Großbritannien: Drei Viertel der Pubs sind vom Aussterben bedroht

Britische Brauereien und Pub-Besitzer fühlen sich von ihren Stromlieferanten über den Tisch gezogen. Hinzu kommen Kostenexplosionen in allen Bereichen und Rohstoff-Engpässe. Wird den Engländern ihre Kneipen-Tradition erhalten bleiben?
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Ein traditionelles Pub in Alcester, Warwickshire England.Foto: iStock
Von 9. Dezember 2022

„Last Orders, please!“ Jahrhunderte alte, original englische Pubs sind Unikate, gewachsene Urgesteine, charaktervoll, unnachahmlich, einzigartig – und – sie sind aus der englischen Gesellschaft nicht wegzudenken. Sie haben so poetische Namen wie „The Earl of Watson“, „The Prince of Wales“, „The King’s Arms“, „The Swan“, „The River Bank“, „The Ploughman“ oder „The Red Lion“.

Seit Langem sind sie ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens, hier wird gelacht, gefeiert, getrunken und der neueste Gossip ausgetauscht. Englands unzählige Pubs prägen jede Stadt und jeden Landstrich und laden nicht nur die Ansässigen zu dem ein oder anderen „Ale“ ein, sondern auch die vielen Touristen, die diese Art von Kultur längst in ihr Herz geschlossen haben. Denkt man an England, denkt man an „Fish und Chips“ und Bier in geselliger Runde.

Doch das könnte bald vorbei sein, denn 70 Prozent der britischen Pub-Besitzer befürchten, dass sie den Winter nicht überleben werden. Die Energiekrise macht auch dort der Gastronomie und dem Brauereigewerbe schwer zu schaffen.

In einem neuen Bericht von Frontier Economics, der im Auftrag des britischen Bier- und Pubverbands (BBPA) erstellt wurde, zeigen Berechnungen, dass Pubs und Brauereien nach dem 31. März mit 20 Prozent weniger Gewinn rechnen müssen. Derzeit halten sich viele noch durch Steuerentlastungen und Unterstützungspakete der Regierung über Wasser, das endet jedoch alles im April.

Dabei stellen die Energiekosten die größte Bedrohung der Branche dar und bringen für die Gastronomen das Fass der ohnehin schon erhöhten Kosten von Getränken und Lebensmitteln sowie erhöhter Löhne buchstäblich zum Überlaufen.

Energierechnungen sind „ein Wucher“

Gemma Gardner, die ein Pub in Morecambe in der Grafschaft Lancashire betreibt, sagte, dass nicht nur die Energierechnungen ein Wucher seien, sondern die Energieversorger würden obendrein noch unerwartete Zusatzkosten erheben.

„Es ist unglaublich beängstigend, nicht zu wissen, was uns Monat für Monat berechnet wird. Es geht nicht nur um unser Geschäft, sondern auch um unser Zuhause. Wir sind der Gnade unserer Energieversorger ausgeliefert. Wenn es jetzt schon so schlimm ist, möchte ich mir gar nicht ausmalen, wie es sein wird, wenn das Energieentlastungsprogramm im April ausläuft.“

Nicht nur sie habe mit den Rechnungen zu kämpfen, sondern auch ihre Gäste. „Wir haben sogar angefangen, kostenloses Essen anzubieten, um die Kunden zum Kauf von Getränken zu bewegen“, sagte Gardner.

Die Tresen solcher Pubs in London könnten bald für immer so leer sein. Foto: iStock

„Auch wenn die Auswirkungen in den einzelnen Pubs unterschiedlich sind und die Aussichten unsicher, macht es die zugrunde liegende Ökonomie des Sektors unglaublich schwierig, diese Schocks aufzufangen“, sagte Tim Black, Associate Director im Einzelhandels- und Verbraucherteam von Frontier Economics. „Einige Betriebe werden ums Überleben kämpfen.“

„Die jüngsten wirtschaftlichen Schocks von COVID, Brexit und dem Krieg in der Ukraine haben die Unternehmen nachhaltig unter Druck gesetzt. Unsere Analyse zeigt, dass der Pub- und Brauereisektor mit einer Kombination aus steigenden Kosten – vor allem für Energie, aber auch für Rohstoffe und Löhne – und einer sinkenden Nachfrage konfrontiert ist“, so Black weiter. Auch die Verbraucher würden ihre Ausgaben angesichts des starken Drucks auf die Lebenshaltungskosten reduzieren.

