FDP triumphiert: EU-Lieferkettengesetz auf Eis gelegt

Das geplante EU-Lieferkettengesetz wurde in Brüssel erneut verschoben, da keine Mehrheit im Ministerrat der EU zustande kam. Vor allem die Rolle Deutschlands sorgt für Unmut. Wie es nun mit der Richtlinie weitergeht, ist ungewiss.
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Mit der Richtlinie sollten Unternehmen für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht genommen werden (Symbolbild).Foto: JUNI KRISWANTO/AFP via Getty Images
Von 29. Februar 2024

Das geplante EU-Lieferkettengesetz findet in Brüssel keine Mehrheit. Daher wurde die Abstimmung im Ministerrat der Europäischen Union zum zweiten Mal verschoben, dieses Mal auf unbestimmte Zeit. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mit. Ursprünglich war eine Abstimmung am Mittwochmittag angesetzt worden. Zuvor hatte Deutschland angekündigt, sich bei dieser Abstimmung zu enthalten.

Wie das „Handelsblatt” schreibt, habe eine mündliche Abfrage kurz vor der geplanten Abstimmung gezeigt, dass sich keine Mehrheit für die EU-Richtlinie abzeichnete. Daraufhin wurde die Abstimmung wieder von der Tagesordnung genommen. „Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen”, hieß es in der belgischen Erklärung. Damit ist offen, ob das Vorhaben noch einmal auf Ebene der Mitgliedsländer verhandelt werden muss. 

Trotz gefundenen Kompromiss keine Einigung 

Eigentlich hatte es schon im Dezember einen Kompromiss zwischen den Unterhändlern des Europäischen Rates und des EU-Parlaments gegeben. Die Richtlinie soll Unternehmen dazu verpflichten, nicht nur im eigenen Betrieb, sondern auch bei Lieferanten und deren Geschäftspartnern darauf zu achten, dass Standards wie das Verbot von Kinderarbeit und Ausbeutung eingehalten werden. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar ist.

In der Bundesregierung war es vor allem die FDP, die darauf gedrungen hatte, dass Deutschland der vorgelegten Richtlinie nicht zustimmt. Die Liberalen befürchten, dass sich Unternehmen aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. SPD und Grüne befürworten hingegen das Vorhaben. 

Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz. Die Pläne aus Brüssel würden über dieses Gesetz hinausgehen. So ist auf EU-Ebene vorgesehen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind, was im deutschen Gesetz ausgeschlossen ist. Zudem hätten mehr Unternehmen von der EU-Regelung betroffen sein sollen als vom deutschen Gesetz.

Aus der FDP kommt Zustimmung, dass die Richtlinie am Mittwoch auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. 

„Lieferkettenrichtlinie: Verschiebung bestätigt Kritik. Zahlreiche EU-Länder erkennen die Probleme: unnötige Bürokratie, fehlender effektiver Menschenrechtsschutz. Überarbeitung sollte sowohl Menschenrechte fördern als auch den Mittelstand vor Überlastung schützen”, schreibt Carl-Julius Cronenberg, mittelstandspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag auf der sozialen Plattform X.

 

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gibt sich zufrieden. Die Lieferkettenrichtlinie “wird in dieser Form nicht kommen”, schreibt er auf X. „Mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten hat dem Entwurf nicht zugestimmt, auch etwa Frankreich und Italien.“ Sie teilten „unsere Bedenken, wegen derer wir als deutsche Bundesregierung letztlich nicht zugestimmt haben“.

 

Nächster Anlauf könnte länger dauern 

Wie die FAZ schreibt, hat die belgische Ratspräsidentschaft die Richtlinie auf die Tagesordnung gesetzt, weil sie der Meinung war, bei den auf Seite der Kritiker stehenden Italiener vorsichtige Signale einer Kursänderung erkennen zu können. Am Ende hätten sich bei der mündlichen Abfrage nur die Niederlande, Dänemark, Irland, Spanien, Portugal und Lettland deutlich für die Richtlinie ausgesprochen, schreibt die FAZ, die sich hierbei auf Diplomatenkreise beruft. Eine ganze Reihe von Staaten, darunter Frankreich, Österreich, Italien und Deutschland, hätten eine Enthaltung angekündigt. Das zählt wie ein Nein. Andere Staaten hätten sich gar nicht geäußert. Für eine Annahme ist die Zustimmung von 15 Staaten nötig, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinen.

Nach der Verschiebung der Abstimmung am Mittwoch ist im Moment unklar, wann Belgien den nächsten Anlauf nimmt und das Thema noch einmal auf die Tagesordnung setzt. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass das nicht mehr vor der Europawahl im Juni passiert. 

Als ausgeschlossen gilt, dass Berlin seine Position ändern wird. Wie das „Handelsblatt” schreibt, dürfte daher tatsächlich alles vom Votum Italiens abhängen. Das Land hat, anders als Deutschland, kein eigenes nationales Lieferkettengesetz. Beobachter gehen daher davon aus, dass sich Italien an Deutschland orientiert. Ohne Italien wird es daher keine qualifizierte Mehrheit geben.

Brüssel ärgert sich über Deutschland 

In Brüssel ärgert man sich über das Verhalten Deutschlands. Üblich ist es, seine Bedenken im sogenannten Trilog vorzubringen. Im Trilogverfahren hatten sich aber das EU-Parlament und der Rat auf einen Kompromiss geeinigt. Deutsche Unterhändler, so schreibt das „Handelsblatt”, seien im Dezember maßgeblich an der Einigung beteiligt gewesen. 

„Das erneute Scheitern des europäischen Lieferkettengesetzes im Rat ist eine gute Nachricht“, sagt Europaparlamentarier Daniel Caspary (CDU). Die Blockade der FDP habe Deutschland allerdings im Rat isoliert. Die Bundesregierung hätte vor der Trilog-Einigung mit einer abgestimmten Position intervenieren müssen. Deutschlands Ansehen und Ruf als zuverlässiger Partner habe dadurch massiv gelitten. 

Für die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) ist das „Gezerre der Mitgliedstaaten rund um das EU-Lieferkettengesetz im Rat ein Trauerspiel.” Und Cavazzini weiter: „Dass die belgische Ratspräsidentschaft es noch mal probieren will, einen Kompromiss zu finden, lässt aber hoffen, dass das Trauerspiel nicht in einer Katastrophe endet und noch eine Mehrheit für das Lieferkettengesetz im Rat zustande kommt.“

Beim Wirtschaftsverband „Die Familienunternehmer” atmet hingegen auf. „Die Vernunft hat also doch noch gesiegt. Die Ablehnung dieser schlechten Version einer EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ist ein Erfolg”, kommentiert Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer, das Ergebnis. Sie kenne kein einziges deutsches oder europäisches Unternehmen, das sich nicht für die Ziele der Richtlinie einsetzen würde, die Menschenrechte zu stärken. Der Weg, den die Richtlinie gehen möchte, sei aber nicht der richtige. 



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