Finanzminister Marchenko fordert 500 Milliarden Dollar vom Westen

Der ukrainische Finanzminister Sergii Marchenko hat den Westen zu sofortiger finanzieller Unterstützung aufgerufen. Um das durch die russische Invasion hervorgerufene Haushaltsdefizit zu schließen, brauche Kiew mindestens 500 Milliarden Dollar. Doch die Ukraine hat bereits enorme Staatsschulden.
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Der IWF hält einen Zahlungsausfall Russlands für „nicht mehr unwahrscheinlich“.Foto: Jim Lo Scalzo/EPA/dpa
Von 14. April 2022

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Russland habe die Entscheidung getroffen, Krieg gegen die Ukraine zu führen und müsse für alle Schäden aufkommen, sagt Finanzminister Sergii Marchenko in einem Interview mit „Sky News“.

Wegen des hohen Finanzbedarfs müsse die Ukraine aber schnell an Geld kommen und deshalb schlägt der Finanzminister vor, dass der Westen in Vorfinanzierung geht. Er hoffe, dass die Weltgemeinschaft in der Lage sei, Reparationen von Russland auf der Grundlage internationaler Gerichtsverfahren durchzusetzen.

„Wir stehen unter großem Stress, in der allerschlimmsten [finanziellen] Lage“, sagte Sergii Marchenko laut „Financial Times„. „Jetzt geht es um das Überleben unseres Landes. Wenn Sie wollen, dass wir diesen Krieg weiterführen, diesen Krieg gewinnen …, dann helfen Sie uns.“

IWF eröffnete Spezialkonto

Konkret meint er damit: Die aufgrund der westlichen Sanktionen eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Banken könnten in die Ukraine transferiert werden. Auch das Geld auf den gesperrten Konten der „russischen Oligarchen“ könne in die Ukraine umgeleitet werden, ebenso die Einnahmen aus russischem Öl und Gas.

Außerdem schlägt Marchenko vor, dass die Mitglieder der G7-Gruppe zwischen fünf und zehn Prozent der rund 290 Milliarden Dollar erhaltenen SZR der Ukraine „zu spenden oder zu verleihen“, meldet die „Berliner Zeitung“. Das SZR (Sonderziehungsrecht) ist ein Reserveguthaben und wurde 1969 vom Internationale Währungsfonds (IWF) eingeführt.

Zur Pandemiebekämpfung hätten viele Staaten dieses Geld nicht benötigt: „Die SZR-Zuteilung wurde nicht genutzt, viele Länder haben sie einfach geparkt“, so der Finanzminister.

„Allein unsere Infrastruktur, die kritische Infrastruktur, kostet uns 120 Milliarden Dollar, die durch den Krieg beschädigt wurden, und wenn man die soziale und militärische Infrastruktur hinzurechnet, könnten es mehr als 500 Milliarden Dollar sein“.

Vergangenen Freitag eröffnete der IWF bereits ein Spezialkonto für die Ukraine. Um „ihre Zahlungsbilanz und ihren Haushaltsbedarf zu decken und zur Stabilisierung ihrer Wirtschaft beizutragen“, könnten Zuschüsse, Spenden und Kredite sicher an Kiew weitergegeben werden. „Es ist wahrscheinlich die einfachste Form der Unterstützung für die Ukraine“, sagt Marchenko.

Laut „Financial Times“ hat die EU bereits zugesagt, einen Nachkriegswiederaufbaufonds einzurichten. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki habe vorgeschlagen, dass dieser Fonds mindestens 100 Milliarden Euro umfassen sollte.

Internationale Kredite

Nicht zum ersten Mal fordert die Ukraine finanzielle Hilfen vom Westen. Im Jahr 2014 bat der Staat den Internationalen Währungsfonds offiziell um Unterstützung und erhielt rund 13 Milliarden Euro unter den Bedingungen: die Wirtschaft des Landes zu reformieren, die Ausgaben zu kürzen, nahezu keine neuen Schulden aufzunehmen und das Rentenalter heraufzusetzen. Die EU sagte der Ukraine zu, das Land bis 2020 mit 11 Milliarden Euro zu unterstützen und die USA hatten eine Milliarde Dollar zugesagt. Einen ungebundenen Finanzkredit in Höhe von 500 Millionen Euro erhielt die Ukraine von der Bundesregierung.

Seit dem Krieg habe sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verschärft, berichtet die „Berliner Zeitung“. So würden die bisher vom IWF, der Weltbank und der EU gewährten Kredite fast ausschließlich dazu verwendet, die Auslandsschulden zu bedienen.

Enorme Staatsschulden: „Clan“-Wirtschaft – statt Marktwirtschaft

Die Ukraine ist schon länger wirtschaftlich angeschlagen und leidet unter enormen Staatsschulden. Nach dem politischen Umbruch Anfang der 1990er-Jahre und den ersten sogenannten „marktwirtschaftlichen Reformen“ habe sich die wirtschaftliche Lage in der Ukraine dramatisch verschlechtert, informiert die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Anstatt zu einer Marktwirtschaft habe sich das Land zu einer „Clanwirtschaft“ entwickelt, wo sich einflussreiche Politiker und Wirtschaftsgrößen die lukrativen Geschäftszweige der Großindustrie unter ihren Clans aufteilten und nach ihren eigenen Interessen steuerten.

Im Laufe der Jahre konnte sich die rechtliche und wirtschaftliche Lage verbessern, wurde dann aber von der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 besonders stark getroffen: Das Wachstum brach ein, Exporte gingen zurück, ebenso die industrielle Produktion. Die Arbeitslosigkeit stieg und die Reallöhne sanken. Die Arbeitsmigration ist seit vielen Jahren hoch und die Ukraine liegt weltweit auf dem achten Platz der am meisten verlassenen Länder.

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg schlussfolgert: „Die Auswirkungen des im Februar 2022 ausgebrochenen Krieges in der Ukraine werden enorm sein, sowohl für die Ukraine selbst als auch für Russland und die gesamte Weltgemeinschaft aufgrund der massiven wirtschaftlichen Sanktionen.“



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