Fall Egisto Ott: Geheimdienstskandal erschüttert Österreich

Die Festnahme des früheren Verfassungsschützers Egisto Ott wegen des Verdachts der Spionage für Russland schlägt in Österreich hohe Wellen. Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek soll ebenfalls involviert sein. Die ÖVP erhofft sich Wahlkampfmunition gegen den früheren Innenminister Herbert Kickl.
FPÖ-Chef und ehemaliger Innenminister Österreichts: Herbert Kickl.
FPÖ-Chef und ehemaliger Innenminister Österreichts: Herbert Kickl.Foto: Eva Manhart/APA/dpa
Von 13. April 2024

Wenige Monate vor der Nationalratswahl in Österreich liegt die FPÖ von Ex-Innenminister Herbert Kickl stabil mit 31 Prozent an der Spitze in den Umfragen. Der Vorsprung auf SPÖ und ÖVP ist stabil – beide haben den jüngsten Zahlen des „Exxpress“ zufolge sogar noch an Boden verloren. Mit dem Spionagefall Egisto Ott erhofft sich vor allem die ÖVP nun mögliche Wahlkampfmunition gegen den FPÖ-Obmann. Als Innenminister hatte er Ende der 2010er-Jahre immerhin für eineinhalb Jahre auch die Verantwortung für das damalige Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT).

Bereits 2017 erstmals suspendiert – und an die Sicherheitsakademie versetzt

Am Karfreitag, 29. März, kam es im Kärntner Ort Paternion zur Festnahme des langjährigen Mitarbeiters des BVT, Egisto Ott. Der Verdacht lautet auf Amtsmissbrauch und geheime nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Nachteil Österreichs. Über Ott wurde in weiterer Folge Untersuchungshaft verhängt, die heute noch aufrecht ist.

Ott, der bereits 2017 nach Hinweisen ausländischer Geheimdienst ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten war, soll zugunsten russischer Nachrichtendienste widerrechtlich Daten beschafft und weitergegeben haben. So soll er vom BVT aus österreichische und europäische Polizeidatenbanken für Abfragen ohne dienstlichen Bezug genutzt haben.

Egisto Ott hatte zum damaligen Zeitpunkt vor allem die Aufgabe, über Links- und Rechtsextremismus zu recherchieren. Zudem soll er damals dienstliche Daten an seinen privaten E-Mail-Account gesendet haben. Dies war der Anlass für eine erste Suspendierung. Die Ermittlungen verliefen damals offenbar im Sande, das Bundesverwaltungsgericht hob die Suspendierung auf – Ott wurde jedoch an die Sicherheitsakademie versetzt.

Egisto Ott soll finanzielle Motive für seine Tätigkeit gehabt haben

In der nunmehrigen Festnahmeanordnung heißt es laut „Die Presse“ auch, dass Ott seither keinen Zugang mehr zu behördlichen Datenbanken gehabt hat. Allerdings hatte er an der Sicherheitsakademie „kein festgelegtes Aufgabengebiet“. Dies habe ihm Raum gegeben, um freiwillige Überstundendienste bei der Bürgerservicestelle des Ministeriums zu leisten.

Er sei noch befugt gewesen, Rechtshilfeersuchen an nationale und ausländische Polizeibehörden zu übermitteln. Diese habe er unter anderem über WhatsApp und telefonisch an ihm bekannte Kollegen gerichtet haben. So soll es ihm weiterhin möglich gewesen sein, an Informationen zu gelangen. Er soll sich auch ein Netzwerk an Quellen bis hinein in Landesverfassungsschutzbehörden aufgebaut haben.

Erst mit einer zweiten Suspendierung im Jahr 2021 sei die Möglichkeit weggefallen, Rechtshilfeersuchen zu versenden. Motiv für Egisto Ott soll Geld gewesen sein. Der Beamte habe einen Lebensstil gepflegt, der nicht mehr zu seinem Gehalt gepasst habe. So soll es zwischen 2015 und 2017 ungeklärte Bareinzahlungen von im Schnitt mehr als 90.000 Euro auf sein Konto gegeben haben. In den darauffolgenden Jahren seien diese auf etwa 28.000 Euro gesunken.

Prüfung von Zahlungsfähigkeit für Wirecard – oder Spionage für Russland?

Die zweite Suspendierung hatte offenbar mit dem Wirecard-Skandal zu tun. Ott soll zusammen mit einem Ex-Kollegen beim BVT sensible Daten an den früheren Spitzenmanager Jan Marsalek verkauft haben. Dieser war nach Bekanntwerden des Bilanzskandals nach Russland geflohen und soll sich heute noch dort aufhalten.

