„In Russland findet der Unfall dich“: Wagner-Chef Prigoschin stirbt bei Flugzeugabsturz

Zwei Monate nach seinem kurzzeitigen Aufstand gegen die russische Militärführung ist der Chef der russischen Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, nach Behördenangaben bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen. Die Spekulationen über eine mögliche Rache aus dem Kreml mehren sich. Luftwaffengeneral Surowikin soll abgesetzt und unter Arrest gestellt worden sein.
Titelbild
Rettungsfahrzeuge stehen am 24. August 2023 an der Absturzstelle eines Flugzeugs in der Nähe des Dorfes Kushenkino im Gebiet Twer.Foto: Olga Maltseva/AFP via Getty Images
Von 24. August 2023

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Sowohl Prigoschin als auch sein Stellvertreter Dmitri Utkin befanden sich „an Bord des Flugzeugs“, teilte die russische Luftfahrtbehörde Rosawiatsija am Mittwochabend unter Berufung auf die Fluggesellschaft mit. Alle zehn Menschen an Bord sind nach vorläufigen Angaben des russischen Katastrophenschutzministeriums tot.

Vor dem Wagner-Hauptquartier in St. Petersburg legten Menschen am Donnerstag Blumen, Kerzen und Aufnäher mit dem Wagner-Logo nieder. Zuvor hatten die russischen Nachrichtenagenturen „Tass“, „Ria Nowosti“ und „Interfax“ unter Berufung auf die Luftfahrtbehörde gemeldet, Prigoschins Name stehe auf der Passagierliste der Maschine. Das Flugzeug war demnach am Mittwoch in der Region Twer zwischen Moskau und St. Petersburg abgestürzt.

Wie Fotografen der Nachrichtenagentur AFP beobachteten, bewachten am frühen Donnerstagmorgen Sicherheitskräfte die Absturzstelle nahe dem Dorf Kuschenkino.

Neben Prigoschin befanden sich demnach auch Wagner-Gründer und Kommandant Dmitri Utkin und Logistikchef Waleri Tschekalow an Bord der Maschine. Der Wagner nahestehende Telegram-Kanal „Grey Zone“ meldete am Mittwoch selbst, dass Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen sei. Gleiches berichtete der kremlnahe Fernsehsender „Zargrad TV“ unter Berufung auf eigene Quellen. Es stünden lediglich noch DNA-Analysen zum Zwecke der Identifizierung aus.

Einem von „Ria Nowosti“ zitierten Leiter der Rettungsdienste zufolge wurden an der Absturzstelle bis zum Abend zunächst acht Leichen gefunden. „Tass“ berichtete später von sieben geborgenen Leichen.

„Uns fehlen die Worte“, sagte ein maskierter Mann vor dem Wagner-Sitz in St. Petersburg zur AFP. Er trug einen Helm und ein Sweatshirt mit dem Logo der Organisation und rief dazu auf, Prigoschin „und alle unsere Kommandanten“ zu unterstützen.

Laut Rosawiatsija gehörte das Privatflugzeug des Typs Embraer Legacy dem auf Geschäftsreisen spezialisierten Unternehmen MNT-Aero. Die Luftfahrtbehörde erklärte, dass sie eine Sonderkommission zur Untersuchung des Absturzes eingesetzt habe.

Auch das für schwere Straftaten zuständige Untersuchungskomitee Russlands leitete nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren wegen „Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr“ ein. Das Komitee schickte demnach ein Ermittlerteam an die Absturzstelle.

Reaktionen von Politikern

Kreml-Chef Wladimir Putin äußerte sich zunächst nicht zu dem Flugzeugabsturz. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Besuch im Südwesten Russlands an der Grenze zur Ukraine auf, um an den 80. Jahrestag der Schlacht von Kursk während des Zweiten Weltkrieges zu erinnern.

Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak erklärte derweil in Onlinenetzwerken, der Flugzeugabsturz sei „ein Signal Putins an die russischen Eliten“ vor der Präsidentschaftswahl 2024. Es bedeute „Vorsicht! Illoyalität bedeutet Tod“.

US-Präsident Joe Biden zeigte sich „nicht überrascht“ vom möglichen Tod des Wagner-Chefs.  Biden verwies darauf, dass er erst kürzlich über den russischen Söldnerchef gesagt hatte, dieser müsse „vorsichtig“ sein.

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Onlinedienst X (vormals Twitter), den „Verbrecher Prigoschin“ werde in Belarus „niemand vermissen“. Er sei „ein Mörder“ gewesen und „sollte als solcher in Erinnerung bleiben“.

Wagner-nahe Kanäle auf Telegram behaupten Abschuss

Prigoschin und die Wagner-Gruppe waren am 23. Juni in eine Revolte involviert, im Zuge derer sie unter anderem Teile russischer Städte wie Rostow am Don besetzten. Prigoschin drohte sogar an, nach Moskau zu marschieren, sollte der Kreml seinen Forderungen nach einem Umbau der Militärführung nicht nachkommen.

Präsident Wladimir Putin konnte die Wagner-Führung zwar zu einer unblutigen Beendigung des Aufstandes bewegen. Experten rechneten jedoch damit, dass der Kreml eine solche Form offen gezeigter Illoyalität nicht ungeahndet lassen würde – erst recht nicht in Kriegszeiten.

