Peru: 24 Todesopfer bei Unruhen – Linksnationaler Präsident Castillo in Untersuchungshaft

In Peru halten die Unruhen nach der Absetzung des Präsidenten Castillo an. Ein Machtkampf zwischen ihm und dem Kongress war vor zwei Wochen eskaliert.
Anhänger des gestürzten peruanischen Präsidenten Castillo protestierten am vergangenen Donnerstag auf der Panamerikanischen Nordautobahn.
Anhänger des gestürzten peruanischen Präsidenten Castillo protestierten am vergangenen Donnerstag auf der Panamerikanischen Nordautobahn.Foto: Hugo Curotto/AP/dpa
Von 20. Dezember 2022

Inmitten der Unruhen infolge des Machtkampfes zwischen dem abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo und dem Kongress ist die Zahl der Todesopfer auf 24 angestiegen. Das berichtet das Portal „amerika21“ unter Berufung auf Angaben des Gesundheitsministeriums. Schwerpunkte der Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei sind Regionen im Süden und Südosten des Landes sowie die Hauptstadt Lima.

Das oberste Gericht des Landes hat unterdessen weitere 18 Monate Untersuchungshaft gegen Castillo angeordnet. Am Mittwoch (14.12.) hat die frühere Entwicklungsministerin Dina Boluarte, die der Kongress eine Woche zuvor zur Nachfolgerin bestimmt hatte, den landesweiten Ausnahmezustand verhängt. In einigen Provinzen gilt dieser sogar für 60 Tage, in 15 von ihnen zudem eine fünftägige nächtliche Ausgangssperre. Das Kabinett Boluarte setzte zudem 26 von Castillo ernannte Regionalpräfekten ab.

Starke Zersplitterung und Polarisierung in Peru

Erst im Juni 2021 gewann der frühere Dorfschullehrer Castillo mit 50,1 Prozent die Stichwahl zum Präsidentenamt. Im ersten Durchgang hatte er mit 18,9 Prozent vor Keiko Fujimori, der Tochter des in Ungnade gefallenen früheren Präsidenten, gelegen. Diese war auf 13,4 Prozent gekommen.

Im Kongress kam Castillos Partei Perú Libre als stärkste Fraktion auf 37 Sitze – bei nur 13,4 Prozent Stimmenanteil. Neun weitere Parteien kamen auf Ergebnisse zwischen 5,4 und 11,3 Prozent. Im Ergebnis erlangte die Opposition jedoch im Parlament eine deutliche Mehrheit.

Castillos Partei bezeichnet sich selbst als marxistisch-leninistisch. Allerdings spiegelt sich dies vorwiegend in Fragen der staatlichen Kontrolle über Rohstoffe und Schlüsselindustrien wider. Castillo selbst führte einige Lehrerstreiks an. In den 1990er-Jahren kämpfte er als Kommandant einer Bauernmiliz allerdings gegen die maoistische Guerilla „Leuchtender Pfad“.

Von europäischen linken Parteien unterscheidet sich Perú Libre auch durch starken Dezentralismus in Verwaltungsfragen. Außerdem rückte Perú Libre unter Castillo von Positionen westlicher Linker in Gesellschaftsfragen wie Abtreibung, LGBTQ-Rechten und der Todesstrafe ab. Im Wahlkampf stand er für einen versöhnenden Kurs mit früheren Anhängern des „Leuchtenden Pfades“, mit denen er eine Videokonferenz abhielt.

Castillo forderte Neuverhandlung von Rohstoffverträgen

Im Wahlkampf hatte Castillo eine Neuverhandlung von Regierungsverträgen mit großen internationalen Konzernen gefordert. In einigen Fällen laufen im nächsten Jahr 30-Jahres-Verträge aus. Zudem wollte er die Verfassung ändern, um die Macht des peruanischen Staates gegenüber diesen zu stärken.

Ausländische Unternehmen wie der US-Bergbaukonzern Glencore kontrollieren etwa die Hälfte des Rohstoffsektors – insbesondere die Bereiche Gas, Öl und Bergbau. Kritiker werfen ihnen Einflussnahme auf Medien und Politik vor.

