Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Budapest: Ein Opfer der „Cancel Culture“?

Budapest ist Gastgeber des größten Sportereignisses des Jahres 2023. Das internationale Medieninteresse ist eher moderat.
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Anthonique Strachan von den Bahamas, Leonie Pointet aus der Schweiz und Daryll Neita aus Großbritannien traten bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Budapest am 23. August 2023 im 200-Meter-Lauf der Frauen an.Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images
Von 23. August 2023

Mehr als 2.000 Athleten aus über 200 Ländern nehmen vom 19. bis 27. August an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Budapest teil. Die Veranstaltung ist das größte Sportereignis in der Geschichte Ungarns. Die 49 Wettkämpfe werden in einem brandneuen Stadion mit 35.000 Plätzen stattfinden.

„Wir werden neun Tage lang im Rampenlicht stehen. Hunderttausende Fans werden vor Ort sein und Millionen vor den Bildschirmen“, sagte Ungarns Staatspräsidentin Katalin Novák, die sich beim internationalen Verband für das Vertrauen in Ungarn bedankte.

Die Veranstaltung erforderte eine jahrelange Vorbereitung des Landes, von der sich die politische Führung eine positive Presseberichterstattung erhoffte. Allerdings blieb das erwartete Lob bei der Eröffnung der Veranstaltung weit hinter den eigenen Wünschen zurück. Was ist los?

„Cancel Culture“ vs. Orbáns politischer Werbetrick

Während der Weltmeisterschaften empfängt die ungarische Regierung eine Reihe von ausländischen Staatsoberhäuptern. Am Sonntag besuchte Recep Tayyip Erdoğan Budapest, dazu wurden auch die Staatschefs mehrerer anderer Länder eingeladen.

Ungarns Regierung geht außerdem davon aus, dass fast eine Milliarde Menschen die Wettkämpfe im Fernsehen miterleben werden. 300.000 Besucher haben bisher Tickets für die Spiele gekauft, die Zahl steigt weiter.

Es ist kein Geheimnis, dass die ungarische Regierung auch darauf hoffte, dass die WM ein positives Licht auf ihr Land werfen würde. Dies bestätigte auch die Staatspräsidentin selbst in ihrer Rede bei der Eröffnungsfeier am Sonntag.

Ministerpräsident Viktor Orbán im Nationalen Leichtathletikzentrum in Budapest, Ungarn. Foto: MTI/ Pressebüro des Ministerpräsidenten in Ungarn / Vivien Benko Cher

Ungarns Regierung ist jedoch zum Gegenstand heftiger Kritik geworden. „Sportschau.de“ brachte die Schmähung auf den Punkt: „Sportereignisse lassen Autokraten glänzen. Das Muster, das Länder wie Katar, Saudi-Arabien, China und Russland in den letzten Jahren angewandt haben, wurde auch von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán entdeckt.“ ARD, ZDF und Eurosport berichten Höhepunkte live aus Budapest.

„Keine positiven Nachrichten“ über Ungarn bringen

Nach Recherchen von „Hungary Today“ sind die internationalen Medien bisher eher still als kritisch. Eine Art „tiefes Schweigen umgibt das Ereignis“ in den Weltmedien. Für ihre Recherche prüften die Kollegen der Zeitung Dutzende der wichtigsten internationalen Zeitungen. Die Journalisten erinnert die Lage an das Phänomen, das als „Cancel Culture“ bekannt ist. Sie sagen:

„Es zeichnet sich ein klares Muster ab: Es gibt keine redaktionelle Nachfrage nach positiven Nachrichten über Ungarn. Tatsächlich werden Nachrichten, die nicht in das sorgfältig konstruierte Ungarnbild der liberalen Medien in Europa und den USA passen, aktiv unterdrückt.“

Der Hintergrund dieser Ereignisse ist laut den Journalisten die systematische Kritik an der ungarischen Regierung. In der EU sorgt Orbáns Regierung regelmäßig für Unmut – mit für die linksliberalen westlichen Staaten missliebigen Maßnahmen. Dazu zählt vor allem der Widerstand gegen LGBTQ-Propaganda in Ungarn oder die Pflege und Verbreitung von Nationalbewusstsein und Traditionen.

650 Millionen Euro für das Stadion sorgt für Unruhe

Auch in Ungarn hat das Sportereignis als Investition in den letzten Jahren für viele Kontroversen gesorgt. Das neue Stadion kostete um die 650 Millionen Euro. Ein großer Teil davon wurde von der Regierung durch Steuern finanziert.

Orbán sah sich dabei dem ständigen Widerstand des Bürgermeisters der Hauptstadt, Gergely Karácsony, ausgesetzt. Im Mittelpunkt der Kritik steht neben den Kosten auch die Rentabilität. Eine Nutzbarkeit des Stadions nach den Veranstaltungen sei sehr fraglich, so die Opposition. Eine Einigung mit Karácsony konnte Ungarns Regierung nur in letzter Minute erzielen.

Die Bevölkerung sei in der Frage der Kosten auch geteilter Meinung. Eine repräsentative Umfrage des örtlichen „Publicus“-Instituts im Juli zeigte beispielsweise, dass 71 Prozent der Sympathisanten der Regierung die Frage bejahten, ob die Kosten der Veranstaltung wieder hereingeholt werden könnten. 84 Prozent der Regierungsgegner hielten das für eher unwahrscheinlich.

Die Leichtathletik-WM findet in Budapest statt.

Das Leichtathletik-Stadion in Budapest wurde für die Weltmeisterschaft neu gebaut. Foto: Denes Erdos/AP

Laut dem Sportökonomen Gábor Szabados wird die „teuerste ungarische Leichtathletikanlage aller Zeiten“ nicht einmal annähernd genug Einnahmen generieren können, um sich finanziell zu rentieren. Szabados sagte „Radio Free Europe“, dass die Rendite am gesellschaftlichen Nutzen gemessen wird. „Die Anlage muss einen sozialen Nutzen bringen, der es wert ist, das Geld auszugeben.“

Die Investition könnte sich zum Beispiel dann lohnen, „wenn die Menschen sie tatsächlich für Sport und Erholung nutzen können und es ihnen gefällt“ und „genauso viele Menschen dorthin strömen wie auf die ebenfalls sehr beliebte Margareteninsel“.

Große Aufregung, großer Gewinn

Wettkampfsiegern winken hohe Preise. Der Weltverband verteilt Preisgelder in Höhe von fast 7,77 Millionen Euro an die Erst- bis Achtplatzierten. Ein Weltmeistertitel ist mit 70.000 US-Dollar (etwa 64.175 Euro) dotiert, Silber mit 35.000 US-Dollar (etwa 32.090 Euro) und Bronze mit 22.000 US-Dollar (etwa 20.170 Euro). Der achte Platz ist 5.000 US-Dollar (etwa 4.584 Euro) wert.

Unter den deutschen Athleten haben neben dem Speerwurf-Europameister Julian Weber vor allem der Zehnkampf-Europameister Niklas Kaul und der deutsche Zehnkampf-Rekordhalter Leo Neugebauer gute Chancen. Diskuswerferin Kristin Pudenz und Hochspringer Tobias Potye werden ebenfalls gute Aussichten eingeräumt.

Russische Teilnehmer und Sportler aus Weißrussland sind in diesem Jahr von der Veranstaltung laut einer Entscheidung des internationalen Sportverbands ausgeschlossen. Das Trainingslager der ukrainischen Mannschaft wurde vom Verband der benachbarten Slowakei finanziell unterstützt.



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