Auf Telegram machen Videos die Runde, die einen angeblichen Abschuss der Maschine belegen sollen. Der „Exxpress“ berichtet von einem Augenzeugen, der vor dem Absturz zwei Explosionen am Himmel wahrgenommen haben will. Diese sollen Raketenabschüssen geähnelt haben.

Wollte Prigoschin mit der NATO über ein Ende des Ukrainekrieges verhandeln?

Um Prigoschin war es seit dem Scheitern des Putschversuches ruhig geworden. Die Rede war unter anderem davon, dass der frühere Koch in Belarus ein Unternehmen mit dem Namen Concord Management and Consulting gegründet habe. Als dessen CEO sollte sein ursprünglich aus der Neonazi-Szene stammender untergeordneter Gehilfe Utkin fungieren. Schwerpunkt des Unternehmens sollte „Immobilienmanagement“ sein.

In der Vorwoche hatte Prigoschin sich mit einem Video aus Afrika gemeldet. Darin hatte er erklärt, er wolle dort „bei Konflikten in den einzelnen Staaten weiter Russlands Interessen vertreten“. Einen Teil seiner Söldnerarmee soll er nach Belarus verlegt haben.

Der Kreml hatte dem Wagner-Chef Straffreiheit zugesichert, sollte dieser einer unblutigen Beendigung der Revolte vom Juni zustimmen. Prigoschin selbst hatte erklärt, keinen Staatsstreich im Sinn gehabt zu haben. In Kreml-Kreisen war man sich jedoch sicher, Prigoschin hätte sich im Fall eines Erfolgs der NATO für Verhandlungen über das Ende des Ukrainekrieges angeboten – zu für Russland ungünstigen Bedingungen.

Luftwaffenchef Surowikin soll mittlerweile offiziell abgesetzt sein

Dass die russischen Luftstreitkräfte selbst in den Absturz involviert sein könnten, wie die Spekulationen auf Telegram nahelegen, ist nicht bewiesen. Dennoch hat sich der Wind auch in deren Reihen zuletzt deutlich gegen Prigoschin und die Wagner-Gruppe gewendet.

Mittlerweile berichten Medien davon, dass der seit 2017 amtierende Oberkommandierende der russischen Luftstreitkräfte, General Sergej Surowikin, abgesetzt worden sein soll. Dieser galt als enger Vertrauter Prigoschins. Allerdings hatte er sich im Zuge der Revolte nicht auf dessen Seite gestellt, sondern ihn öffentlich daran erinnert, dass Präsident Putin das legitime Staatsoberhaupt sei.

Beobachter wiesen jedoch darauf hin, dass Surowikin erst auf Distanz gegangen war, als sich ein Scheitern des Aufstands abzeichnete. Dem „Guardian“ zufolge befand sich Surowikin, der seit zwei Monaten nicht mehr öffentlich zu sehen war, zeitweise sogar unter Arrest. Er sei zu seiner Rolle im Zusammenhang mit dem Aufstand befragt worden.

Mittlerweile meldet „RIA Novosti“ unter Berufung auf „informierte Kreise“, dass Generalleutnant Wiktor Afzalow ihn als Kommandant der Luftwaffe ersetzt habe.

Biden: „In Russland geschieht nicht viel ohne Putins Wissen“

Adrienne Watson, die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, erklärte in einer ersten Reaktion auf den Tod des Wagner-Chefs, dieser komme „nicht überraschend“. Präsident Joe Biden fügte auf eine Frage nach einem möglichen Bezug des Kremls zum Absturz hinzu:

Es geschieht in Russland nicht viel, hinter dem nicht Putin steht, aber ich weiß nicht genug, um die Antwort zu kennen.“

CIA-Direktor William J. Burns äußerte, Rache sei „ein Gericht, das Putin kalt serviert“.

Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak sprach von einem „Signal Putins an die russischen Eliten“ vor der Präsidentschaftswahl 2024. Die Botschaft laute: „Vorsicht! Illoyalität bedeutet Tod“.

Erinnerungen an den Absturz des Generals Lebed

Der Analyst für den Think-Tank „The Asia Institute“, Edwin J. Matthews, zitierte gegenüber der Epoch Times ein Sprichwort, das laute: „In Russland gerätst nicht du in einen Unfall, sondern der Unfall findet dich“.

Er erinnerte an einen Flugzeugabsturz, der bereits im Jahr 2002 einen ehemals aufstrebenden Politiker mit militärischem Hintergrund das Leben gekostet habe. Generalleutnant Alexander Lebed hatte 1996 als Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation einen Frieden im Tschetschenien-Konflikt ausgehandelt.

Anders als Prigoschin war Lebed auch in der breiten Bevölkerung beliebt und stellte vor allem für den damaligen Präsidenten Boris Jelzin einen unangenehmen Konkurrenten dar. Präsident Putin nannte das vom General für Tschetschenien ausgehandelte Friedensabkommen jedoch später einen „Betrug an Russland“.

Matthews geht davon aus, dass die Reste der Wagner-Gruppe nun in die konkurrierende Söldnervereinigung „PMC Patriot“ überführt werden. Diese wird von Prigoschins Erzfeind, Verteidigungsminister Sergei Schoigu, geführt. Er geht davon aus, dass es noch zu weiteren Säuberungen im Militärapparat kommen werde. Mit Blick auf den Wagner-Chef äußert der Analyst sarkastisch:

Prigoschin starb wie ein wahrer Krieger – mitten in der Luft in einem Privatjet Champagner schlürfend.“

(Mit Material von AFP)



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