Not macht erfinderisch

Um auf die steigenden Energiekosten aufmerksam zu machen, hat sich ein traditionelles Pub im malerischen Dörfchen Dummer in Hampshire etwas ganz Besonderes ausgedacht. Das Queen Inn veranstaltet jeden Donnerstag „Dine in the Dark“-Abende, bei denen das Licht ausgeschaltet und stattdessen Speisen und Getränke bei Kerzenlicht serviert werden.

Wirtin Liz Nelson erklärte, dass auch andere Pubs die Idee schon aufgegriffen hätten: „Wir sind nicht der einzige Pub, der so etwas macht. Wir dachten uns, dass man den Kunden damit unsere Probleme und deren Auswirkungen etwas näher bringen kann.“

Es gäbe Pubs, erklärt sie weiter, die früher 1.000 Pfund pro Woche für Versorgungsleistungen zahlten, jetzt aber 4.000 Pfund. Sie ist der Meinung, dass gegen große Energieunternehmen ermittelt werden sollte, da diese „von der Lebenshaltungskostenkrise profitieren“.

„Wir sind im Überlebensmodus, wir sind in einer Situation, in der wir nur noch versuchen, den Break-even zu erreichen und uns bis zum nächsten Jahr durchzubringen.“, so Liz Nelson.

Brauereien ebenso betroffen

Doch trifft es nicht nur die Pubs, sondern auch ihre wichtigsten Getränkezulieferer, die Brauereien. Diese warnten vor drei Monaten vor einem Mangel an Ausrüstung wie Fässern, Dosen und CO₂-Gas und eine schlechte Hopfenernte, die die Preise in die Höhe treibt.

„Wir sind in eine der schwierigsten Zeiten für den Brauereisektor eingetreten“, erklärte die Society of Independent Brewers in einem Schreiben, das auch vom Vorsitzenden der Campaign for Real Ale unterzeichnet wurde. „Kleine Brauereien berichten, dass sich ihre Energierechnungen verdoppelten oder verdreifachten, wodurch ihre zukünftige Fähigkeit zu brauen gefährdet ist“, schreibt „The Guardian“.

Die Society of Independent Brewers vertritt rund 700 unabhängige Handwerksbrauereien im Vereinigten Königreich, darunter Five Points Brewing aus London, Magic Dragon Brewing aus Wales und Gorilla Brewing Company aus Yorkshire. Der Verband gab an, dass etwa 160 kleine Brauereien die Corona-Lockdowns nicht überlebt haben und dass mindestens 40 weitere in diesem Jahr schließen mussten. Diejenigen, die überlebt haben, mussten mit der Rückzahlung von Schulden in Höhe von durchschnittlich 30.000 Pfund beginnen.

Gäste genießen den Sonnenschein vor einem Pub in Great Barford, Bedfordshire, England. Foto: iStock

„Weltuntergangsszenario“

Die Warnung der Brauereien kam etwa zeitgleich mit den Warnungen der Pub-Eigentümer. Mehr als 35 Prozent der Betreiber gaben an, dass sich ihre Energiekosten verdoppelt und 30 Prozent sogar verdreifacht hätten, wie eine Umfrage für die Fachzeitschrift Morning Advertiser ergab.

Dabei hilft es offenbar nicht, sich einen neuen Energieversorger zu suchen, denn Berichten zufolge werden der Branche keine neuen Verträge angeboten. Man befürchtet, dass die Pubs nicht in der Lage sein könnten, ihre Rechnungen zu bezahlen.

Heath Ball, Geschäftsführer der Frisco Group, die drei Pubs im Südosten Englands betreibt, sagte, die Pubs stünden vor einem „Weltuntergangsszenario“.

„Diese Energiekostenkrise kommt in einer äußerst schwierigen Zeit, in der die Unternehmen versuchen, sich von der COVID-Krise zu erholen, und ich denke, sie stellt eine noch größere Bedrohung für das Überleben der Pubs dar“, sagte er dem „Morning Advertiser“.

Er bestätigte, dass selbst Betreibern, die es sich leisten könnten, die erhöhten Preise zu zahlen, keine neuen Stromverträge angeboten würden, weil der Sektor als „hochriskant“ gilt.

Demnach deutet alles darauf hin, dass viele Pubs im Winter kalt und dunkel bleiben. Auch wenn ein Candle-Light-Dinner durchaus seine Reize hat, braucht es Energie, um das Drumherum zu betreiben. Doch was tun, wenn der Stromversorger einfach nicht mehr liefert?

Auch wenn die Handglocke zum allabendlichen Ausschankschluss keinen Strom benötigt, bleibt fraglich, ob es noch Gäste geben wird, denen sie gilt. Die Branche hofft und bangt auf weitere Unterstützung durch die Politik, Zusagen gibt’s bisher keine.



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