Europa-Gipfel: Deutschland liefert weiteres Flugabwehrsystem

Eskalierende Konflikte in Europa, die ungewisse Zukunft der US-Ukraine-Hilfen: Der dritte Europa-Gipfel stand unter keinem günstigen Stern.
Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj am Rande des Gipfeltreffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Granada.
Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times5. Oktober 2023

Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für die Wintermonate ein weiteres Flugabwehrsystem vom Typ Patriot zugesagt. „Das ist das, was jetzt am allermeisten notwendig ist“, sagte der SPD-Politiker nach einem Treffen mit Selenskyj am Rande des Europa-Gipfels im spanischen Granada.

Selenskyj schrieb über den Kurznachrichtendienst X, das Treffen mit Scholz sei „fruchtbar“ gewesen. Er sei dankbar für Deutschlands Unterstützung für die Verteidigung der Freiheit der Ukraine und ihrer Menschen. Es gehe dabei auch um die „Verteidigung Europas und die gemeinsamen Werte“.

Aber keine Taurus-Marschflugkörper

Kurz vor dem Treffen von Scholz und Selenskyj war bekannt geworden, dass Scholz trotz eindringlicher Bitten der Ukraine vorerst keine Taurus-Marschflugkörper in das Kriegsgebiet liefern will. Zu diesem Thema äußerte sich Selenskyj in seiner Nachricht nicht.

Im April hatten Deutschland, die Niederlande und die USA zunächst je ein Patriot-System an die Ukraine übergeben. Im August stellte Deutschland dann zwei weitere Patriot-Abschussrampen zur Verfügung. Deutschland hat die Ukraine auch mit zwei Einheiten des Luftverteidigungssystems Iris-T versorgt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Montag zum Auftakt des EU-Außenministertreffens in Kiew ihre Forderung nach einem „Winterschutzschirm“ für die Ukraine bekräftigt. Dazu gehöre der Ausbau der Luftverteidigung, die Lieferung von Strom-Generatoren und die Stärkung der Energieversorgung insgesamt.

Spannungen unter den Gipfelteilnehmern

Zu dem dritten Gipfeltreffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) waren Staats- und Regierungschefs aus rund 50 Ländern in die südspanische Stadt Granada gekommen. In dem von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron initiierten Format versuchen die EU-Staaten seit mittlerweile rund einem Jahr, die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern zu verbessern. Weitreichende Erfolge gab es allerdings bislang nicht zu verbuchen.

Grund sind insbesondere anhaltende Spannungen und Konflikte unter den Mitgliedern – auch mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine. In der EU blockiert Ungarn beispielsweise die Finanzierung von Waffenlieferungen für die Ukraine. Zudem könnte es nach der Wahl in der Slowakei am vergangenen Sonntag dazu kommen, dass Sieger Robert Fico einen ähnlichen Kurs einschlägt wie Viktor Orbán in Ungarn. Fico hatte vor der Wahl angekündigt, er wolle die bei der Bevölkerung unbeliebte Waffenhilfe beenden und der Ukraine nur mehr mit zivilen Gütern helfen, wenn er gewählt werde.

Diskussionen um weitere EU-Ukraine-Hilfen

Fraglich ist deswegen auch, ob Vorschläge von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Chefdiplomat Josep Borrell verwirklicht werden können, für die Ukraine im Zeitraum bis Ende 2027 zusätzliche 70 Milliarden Euro bereitzustellen. 20 Milliarden Euro davon sollen für die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstungen dienen, die anderen 50 Milliarden Euro vor allem zur Stützung des ukrainischen Staatshaushalts und den Wiederaufbau. Borrell warnte am Donnerstag, dass selbst dieses Geld einen Wegfall von US-Finanzierung nicht kompensieren dürfte. „Europa kann die USA ganz sicher nicht ersetzen“, antwortete er am Donnerstag auf die Frage eines Journalisten.

Aserbaidschan verweigert Gespräche

Für Ernüchterung sorgten in Granada zudem die zuletzt wieder eskalierten Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo sowie zwischen Armenien und Aserbaidschan. Zu einem von der EU erhofften Vermittlungsgespräch mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan kam es in Granada nicht, weil Aliyev wegen der „antiaserbaidschanischen Stimmung“ der übrigen Gipfelteilnehmer nicht anreisen wollte.

Aliyev steht in der Kritik, weil er Ende September Berg-Karabach erobern ließ. Gut 100.000 Einwohner der mehrheitlich armenischstämmigen Bevölkerung sind seither ins Mutterland geflohen.

Kosovo fordert Sanktionen gegen Serbien

Das Kosovo knüpfte unterdessen weitere Gespräche mit Serbien an westliche Strafmaßnahmen. Es gebe keinen Grund, sich zu treffen, bevor Sanktionen gegen Serbiens Präsident Aleksander Vucic verhängt worden seien, sagte Präsidentin Vjosa Osmani am Rande des Gipfels. „Zuerst die Sanktionen, und dann können wir über den Rest reden“, betonte Osmani.

Im Konflikt mit dem Kosovo hatte Belgrad zuletzt serbische Truppen rund um das Kosovo aufmarschieren lassen. Zuvor hatte es bereits einen Überfall serbischer Paramilitärs auf kosovarische Polizisten gegeben. Serbiens ehemalige Provinz Kosovo hatte sich 2008 nach einem blutigen Krieg für unabhängig erklärt. Serbien erkennt dies bis heute nicht an.

Scholz wird auch an diesem Freitag noch in Granada sein. Die derzeitige spanische EU-Ratspräsidentschaft hat im Anschluss an den Europa-Gipfel noch zu einem informellen EU-Gipfel eingeladen. Bei ihm soll es unter anderen um den Kampf gegen unerwünschte Migration gehen. Zudem steht die Frage im Raum, wie sich die EU auf die anvisierte Aufnahme weiterer Länder wie der Ukraine vorbereiten muss. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte jüngst das Ziel ausgegeben, dass die EU im Jahr 2030 für eine Erweiterung notwendige Reformen abgeschlossen haben sollte. (dpa/dl)



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