Frankreich: TV-Show mit Politikern – auf dem Sofa, bei Kerzenlicht

Kurz vor dem Präsidentschaftswahl 2022 werden Politiker von ihrer ganz persönlichen Seite in Frankreich gezeigt. Ob das die Wahl beeinflussen wird, ist fraglich – zumindest müsse man in der heutigen Zeit auf Social-Media-Plattformen Präsenz zeigen.
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Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen trat auch in der Sendung „Eine intime Ambition“ auf.Foto: JOEL SAGET/AFP via Getty Images
Von 8. November 2021

Während Thomas Gottschalk die Herzen der deutschen Zuschauer mit seiner vorübergehenden Rückkehr zu „Wetten, das…?“ erwärmt, gibt es in Frankreich ein neu belebtes Format mit nicht weniger Unterhaltungswert. 

Unter dem Titel „Eine intime Ambition“ („Une Ambition intime“) hat der französische Fernsehsender „M6“ eine TV-Show neu gestartet, die mit sehr privaten Interviews und Porträts Politiker von einer weniger öffentlichen Seite zeigt.

Auf dem Sofa, bei Kerzenlicht

Kurz vor der Präsidentschaftswahl im April 2022 sorgt das Format für Aufsehen, zumal das Privatleben von Politikern in Frankreich eher als Tabu gilt. 

Die Sendung begleitet mehrere Politiker in ihrem täglichen Leben mit langen Interviews. Manche vergleichen sie sogar mit Oprah Winfreys berühmtem Format in den USA. Ähnliche Inszenierungen mit Kerzenlicht und einem weichen Sofa setzen die Gespräche in den Fokus. 

Die Journalistin Karine Le Marchand hat die Sendung auch bei ihrer Entstehung 2016 moderiert. Damals – auch im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2017 inszeniert – hat die Sendung für einige Politiker sogar Image-Probleme verursacht.

Dem ehemaligen Premierminister François Fillon machte sein Ruf als „langweiliger Handlanger des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy“ das Leben als Kandidat schwer, schreiben französische Medien.

Beobachter sehen darin ein notwendiges Übel. „Man muss in den sozialen Medien und in populären Fernsehsendungen präsent sein, und ob man das nun gut findet oder nicht, das ist der Lauf der Politik“, sagte ein Parteimitglied der Sozialisten über die Entscheidung von Paris’ Bürgermeisterin Anne Hidalgo, an der Sendung teilzunehmen. „Aber man muss die Leute dazu bringen, so gut wie möglich über einen zu sprechen.“

Emotionen und normale Menschen

Im Oktober und November 2016 interviewte Marchand die politische Elite Frankreichs: Nicolas Sarkozy, Arnaud Montebourg, Bruno Le Maire oder Marine Le Pen.

Der Interviewstil kam jedoch nicht bei allen gut an. Es gab Vorwürfe, Marchand wäre zu ungezwungen gewesen und hätte sogar teilweise mit Verführungskünsten aufgewartet.

Journalistin und Moderatorin Karine Le Marchand bei einer Veranstaltung 2019. Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images

Den Neustart wagt die 53-Jährige dennoch und interviewt gleich fünf Frauen. In der aktuellen Folge sahen die Zuschauer die rechtsextreme Rallye-National-Chefin Marine Le Pen beim Gärtnern, die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo beim Fahrradfahren und die ehemalige Ministerin Rachida Dati mit Boxhandschuhen, schreibt „Politico“.

Dati ließ in der Sendung sogar ein paar Tränen fließen, als sie in ihre burgundische Heimat zurückkehrt – sie ist in einer Wohnsiedlung aufgewachsen. Marlène Schiappa, das „Mädchen von nebenan“ der Politik, wie die Moderatorin sie nennt, sprach über ihre Kindheit an der Seite zweier trotzkistischer kommunistischer Eltern. Und Marine Le Pen erzählte, dass sie sich nach der berüchtigten Debatte gegen Emmanuel Macron im Jahr 2017 von ihren engen Freunden und ihrer Familie enttäuscht fühlte.

„Bei Marine Le Pen haben wir das Interview auf die letzten fünf Jahre ihres Lebens konzentriert“, sagt Marchand. „Es war interessant zu erfahren, wie sie den letzten Wahlkampf erlebt und was sie daraus gelernt hat.“

Die Sendung würde Le Pen „als normalen Menschen zeigen, der in einem normalen Haus in einem Vorort wohnt“, sagt ein Vertreter Le Pens Partei Rassemblement National. „Viele Leute denken, dass sie in einer Höhle voller Nazis lebt.“

Aktuelle Umfrage: Macron führt

Doch wie schneiden die Kandidaten im Rennen in der letzten Zeit ab? Laut einer Umfrage von Ifop-Fiducial würde der französische Präsident Emmanuel Macron im ersten Wahlgang 25 bis 26,5 Prozent der Stimmen erhalten, wenn die Wahl jetzt stattfinden würde.

Der konservative Eric Zemmour würde 16,5 bis 18 Prozent der Stimmen in der ersten Runde erhalten. Er liegt damit etwa auf einer Linie mit Marine Le Pen von der Partei Rallye Nationale mit 16 bis 18 Prozent.

Die Mitte-Rechts-Partei Les Republicains wird ihren Kandidaten im Dezember in einer Vorwahl bestimmen. Xavier Bertrand liegt in den Umfragen mit 13 Prozent an der Spitze. 

Im linken Lager der französischen Politik erreicht kein Kandidat in den Umfragen die Marke zehn, wobei Jean-Luc Melenchon von der Partei „Unbeugsames Frankreich“ mit 8,5 Prozent am besten abschneidet. 



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