Öl-Embargo gegen Russland: Ungarn ist von Ölpreisobergrenze ausgenommen

Der ungarische Außenminister hat hart dafür gekämpft, dass das Land vom EU-Öl-Embargo ausgenommen wird. Ungarns Wirtschaft könnte aber dennoch betroffen sein. Experten warnen.
Titelbild
Ein Stein erinnert an die Freundschaft-2-Rohölpipeline. Die Donau-Ölraffinerie in Szazhalombatta (bei Budapest) ist eine der größten Raffinerien in der ostmitteleuropäischen Region, in der russisches Öl über die Druschba-Ölpipeline in Ungarn ankommt.Foto: Janos Kummer/Getty Images
Von 7. Dezember 2022

Ungarn wurde von der Anwendung der Ölpreisobergrenze ausgenommen, teilte der Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Handel am Samstag auf seiner offiziellen Facebook-Seite mit.

In seinem Beitrag schrieb Szijjártó, dass es an der Zeit ist, dass Brüssel erkennt:

Maßnahmen wie diese schaden der europäischen Wirtschaft am meisten.“

Wenn man das russische Öl von der ungarischen Energieversorgung ausschließen würde, wäre Szijjártó zufolge die Ölversorgung des Landes physisch unmöglich. Er betonte auch, es sei wichtig zu verstehen, dass „die Ungarn die Frage der Energieversorgung nie als ideologisches oder politisches Thema betrachtet haben“. Es sei eine „physische Frage“, und die Regierung will nicht, dass Ungarns Energieversorgung gefährdet wird.

Ungarn, Slowakei, Tschechien

„Während der Verhandlungen über die Ölpreisobergrenze haben wir viel für die ungarischen Interessen gekämpft, und am Ende waren wir erfolgreich: Ungarn wurde von der Ölpreisobergrenze ausgenommen“, erklärte Szijjártó.

Die EU-Staaten einigten sich am 2. Dezember auf eine Ölpreisobergrenze für russisches Rohöl. Der beschlossene Höchstpreis liegt bei 60 Dollar (57 Euro) pro Barrel für über den Seeweg transportiertes Öl.

Ausgenommen von den EU-Sanktionen ist das über Pipelines nach Europa transportierte Öl. Für Ungarn, die Slowakei und Tschechien steht fest, dass sie weiterhin ihr Öl aus über die Pipeline „Druschbar“ (zu Deutsch: „Freundschaft“) aus Russland beziehen wollen.

Orbán: „Der Affe springt nun ins Wasser“

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sprach am 2. Dezember im Radio „Kossuth“ über die EU-Sanktionen. Orbán betonte, dass Ungarn das Recht auf Zugang zu dem Öl habe, das es für den Betrieb seines Landes benötigt. Er betonte jedoch, dass es noch abzuwarten ist, „wie sich die Einführung der Sanktionen auf die Preise auswirken wird“.

Orbán erklärte, dass der Krieg bereits seit neun Monaten andauert. Es sei also an der Zeit, einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Sanktionen stünden für die Idee, „den Krieg zu einem Ende bringen oder ihn zumindest einem Ende näher bringen“. Laut Orbán haben diese neun Monate jedoch gezeigt, dass sich diese Erwartung nicht erfüllt hat:

Die Sanktionen haben uns keinen Millimeter näher an das Ende des Krieges gebracht, aber sie haben denen, die sie verhängt haben, nämlich den Ländern der Europäischen Union, eine Menge Ärger und sogar ernsthafte Probleme bereitet.“

Der Ministerpräsident wies auch darauf hin, dass es nicht nur darum geht, dass die Sanktionspolitik ihre Ziele nicht erreicht hat und fehlgeleitet war. Bisher „haben wir nur über Sanktionen gesprochen und durchblicken lassen, dass Sanktionen in Kraft treten würden“, sagte er.