Bereits damals waren Gerüchte über die Medien kolportiert worden, wonach Marsalek rechtzeitig aus dem BVT vor einem möglichen Zugriff durch die Behörden gewarnt worden sei. Damals hieß es auch, BVT-Mitarbeiter sollen für Wirecard gegen die Zahlung von Schmiergeld die Zahlungsfähigkeit von möglichen Kunden geprüft haben.

Ob es sich dabei um den gleichen Sachverhalt gehandelt hatte, der heute als Datenabfragen für den russischen Geheimdienst im Raum steht, ist unklar. Marsalek war damals noch als möglicher „österreichischer Agent“ im Gespräch.

Die nunmehrige Verhaftung hat Berichten zufolge ein Hinweis aus Großbritannien ausgelöst. Diesem zufolge soll Ott Daten von wiederhergestellten Diensthandys von BVT-Mitarbeitern an russische Dienste weitergegeben haben. Diese seien bei einem Kanuausflug 2017 nass geworden. Der mit der Reparatur beauftragte Techniker soll Kopien der Daten an Ott ausgefolgt und dieser soll sie weitergereicht haben.

Beschuldigter will „Investigativjournalist“ sein und „Schweinereien“ aufdecken

Ott selbst bestreitet jedwede nachrichtendienstliche Tätigkeit für fremde Länder. Wie der „Exxpress“ berichtet, stellt er seine Aktivitäten als Recherchearbeit im Dienste eines Netzwerks an Enthüllungsjournalisten dar. Man decke „egal wo Schweinereien auf – zumeist mit nachrichtendienstlichem Hintergrund“. Dies betreffe jeden Geheimdienst, ob Ost oder West.

Die ÖVP will nun im Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“, den sie selbst auf den Weg gebracht hatte, die Rolle des früheren Innenministers Herbert Kickl untersuchen. Vor allem will sie mögliche Verbindungen des FPÖ-Chefs oder früherer Vertrauter wie des ehemaligen Sicherheitssprechers Hans-Jörg Jenewein zu Ott und dessen Netzwerk aufdecken.

Kickl bestreitet, in die Problematik um Egisto Ott eingeweiht gewesen zu sein. Zum Zeitpunkt dessen erster mutmaßlicher Abfragen waren jedoch noch ÖVP-Innenminister im Amt. Was allerdings politisch brisant für Kickl werden könnte, sind angebliche Hinweise darauf, dass Ott mit der BVT-Razzia im Jahr 2018 in Verbindung stehen könnte.

Durchsuchung von Verfassungsschutzräumlichkeiten 2018 könnte noch einmal zum Wahlkampfthema werden

Diese fiel in Kickls Amtszeit und hatte politisch erheblichen Staub aufgewirbelt. Im Februar 2018 durchsuchten Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Dienst- und Privaträumlichkeiten von BVT-Beamten.

Kritiker witterten damals einen politisch motivierten Einschüchterungsversuch des damaligen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl, dessen Anhänger sprachen von einer gebotenen Kampfansage an Seilschaften im Staatsapparat. Anklagen gegen beteiligte oder verantwortliche Beamte gab es nicht.

Wie der „Standard“ berichtet, war jedoch ein anonymes Konvolut Ausgangspunkt der Ermittlungen. In diesem wurde BVT-Beamten die Vertuschung eines vermeintlichen Skandals rund um Waffen und NS-Devotionalien vorgeworfen, die bei einer Hausdurchsuchung gefunden worden seien. Diese habe es bei einem Mitarbeiter mehrerer Innenminister gegeben, der auch Schlossherr im niederösterreichischen Ardagger sei.

Anlass für die Durchsuchung waren angebliche Hinweise auf Sprengstoff am Wohnsitz des Mitarbeiters. Es habe, so hieß es in dem Dossier, wiederholt Bombendrohungen auf die an dessen Wohnstätte vorbeiführende Österreich-Radrundfahrt 2016 gegeben.

Ist Egisto Ott der Autor des anonymen Pamphlets im Vorfeld der BVT-Razzia?

Spätere Ermittlungen und Medienrecherchen ergaben, dass die Bombendrohungen erfunden waren – es hatte zu keiner Zeit solche gegen das Sportereignis gegeben. Ein Koffer mit NS-Devotionalien und einer alten, nicht funktionsfähigen US-amerikanischen Waffe wurde auf dem benachbarten Friedhof entdeckt. Dieses gehörte jedoch nicht mehr zum Grundstück des Mitarbeiters.

Schon damals war die Rede von einer falschen Fährte, die am Ende den Ausschlag für die Razzia beim BVT gegeben habe. Nun soll es erste Hinweise auf den Urheber des anonymen Konvoluts geben – es könnte aus der Feder von Egisto Ott stammen.



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