Flutkatastrophe auch im indischen Himalaja zwischen Pakistan und Tibet

Leh, Indien – 200 Tote, 800 Vermisste, mehr als 500 Verletzte und wenigstens 1000 zerstörte Häuser... Das ist die schlimme Bilanz für die 150.000 Einwohner von Ladakh nach dem 6. August.
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Foto: Tengku Bahar/Getty Images

Während die zerstörerischen Fluten in Pakistan weiterhin die Schlagzeilen bestimmen, hatten Unwetter längst eine Region in Nordindien heimgesucht, die normalerweise kaum Regen abbekommt.

Diese indische Region liegt im Norden, im Himalaja zwischen Pakistan und Tibet. Ladakh ist eine Wüste im Hochland und eine derart trockene Gegend, dass niemand auf die heftigen Unwetter vorbereitet war, die in mehreren aufeinander folgenden Tagen, besonders in der Nacht vom 5. auf den 6. August niedergingen.

In einem Land, in dem einige Regentropfen äußerst selten sind, sieht die Bauweise der Häuser nicht vor, dass sie solche Wassermengen vertragen können. Sie sind aus Lehmziegeln gebaut, haben flache Dächer, auf denen eine Schicht Erde liegt, und die heftigen Regenfälle des vergangenen Frühlings hatten ihnen schon sehr zugesetzt. Die Unwetter stellen die schlimmste Naturkatastrophe dar, die Ladakh je erlebt hat.

In der Hauptstadt Leh ist der Busbahnhof von einer Wasserhose, in der sich auch Felsbrocken abgesetzt hatten, weggespült worden und mit ihm etwa 200 Geschäfte. Die Gebäude der Radio- und Telefonstationen sind verschwunden. Das größte Krankenhaus liegt unter Schlamm und Geröll. Mindestens 20 Dörfer, die sich bis zu 135 km von Leh entfernt befinden, sind durch dieselben Unwetter teilweise zerstört worden.

40 Prozent der Straßen und Brücken, Dorfstraßen oder die Straße, die nach Srinagar führt, sind niedergerissen worden. In einigen betroffenen Gegenden haben die Wasserhosen, die vom Himmel fielen, neue Flüsse entstehen lassen, die über die steilen, fast vegetationslosen Hänge der Berge hinunterflossen. Dabei rissen sie mehr und mehr Felsbrocken mit sich und wurden immer gewaltiger und schneller.

Die Schlammmassen, die mehrere Tonnen Felsbrocken mit sich führten, haben das kleine Dorf Saboo, sieben Kilometer von Leh entfernt, vollständig unter sich begraben. Häuser zerfielen in zwei Hälften, von anderen blieb gar nichts mehr übrig, andere standen bis zur ersten Etage im Wasser und wieder andere waren voll von Schlamm und Steinen und unbewohnbar. Autos wurden zerstört. Dort, wo sich einst grüne Felder und Obstgärten befunden haben, liegt jetzt eine Steinwüste. In diesem Dorf, auf das die Menschen von Ladakh so stolz waren, fanden in jener Nacht 14 Menschen den Tod.

Auch Choglamsar, das etwas weiter unten am Indus liegt, wurde von Schlammmassen bedeckt. Von 250 Häusern sind 45 total zerstört, 50 teilweise schwer und 35 leicht beschädigt. Ein regelrechtes Schlammmeer bedeckt bestimmte Viertel dieses kleinen Dorfes von 1.000 Einwohnern. An einigen Stellen ist die Schlammschicht drei Meter dick.

Inmitten der Zerstörung – ein buddistischer tibetischer Mönche in Leh, der Hauptstadt von Ladakh.Inmitten der Zerstörung – ein buddistischer tibetischer Mönche in Leh, der Hauptstadt von Ladakh.Foto: Tengku Bahar/Getty Images

Als die Naturgewalten losbrachen, verbreitete sich Panik in der Bevölkerung, Panik bei den Touristen und den Arbeitern aus anderen indischen Regionen, die für die Sommersaison nach Ladakh gekommen waren. Lautsprecher-Wagen fuhren durch Leh. Die Menschen wurden aufgefordert, sich in höher liegende Gebiete zu begeben. Während mehrerer aufeinander folgender Nächte kampierten Hunderte von Menschen rund um die berühmte Shanti Stupa, die oberhalb der Stadt liegt. Andere flüchteten jede Nacht in Dörfer, die höher als Leh gelegen sind, wie Matho oder Stok.

Überall, selbst in den nicht betroffenen Dörfern, wurden Zelte errichtet, weil viele Bewohner Angst hatten, in ihrem Haus zu schlafen, solange diese nächtlichen Regenfälle anhielten. Man errichtete auch Zelte, um die Obdachlosen aufzunehmen. So wurde der am höchsten gelegene Golfplatz der Welt für 10.000 Menschen zu einem Flüchtlingslager.

