Frankreich immer noch im Rentenstreit – Verfassungsrat lehnt Volksentscheid erneut ab

Zum zweiten Mal weist der französische Verfassungsrat einen Antrag auf Volksentscheid über die umstrittene Rentenreform ab. Präsident Macron trifft indessen vielerorts auf Demonstranten. Beim Besuch einer Berufsschule hat die Präfektur alle „Ansammlungen“ in der unmittelbaren Umgebung des Gymnasiums verboten.
Titelbild
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r) mit Zyperns Präsident Nikos Christodoulides am 3. Mai 2023 im Élysée-Palast in Paris.Foto: BERTRAND GUAY/AFP via Getty Images
Von 4. Mai 2023

Erneut gescheitert: Der französische Verfassungsrat hat zum zweiten Mal einen Antrag auf einen Volksentscheid über die umstrittene Rentenreform abgelehnt. Der von rund 250 Abgeordneten und Senatoren eingebrachte Antrag erfülle die erforderlichen Kriterien für ein Referendum nicht, begründete der Verfassungsrat seine am 3. Mai gefällte Entscheidung. Das Gesetz zur Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre war Mitte April in Kraft getreten.

Die Rentenreform sorgt in Frankreich seit Monaten für Proteste. Bereits Mitte April hatte der Verfassungsrat einen Antrag der linken Opposition auf einen Volksentscheid über die Reform abgelehnt und die Kernpunkte der Reform gebilligt. Gegen Entscheidungen des Verfassungsrats können in Frankreich keine Rechtsmittel eingelegt werden.

Nun hofft die linksgerichtete Opposition auf die Prüfung einer Aufhebung der Rentenreform in der Nationalversammlung am 8. Juni. Die unabhängige Gruppe Liot hatte die Rücknahme des Gesetzes gefordert und einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingereicht.

Neue Proteste nach Entscheidung des Verfassungsrates

Präsident Emmanuel Macron hatte die Reform im April sehr schnell in Kraft gesetzt. Gewerkschaftsvertreter und Oppositionspolitiker reagierten erzürnt auf Macrons rasche Unterzeichnung der Reform nach dem damaligen grünen Licht des Verfassungsrats. Sie halten die Reform für „ungerecht“, insbesondere gegenüber Frauen und Menschen mit körperlich anstrengenden Berufen.

Für den Abgeordneten Nicolas Dupont-Aignan, der sich bereits drei Mal für die Präsidentschaftswahl aufstellen ließ, sei „unsere Demokratie endgültig zu Grabe getragen!“, wie er in einem Twitter-Beitrag verkündet. Nun sei „ein echtes Referendum der Bürgerinitiative (RIC) dringend notwendig.“

Nach der erneuten Entscheidung des Verfassungsrats gab es am Mittwoch in Frankreich abermals Proteste gegen die Reform. Mehrere Dutzend Menschen demonstrierten in der Nähe der Rue de Montpensier, wo das Gericht tagte. Demonstrationen fanden auch in Rennes und Nantes statt. Und es scheint: Wo Präsident Macron auch immer auftaucht, zeigen Demonstranten und Gegner der Rentenreform ihre Präsenz.

Überall wo Macron auftaucht, gibt es Demonstranten

Als das Staatsoberhaupt zum Beispiel am heutigen Donnerstag nach Saintes en Charente-Maritime, im Westen Frankreichs, gereist war, um eine Reform für die Berufsschulen vorzuschlagen, machten Demonstranten mit Pfannen Lärm. Wie die Zeitung „Le Figaro“ berichtete, seien unter den Anwesenden Aktivisten der CGT und Force Ouvrière (FO) gewesen.

Aus Angst vor „Störungen der öffentlichen Ordnung“ habe die Präfektur im Vorfeld einen Erlass veröffentlicht, der alle „Demonstrationen“ und „Ansammlungen“ in der Umgebung des betreffenden Gymnasiums verbietet.

Die rund 100 Gegner der Rentenreform hätten sich daher bereits am frühen Vormittag außerhalb des Sperrgebiets versammelt, etwa 500 Meter von der Schule entfernt. Ausgestattet mit Töpfen und Pfeifen sowie Fahnen in den Farben der CGT oder der Partei La France insoumise hielten sie Schilder mit der Aufschrift „Amtsenthebungsverfahren gegen Macron“ oder „Das Berufsschulpersonal ist wütend“ hoch.

Laut dem öffentlich-rechtlichen Radiosender „franceinfo“ sei zudem am späten Vormittag in der Schule, die Emmanuel Macron besuchen wollte, teilweise der Strom ausgefallen. Ebenfalls laut „franceinfo“ habe sich der Gewerkschaftsbund CGT des Unternehmens Enedis zu dieser Aktion bekannt.

Gewerkschaften planen weitere Proteste für 6. Juni

Die Gewerkschaft hatte bereits am 20. April den Strom während eines Besuchs des Präsidenten in einem Collège im Departement Hérault abgestellt. Auch für den 6. Juni haben Gewerkschaften erneut zu Demonstrationen aufgerufen.

Durch die Reform soll das Renteneintrittsalter in Frankreich ab 1. September bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind weiterhin Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben.

Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1.200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab.

(mit Material von afp)



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