Israel setzt Angriffe im Gazastreifen fort – Innenpolitischer Streit um Justizreform

Während sich Israels Armee weiter heftige Kämpfe mit der islamistischen Hamas liefert, droht im Land eine Staatskrise – das Oberstes Gericht kippte ein Kernelement der umstrittenen Justizreform. Zugleich scheint eine neue Phase im Gaza-Krieg begonnen zu haben.
Titelbild
Vor dem Krieg gegen die Hamas gab es stetig Protestaktionen gegen die Justizreform der israelischen Regierung. Hier ein Bild von einer Kundgebung in der Nähe von Tel Aviv am 17. August 2023.Foto: JACK GUEZ/AFP über Getty Images
Epoch Times2. Januar 2024

Israel setzt seine Angriffe im gesamten Gazastreifen mit unverminderter Härte fort. Augenzeugen berichteten am Dienstag von nächtlichen Raketenangriffen auf die Stadt Rafah im Süden und von Granatenbeschuss des Flüchtlingslagers Dschabalia im Norden des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Palästinensergebiets. Kämpfe wurden zudem aus Flüchtlingslagern im Zentrum des Gazastreifens sowie im südlich gelegenen Chan Junis gemeldet.

Hat eine neue Phase im Gaza-Krieg begonnen?

Israels Armeesprecher Daniel Hagari hatte am Sonntagabend angekündigt, dass sich das Militär auf einen langen Krieg gegen die Hamas vorbereite, der weit in das Jahr 2024 dauern werde. Deshalb würden einige der 300.000 Reservisten eine Kampfpause einlegen und noch in dieser Woche zu ihren Familien und zu ihrer Arbeit zurückkehren. Das ermögliche es ihnen, Kraft zu sammeln, und gleichzeitig helfe es der israelischen Wirtschaft.

Die Zeitung „New York Times“ zitierte in der Nacht zum Dienstag Militäranalysten und US-Beamte, wonach der von Israels Armee angekündigte einstweilige Abzug einiger Reservisten wahrscheinlich signalisiere, dass eine neue Phase im Krieg begonnen habe. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet und der hohen Zahl ziviler Opfer geriet Israel zuletzt international immer mehr in die Kritik.

Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel. Seitdem bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen und begann eine Bodenoffensive mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten.

Lage im Inland: Streit um Gerichtsentscheid

Im Land droht derweil eine Staatskrise. Israels Oberstes Gericht hat mit seiner Entscheidung vom Montag, ein Kernelement der umstrittenen Justizreform in dem Land zu kippen, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen innenpolitischen Schlag versetzt.

Zu den zentralen Elementen der Reform gehörten die Absicht, den Obersten Gerichtshof zu schwächen, dem Parlament die Befugnis zu geben, sich über Gerichtsentscheidungen hinwegzusetzen, und der Regierung mehr Einfluss bei der Auswahl von Richtern zu gewähren. Kritiker befürchten, dass dies zu einer Aufhebung der Gewaltenteilung und einer Zunahme der Macht der Regierung, insbesondere des Premierministers, führen könnte. Die Reform wird auch mit Bedenken hinsichtlich des Schutzes von Minderheiten und des Rechtsstaats in Israel in Verbindung gebracht.

Für nichtig erklärt wurde eine Grundgesetzänderung der Regierung, die dem Gericht die Möglichkeit genommen hatte, gegen „unangemessene“ Entscheidungen der Regierung, des Ministerpräsidenten oder einzelner Minister vorzugehen. Der Beschluss erfolgte mit einer knappen Mehrheit von acht der 15 Richter.

Bisher wurde in Israel noch nie ein vergleichbares Gesetz vom Obersten Gericht widerrufen. Ob sich dies auf die weitere Kriegsführung auswirkt, ist ungewiss. Monatelang war es vor dem Überfall durch die Hamas in Israel zu Massenprotesten gekommen. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Montag, der Überfall erfolgte möglicherweise auch deshalb am 7. Oktober, weil die Hamas die israelische Gesellschaft im Chaos wähnte.