Glücklicherweise waren bei der Katastrophe dieses Ausmaßes die Hilfsbereitschaft und Solidarität sehr groß. Vom ersten Tag des Desasters an gab es viele freiwillige Helfer bei den Tibetern und Touristen. Ohne jede Hoffnung noch Überlebende zu finden, haben sie dabei geholfen, die Leichen aus dem Schlamm zu holen. Mehr als zwei Wochen nach der Katastrophe helfen sie immer noch und bergen für die, die alles verloren haben, das aus dem Schutt, was noch zu gebrauchen ist, obwohl die Anzahl der noch brauchbaren Dinge manchmal sehr gering ist. Auch die Bewohner, die von den Überschwemmungen nicht betroffen sind, helfen den Bewohnern der verwüsteten Dörfer nach Kräften.

So sind 100 Bewohner auf den Ladeflächen zweier Lastwagen von Matho nach Daboo gefahren und haben unterwegs buddhistische Gebete gesungen.

Nachdem sich die Situation inzwischen stabilisiert hat, treten zahlreiche neue Probleme auf. Da der Winter immer näher rückt, können die Flüchtlinge nicht länger in Zelten wohnen. Der Wiederaufbau der zerstörten oder beschädigten Häuser würde mindestens zwei Jahre dauern.

Die Menschen von Ladakh hängen für ihre Versorgung zu einem großen Teil vom Anbau auf den Feldern ab. Wie sollen sich diejenigen ernähren, die alles verloren haben? Ihr Saatgut, die Jahresernten, die auf ihren Feldern heranreiften, die Gemüse- und Obstgärten, die sie für die kalte Jahreszeit entwässert hätten, das Futter für das Vieh, das Vieh selbst und die Kühe, die jede Familie besitzt?

Und was die Verpflegung angeht, so kann in Leh nicht genug eingekauft werden, um den Bedürfnissen der Menschen zu genügen, weil sie acht Monate im Jahr von der übrigen Welt abgeschnitten sind. In diesem Sommer ist die politische Situation in Kaschmir sehr schlecht gewesen. Dadurch wurden die Konvois von Srinagar daran gehindert, genügend Reserven nach Leh zu bringen, die bis zum kommenden Frühling reichen.

Und hinzu kommt noch ein ethnisches Trauma. Unter denjenigen, die von der Tragödie unmittelbar betroffen sind, befinden sich nepalesische Arbeiter und die aus anderen Regionen Indiens, wie zum Beispiel aus Bihar.Sie waren als Landarbeiter im Sommer angestellt oder arbeiteten als Straßenbauarbeiter oder als Bauarbeiter. Sie lebten in Zelten und wurden häufig nicht zu den Opfern gezählt, weil sie keine Familie vor Ort hatten, die sie als vermisst melden konnte. Meistens wurden sie erst am Ende ihres Arbeitsvertrags bezahlt und ihr Lohn reichte dann aus, um eine Familie ein ganzes Jahr lang zu ernähren. Die Ortsansässigen von Ladakh erhalten Hilfe von der Regierung und von den Nichtregierungsorganisationen. Aber was ist mit den Menschen aus Bihar und Nepal? Wer wird an sie denken?

Doch trotz des riesigen Ausmaßes der Katastrophe hat man den Eindruck, dass die Menschen aus Ladakh sich nicht geschlagen geben. Anstatt zu lamentieren, bleiben sie solidarisch. Diejenigen, die nicht alles verloren haben, arbeiten auf den Feldern, um ihre Ernten mit anderen teilen zu können.

Natürlich spricht man noch von den Ereignissen. Ob sie nun Buddhisten oder Muslime sind, sagen viele Bewohner von Ladakh, dass eine solche Naturkatastrophe über sie gekommen ist, weil das Volk bei den Veränderungen, die bei ihnen seit dreißig Jahren, seitdem sie sich der Welt geöffnet haben, stattgefunden haben, seine Werte verloren hat.

Jetzt, wo Solidarität, Mitgefühl, Güte und Großzügigkeit wieder einen Teil ihres täglichen Lebens ausmachen, erkennen sie, dass sie diese Werte vernachlässigt und sich mehr und mehr für Geld interessiert haben. Doch trotz dieser Veränderungen gehören die Menschen aus Ladakh noch zu den großzügigsten und am wenigsten egoistischen Völkern auf dem Planeten und sind weit davon entfernt, ihre edlen Werte vollständig verloren zu haben. Doch das reicht nicht, eine solche Katastrophe zu überwinden.

Originalartikel auf Englisch: India’s Himalayas Battered by Rare Floods in Ladakh

 

Foto: Tengku Bahar/Getty Images


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