Neues EU-Hauptquartier, Ende des Vetorechts: Scholz für große EU-Reformen

In einer Grundsatzrede in Prag wirbt Bundeskanzler Olaf Scholz für weitreichende Reformen innerhalb der Europäischen Union. Neben einer Strategie "Made in Europe 2030" soll es auch ein neues Luftverteidigungssystem in Europa geben.
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Bundeskanzler Olaf Scholz hält eine Rede an der Karls-Universität in Prag am 29. August 2022.Foto: MICHAL CIZEK/AFP via Getty Images
Epoch Times29. August 2022

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine deutlich stärkere und wirtschaftlich unabhängigere EU gefordert. Es brauche „europäische Antworten auf die Zeitenwende“, sagte Scholz am Montag in einer Europarede an der Prager Karls-Universität. Dafür müsse Europa etwa bei der Halbleiter-Produktion und in der Verteidigungspolitik autonomer werden.

Konkret forderte Scholz eine „Strategie ‚Made in Europe 2030′“. Im Vergleich mit dem Silicon Valley oder chinesischen und japanischen Anbietern müsse sich Europa „an die Spitze zurückkämpfen“, sagte er. Viele Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel seien in Europa vorhanden.

Der Bundeskanzler unterstützt die französische Idee für eine neue europäische politische Gemeinschaft. Derzeit fehle ein Forum, bei dem die Staats- und Regierungschefs der EU mit Partnerstaaten ein- oder zweimal jährlich zentrale Themen besprechen könnten, sagte Scholz. Als mögliche Bereiche nannte er beispielsweise Sicherheits-, Energie- und Klimafragen.

Scholz: Brauchen ein „echtes EU-Hauptquartier“

Als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg plädierte Scholz zudem für deutlich stärkere Anstrengungen für die gemeinsame Verteidigungspolitik der EU. Dafür brauche es „mittelfristig ein echtes EU-Hauptquartier“ und ab 2025 eine schnelle Eingreiftruppe. Scholz bekräftigte, dass Deutschland für die geplante Einheit mit rund 5.000 Soldaten zu Beginn den „Kern“ stellen will.

Die Bundesregierung werde außerdem in den kommenden Jahren erheblich in die Luftverteidigung investieren, kündigte Scholz an. Dies solle von Beginn an so gestaltet werden, dass sich europäische Nachbarn beteiligen könnten. Konkret nannte er die Niederlande, Polen, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Tschechien, die Slowakei sowie die Partner in Skandinavien.

In Europa habe man bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und aus dem Weltraum „erheblichen Nachholbedarf“, sagte der Bundeskanzler weiter. Alle neuen Fähigkeiten sollten auch im Nato-Rahmen einsetzbar sein. Das Geld für die Investitionen könnte aus dem bereits angekündigten 100-Milliarden-Euro Topf kommen, mit dem Scholz in den kommenden Jahren die Bundeswehr modernisieren und stärken will.

Scholz sagt Ukraine Unterstützung zu: „So lange wie nötig“

Erneut sicherte der Bundeskanzler der ukrainischen Armee stärkere Unterstützung zu. „Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass Deutschland besondere Verantwortung beim Aufbau der ukrainischen Artillerie und Luftverteidigung übernimmt“, sagte Scholz. Die Ukraine werde zudem wirtschaftlich, finanziell, politisch und humanitär unterstützt – in diesem Punkt habe „Deutschland in den letzten Monaten grundlegend umgesteuert“. Diese Unterstützung werde Deutschland aufrechterhalten – „so lange wie nötig“.

Grundsätzlich sprach sich Scholz für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus sowie der westlichen Balkanstaaten in die EU aus und perspektivisch auch Georgien. Dafür brauche es aber Reformen in der EU, etwa ein Ende des Vetorechts in der Außenpolitik, sowie schlanke Institutionen. Sonst drohten „kafkaeske Verhältnisse“, so der Kanzler.

Die EU-Kommission solle zudem ihre Arbeitsweise anpassen. Scholz sagte, er wolle nicht am Grundsatz „Eine Kommissarin oder ein Kommissar pro Land“ rütteln. „Aber was spricht dagegen, dass zwei Kommissionsmitglieder gemeinsam für eine Generaldirektion zuständig sind?“ Zudem bekräftigte er die Forderung nach mehr Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat.

Deutschland und Tschechien besiegeln Panzer-Ringtausch

Im Anschluss an seine Rede traf Scholz mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala zusammen. Dabei besiegelten beide Seiten den geplanten Panzer-Ringtausch. Bis zum Jahresende soll Tschechien 14 deutsche Leopard-2-Panzer sowie einen Bergepanzer vom Typ Büffel erhalten. Prag hatte seinerseits der Ukraine Waffen sowjetischer Bauart bereitstellt.

„Zurückhaltend“ äußerte sich Fiala zu Scholz‘ EU-Reformvorschlägen: Er warnte vor langwierigen Debatten inmitten von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Diese könnten „Monate oder Jahre“ in Anspruch nehmen, betonte Fiala, dessen Land noch bis Ende des Jahres den rotierenden EU-Vorsitz innehat. (dl)

(Mit Material von Nachrichtenagenturen)



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