„Die Gerichtsentscheidung widerspricht dem Willen des Volkes nach Einigkeit vor allem in Zeiten des Krieges“, kritisierte Netanjahus Likud-Partei.

Bemühungen um Feuerpause

Katar und Ägypten, die für Ende November eine einwöchige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt hatten, bemühen sich derzeit um eine weitere Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln.

Wie die US-Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf israelische Quellen berichtete, unterbreitete die Hamas am Sonntag einen Vorschlag für einen neuen Geiselaustausch. Dieser sehe drei Phasen vor mit jeweils einer mehr als einmonatigen Kampfpause vor, in denen sich die israelischen Truppen aus dem Gazastreifen zurückziehen sollten. Im Gegenzug erklärt sich die Hamas demnach zur Freilassung einiger Geiseln bereit. Mit der letzten Phase würde dann dem Plan zufolge das Ende des Kriegs eingeläutet, berichteten die israelischen Quellen.

Ein israelischer Vertreter sagte Axios, das Kriegskabinett habe den Vorschlag diskutiert und als inakzeptabel verworfen. Er äußerte sich aber optimistisch, dass die Gespräche über eine Feuerpause zu einem akzeptableren Plan führen könnten.

Israels Armee reagiert auf Raketenbeschuss

Unterdessen feuerte die Armee nach eigenen Angaben in Reaktion auf erneuten Raketenbeschuss aus Syrien und dem Libanon zurück. Wie sie Montagabend mitteilte, flogen fünf aus Syrien abgeschossene Raketen nach Israel und gingen in offenem Gelände nieder. Kampfflugzeuge hätten daraufhin die Abschussorte angegriffen.

An Israels nördlicher Grenze habe zudem ein Kampflugzeug „terroristische Infrastruktur“ der Hisbollah-Miliz im Libanon getroffen. Von dort aus seien am Montag Raketen in Richtung einer nordisraelischen Siedlung abgefeuert wurden, hieß es weiter.

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker von Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah in der Grenzregion.

Die Sicherheitslage in der gesamten Region ist seit dem Beginn des Gaza-Krieges sehr angespannt. Auch die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts wächst. Die USA haben Israel dazu gedrängt, in Gaza von der intensiven Phase mit heftigen Bombardierungen zu gezielteren Schlägen gegen die Hamas überzugehen.

Rückkehr der Siedler in den Gazastreifen gefordert

Nach dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich hat auch der rechte Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir eine Rückkehr jüdischer Siedler in den Gazastreifen gefordert. Der Abzug der Palästinenser und die Wiedererrichtung der israelischen Siedlungen sei „eine korrekte, gerechte, moralische und humane Lösung“, sagte Ben Gvir am Montag bei einem Treffen seiner Partei Jüdische Kraft.

„Dies ist eine Gelegenheit, ein Projekt zu entwickeln, das die Bewohner des Gazastreifens ermutigt, in andere Länder der Welt auszuwandern“, sagte Ben Gvir. Sowohl Smotrich, Chef der Partei Religiöser Zionismus, als auch Ben Gvir leben in Siedlungen im besetzten Westjordanland.

Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas wies die Äußerungen Ben Gvirs als „Tagtraum“ zurück. „Sie werden keinen Weg finden, ihn angesichts unseres unverwüstlichen, standhaften palästinensischen Volkes und seines heldenhaften Widerstands umzusetzen“, erklärte die islamistische Gruppe.

Israel hatte sich im Jahr 2005 nach 38 Jahren Besatzung vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Aus dort abgehaltenen Wahlen ein Jahr später ging die radikalislamische Hamas als Siegerin hervor. Nach bewaffneten Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden säkularen Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas übernahm sie 2007 schließlich die Kontrolle über den Gazastreifen. (afp/dts/dpa/red)



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