Er fügte hinzu, dass einige Sanktionen zwar bereits Wirkung gezeigt haben, aber „der schwerwiegendste Teil der Sanktionen tritt erst jetzt […] in Kraft. Ich könnte sagen, dass der Affe nun ins Wasser springt.“

Orbáns Fazit ist, dass dies das Funktionieren der europäischen Wirtschaft definitiv erschweren werde.

„Tanktourismus“ bei 1,18 Euro pro Liter

Die Beschränkung des Einzelhandelspreises für Kraftstoffe in Ungarn, also die Benzinobergrenze, wird nicht länger aufrechtzuerhalten sein, bedeutet Attila Holoda in einem Interview mit „Mfor.hu“, schreibt „Mandiner“. Holoda ist Energieexperte und ehemaliger stellvertretender Staatssekretär für Energie.

In Ungarn hat sich der Preis für Benzin und Diesel seit November 2021 nicht geändert – er liegt nach wie vor bei 1,18 Euro pro Liter. Seit dem 30. Juli können aber wegen des zunehmenden „Tanktourismus“ nur noch ungarischen Privatpersonen gehörende Pkw, Taxis und Landwirtschaftsfahrzeuge zum begünstigten Treibstoffpreis betankt werden. Für Firmen- und Dienstwagen gelten die Marktpreise.

Holoda zufolge wird die Situation durch das EU-Verbot von russischem Öl erheblich verschärft. Das Öl wird unter anderem zu Kraftstoffen wie Benzin und Diesel verarbeitet.

Ein konkretes Beispiel: Die ungarische Öl- und Gasgesellschaft (MOL) kann weiterhin russisches Rohöl über eine Pipeline beziehen. Doch die Verarbeitung erfolgt in Zusammenarbeit mit der MOL-Raffinerie in Bratislava. Entsprechend ihrer Arbeitsteilung produzierte Ungarn Diesel, die Slowakei Benzin.

„MOL wird nicht in der Lage sein […] von seinen Raffinerien aus zwei EU-Länder koordiniert zu beliefern, da MOL zum Beispiel kein Benzin von der Raffinerie in Bratislava nach Ungarn liefern und den Bedarf der dortigen Verbraucher nicht decken kann“, erklärte der Experte.

Ungarischer Experte: „Europa könnte in der schwierigsten Situation sein“

Gergely Tóth von der Ungarischen Nationalen Universität für den Öffentlichen Dienst sagte gegenüber dem ungarischen Staatsfernsehen „M1“, dass die Ölversorgung Ungarns als sicher angesehen werden kann. Der Experte wies darauf hin, dass in Russland für 20 Dollar pro Barrel Öl produziert wird, das China und Indien gerne kaufen.

Das russische Außenministerium sei nicht untätig, bestätigt Tóth. Neue Lieferketten sind in Vorbereitung. Seinen Quellen zufolge hat sich das russische Außenministerium am 5. Dezember mit saudischen Diplomaten getroffen: „Neue Lieferketten werden aufgebaut und das frei werdende Öl, das Europa dringend braucht, findet neue Absatzmärkte. Das ist eine sehr gefährliche Konsequenz, denn dadurch werden die für Europa verfügbaren Mengen weiter reduziert.“

Laut Tóth wird es höchstwahrscheinlich auch zu einer Ölknappheit auf dem Markt kommen. Die Organisation für erdölexportierende Länder OPEC+ habe die Produktion gekürzt. Dies und die EU-Ölpreisobergrenze könnte Europa „in eine äußerst schwierige Situation“ bringen, sagte Tóth.

„Russland hat früher ein Viertel des jährlichen Ölbedarfs der EU geliefert“, erinnert der ungarische Fachmann Olivér Hortay, Leiter der Abteilung Energie- und Klimapolitik des Instituts „Századvég“. Er fragt sich, ob Brüssel überhaupt in der Lage sein wird, „das verlorene Öl zu ersetzen und zu welchem Preis das möglich sein wird.“



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