Viele Peruaner betrachten Politiker im Land als korrupt, das Vertrauen in die Justiz ist gering. Bereits mehrfach verhängte diese Haftstrafen gegen ehemalige Regierungschefs. Dabei war es stets umstritten, inwieweit die Vorwürfe gegen sie zutrafen und ob es sich eher um politisch motivierte Racheakte handelte.

Die Dominanz großer ausländischer Rohstoffkonzerne trägt zwar zum Wachstum bei, verschärft aber die Kluft zwischen Stadt und Land. Der Rohstoffabbau ist häufig mit Umweltzerstörung verbunden, wobei sich viele Konzerne einer Sanierung verweigern. In einigen Gegenden tritt illegaler Rohstoffabbau auf oder es kommt zu entschädigungslosen Enteignungen. Dies trägt zur Popularität Castillos vor allem in ländlichen und von Indigenen bewohnten Gemeinden bei.

Fujimori will Politik ihres Vaters für Peru fortsetzen

Keiko Fujimori, die Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori, will nicht nur ihren Vater rehabilitieren. Dieser verbüßt wegen Korruption seit Ende der 2000er eine langjährige Haftstrafe. Außerdem wirft man ihm während seiner autoritären Regierungsjahre massive Menschenrechtsverletzungen vor. Auch die Tochter war über mehrere Monate wegen Korruptionsverdachts inhaftiert. Sie soll unter anderem in den Skandal um den Baukonzern Odebrecht verwickelt gewesen sein.

Fujimori will vor allem die Wirtschaftspolitik ihres Vaters fortsetzen. Diese war auf die Schaffung möglichst günstiger Bedingungen für ausländische Investoren ausgerichtet. Dabei spielten Steuervorteile ebenso eine Rolle wie umfassende Rechte an den zutage geförderten Rohstoffen. Kritiker warfen Fujimori vor, diese de facto ans Ausland zu „verschenken“.

Seine Tochter steht jedenfalls für eine möglichst nahtlose Verlängerung der bestehenden Gesetze zugunsten der Rohstoffinvestoren sowie der auslaufenden Verträge. Schwerpunkte sind dabei Kupfer, Zink und Gold sowie Kohlenwasserstoffe. Aber auch die reichhaltigen Lithiumvorkommen in Peru sind nicht zuletzt für den Westen von Interesse.

Unterstützung erhält Fujimori von mehreren Parteien der Rechten, ebenso von der liberalen Acción Popular, der unter anderem der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa nahesteht.

Kongress lehnt vorgezogene Neuwahlen ab

Nach den Wahlen von 2021 hatte der Kongress den Präsidenten Castillo in zentralen Gesetzesvorhaben blockiert. Anfang des Monats wollte dieser einem Abwahlantrag durch Auflösung des Kongresses zuvorkommen. Das hierfür erforderliche Quorum an Unterschriften von Kongressabgeordneten legte er nicht vor.

Das Parlament ignorierte das – von der Verfassung in dieser Form auch nicht gedeckte – Vorgehen und setzte ihn ab. An seine Stelle wählte man die Anfang des Jahres aus Perú Libre ausgeschlossene Dina Boluarte.

Die Justiz geht seither gegen Castillo wegen des Verdachts der „Rebellion“ vor. Dessen Anhänger sprechen wiederum von einem „Putsch“ vonseiten des Kongresses. Tatsächlich hat auch dieser verfassungsmäßige Regeln missachtet. Für einen Misstrauensantrag wären mindestens 105 Unterschriften von 130 Abgeordneten erforderlich gewesen. Es stimmten jedoch nur 101 von ihnen für die Absetzung.

Boluarte rief die Bevölkerung unterdessen zur Ruhe auf und brachte einen Antrag ein, die Parlamentswahlen auf Dezember 2023 vorzuziehen. Der Kongress erteilte dem Vorhaben jedoch bereits eine Absage. Mit dem Ausnahmezustand ist nun unter anderem die Armee befugt, gegen Proteste vorzugehen.

(Mit Material von dpa und AFP)



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