten einstehen – wenn wir das nicht machen, wer denn sonst? Wir sind doch nicht nur Befehlsempfänger von Politik und Ärzten!

Wie lässt es sich am besten erreichen, dass Pflegekräfte mehr als „Befehlsempfänger“ werden?

International ist das Gesundheitssystem ein ganz anderes. Da sind Pflegekammern weitverbreitet und damit die Stellung der Pflege weitaus anerkannter. Weltweit arbeiten Pflegekräfte medizinisch und prophylaktisch. Sie befolgen nicht nur Anweisungen der Ärzte, sondern entscheiden auch selbst, welche Therapien die Patienten zur Gesunderhaltung oder Genesung brauchen, weil sie Spezialkenntnisse besitzen, über die nicht einmal Ärzte verfügen.

In Deutschland sind Pflegekammern hingegen nicht weitverbreitet. Dabei ist das Interesse der Pflegekräfte, ihr Wissen zum Wohle der Patienten weiter zu vertiefen, groß. Aber wir werden durch die Arbeit der Lobbyverbände gehemmt. Es fließen Milliarden Euro durch Lobbyverbände wie Krankenhausgesellschaften, Krankenkassen, Pharmaindustrie und Ärzteverbände. Bei der Pflege kommt fast nichts davon an. Die Pflege hat in Deutschland kein Mitspracherecht über die Verteilung der Gelder. Das Qualitätsniveau der Pflege könnte viel höher sein, wird aber gedrückt.

In den Beratergremien der Politik sitzen keine Pflegefachkräfte – zum Nachteil der Patienten. Wir Pflegekräfte verplempern unglaublich viel Zeit für berufsfremde Arbeiten, unter anderem Botengänge, um Befunde aus dem Labor abzuholen. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Wir haben uns ausschließlich um unsere Patienten zu kümmern.

Auf der anderen Seite müssen wir Überstunden leisten, die nicht bezahlt werden. Wer Glück hat, kann sie „abfeiern“. Solange Pflegekräfte einspringen, um das System zu kompensieren, solange wir Aufgaben erledigen, für die andere zuständig sind, wird sich nie etwas ändern.

Im Gegensatz zu Lobbyverbänden wissen Pflegefachkräfte ganz genau, wie man das deutsche Gesundheitssystem besser, effizienter und vor allem kostengünstiger gestalten kann. Man lässt uns aber nicht.

Ähnlich wie Ärztekammern, die Fortbildungen beschließen, Forschungen betreiben und Forderungen in der Politik durchsetzen, brauchen wir in jedem Bundesland eine Pflegekammer als rechtliche Grundlage für unsere Selbstverwaltung.

Gibt es noch andere Themen, die aus Sicht der Pflegekräfte bedeutsam sind?

Wir müssen mehr über die Behandlung von Impfgeschädigten diskutieren. Die Impfhotline der Gesellschaft Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V. (MWGFD) kam aus meiner Sicht auf dem Symposium viel zu kurz. Auch ich bin Mitglied im MWGFD und bekomme über diese Hotline Patienten vermittelt – Patienten, wo auch Heilpraktiker nicht weiterkommen, also die wirklich Schwerkranken. Ich habe aber dasselbe Problem wie alle anderen: Ich bekomme keine Ärzte ran. Es gibt kaum jemanden, der eine schwere Schmerz- oder Lähmungssymptomatik behandelt oder eine Labordiagnostik abnimmt.

Andererseits habe ich in Gesprächen am Rande des Corona-Symposiums wieder einmal festgestellt, dass viele Politiker, Wissenschaftler und leider auch Ärzte gar keine Ahnung von der Arbeit der Pflegekräfte haben. Viel zu selten kommt zur Sprache, dass eine COVID-19-Erkrankung bei schwerem Verlauf wirklich dramatisch ist. Das darf nicht verharmlost werden. Ein schwerer Verlauf betrifft im Gegensatz zu einer Grippe nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe.

Wenn ein Arzt denkt, dass die Lungenentzündung während einer Grippe das Gleiche ist wie bei COVID-19, irrt er sich gewaltig. Der Aufwand, einen Patienten mit einer schweren COVID-Erkrankung zu behandeln, ist sehr viel höher. Wir führen die Anordnung von Ärzten, angepasst an die individuellen Bedürfnisse der Patienten, aus. Davon haben Ärzte teilweise keine Ahnung.

Dann wurde das Corona-Symposium der AfD seiner Aufgabe der Aufarbeitung aus Ihrer Sicht also nicht gerecht?

Das Symposium der AfD – es war ja das zweite seiner Art – kann nur ein Anfang gewesen sein. Es reicht nicht aus, Themen medizinisch-wissenschaftlich zu beleuchten, es fehlt die gesellschaftliche Einordnung.

Das Thema Pflege muss mehr in den Vordergrund gestellt werden, denn die Probleme, die in der Corona-Zeit auftraten und jetzt auftreten, greifen tief in die Gesellschaft ein. Wer gesund ist, merkt das nicht.

Die Diskussion über die Pflege begrenzte sich während des Symposiums auf eine Pflegekraft, bei der kurz zuvor eine Hausdurchsuchung stattgefunden hatten, sowie eine weitere, deren Tochter nach der COVID-Impfung starb. Das war natürlich sehr emotional geladen. Wenn das Thema der Pflegekräfte aber nur emotional diskutiert wird, dann werden die wirklichen Probleme, die die ganze Gesellschaft betreffen, nicht abgebildet. Natürlich müssen auch solche Einzelschicksale Raum bekommen, aber bitte nicht so, dass das Bild des jammernden Pflegerleins bedient wird.

Ich habe unglaublich viele Kontakte zu Pflegern, Pflegediensten und Pflegeheimen, die sich den Maßnahmen entgegenstellten. Wir sind inzwischen international vernetzt, beispielsweise mit Kollegen in Frankreich, wo die Corona-Maßnahmen noch viel restriktiver waren. Darüber spricht auch niemand.

Bei vielen Pflegekräften ist noch immer nicht angekommen, dass man nicht alles mitmachen muss, was die Politik gerne hätte. Nur wenige kennen Isabell Flaig aus Deutschland – man nannte sie „die Rebellin von Kirchheim“. In ihren beiden Pflegeheimen wurden die Bewohner eben nicht dazu gezwungen, anlasslose Corona-Tests über sich ergehen zu lassen.

Isabell hat sich von Anfang an gegen die Maßnahmen gestellt. Weder hat sie die Bewohner isoliert noch zum Tragen von Masken verpflichtet. Sie bekamen auch keinen Druck, dass sie sich impfen lassen mussten. Es geht also durchaus, dass man nicht alles mitmachen musste. Aus meiner Sicht sind die Pflegekräfte die vergessenen Stars der Corona-Pandemie.

Während der Corona-Krise hieß es, wir wären „systemrelevant“. Das stimmt aber nicht. Wir sind „existenzrelevant“ – ohne eine gute Pflege ist das Wohl der gesamten Gesellschaft gefährdet.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion