Proteste gegen EU-Agrarpolitik: Bauern in Osteuropa laufen Sturm

Die Ukraine überschwemmt mit billigen Agrarprodukten den EU-Binnenmarkt. Das Problem ist von der Politik hausgemacht. Das Aussetzen der EU-Zölle hilft nicht der Ukraine, sondern vielmehr großen Lebensmittelkonzernen, meint ein polnischer Wirtschaftsexperte.
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Wie viele andere Landwirte in Europa protestieren auch die Landwirte aus Polen entschieden gegen die Beschlüsse der EU. Deblin, 24. Januar 2024.Foto: Janek Skarzynski/AFP via Getty Images
Von 21. Februar 2024

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Am Donnerstag (22. Februar) planen EU-Landwirte, gemeinsam gegen die EU-Agrarpolitik zu protestieren. Dieses Mal gehen die Demonstrationen von Verbänden in osteuropäischen Ländern wie Tschechien, der Slowakei, Polen, Ungarn, Litauen und Lettland aus. Landwirte anderer Länder sind dazu eingeladen, wie unter anderem „argarheute“ berichtete.

Die Bauern planen, zu den Grenzübergängen zu fahren; mehr dazu ist aktuell nicht bekannt. In der Vergangenheit blockierten Landwirte die Grenzübergänge zwischen Polen und der Ukraine schon mehrfach aus Protest gegen die ukrainischen Weizenimporte. Dabei schütteten sie auch Ladungen auf die Straßen. Auch in Rumänien hatten Landwirte die Grenzen immer wieder dichtgemacht.

Delegationen von Landwirtschaftsverbänden aus den sechs Ländern im Osten der EU forderten bei einem Treffen mit EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski letzte Woche (12. und 13. Februar) in Polen eine „sofortige Lösung“ für die aktuellen Probleme in der EU-Landwirtschaft, die in erster Linie durch die EU-Politik verursacht würden. Obwohl einige kleine Zugeständnisse gemacht wurden, sind die Landwirte nach wie vor unzufrieden.

Die Probleme der EU-Länder im Osten

Die osteuropäischen Landwirte haben aktuell mit drei großen Problemen zu kämpfen.

Erstens mit dem Preisdumping durch einen Überschuss an zollfreien landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine. Sie fordern, die im Jahr 2022 als Reaktion auf den Ukraine-Krieg ausgesetzten Zölle wieder einzuführen.

Zweitens mit verschärften Umweltauflagen durch den Green Deal in der EU. Die Neuregelungen würden die Produktionskosten drastisch erhöhen, wofür die Bauern entschädigt werden wollen.

Und drittens beklagen sie zu viel Bürokratie. Aus ihrer Sicht müsse die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU dringend vereinfacht werden.

Im Anschluss an das Treffen mit dem EU-Agrarkommissar letzte Woche rief Jan Doležal, Präsident der tschechischen Landwirtschaftskammer, zu einem gemeinsamen Protest gegen die existenziellen Bedrohungen gegen die EU-Politik auf, wie Euractiv.de berichtete.

Doležal sieht in dem Zusammenschluss der europäischen Landwirte die einzige Chance, „auf die verzweifelte Lage“ der europäischen Landwirtschaft aufmerksam zu machen und Druck auf die europäischen und tschechischen Politiker auszuüben. Er fordert Maßnahmen, die den Bauern auch tatsächlich helfen.

Der Ukraine-Krieg und seine Folgen

Bis zum Ausbruch des Ukraine-Krieges war der Hauptmarkt für den Getreidehandel der Ukraine Asien und Afrika. Die russische Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen brachte die Exporte des Landes allerdings zum Erliegen.

Nach Angaben von „S&P Global“ wurden im Jahr 2021, also vor Kriegsbeginn, 95,8 Prozent der Getreideernte nach Asien und Afrika exportiert. Nur rund 2,3 Prozent der Getreideexporte entfielen bis dahin auf die EU.

Als Reaktion auf die Blockade richtete die Ukraine alternative Routen über Häfen an der Donau sowie Transportrouten auf dem Landweg ein, die sie mit der EU verbinden, wie die polnische Denkfabrik Centre for Eastern Studies (OSW) berichtet.

Als die EU schließlich im Mai 2022 „alle Antidumpingzölle“ auf Ukraine-Importe abschaffte, war der europäische Markt für ukrainische Erzeugnisse frei. Diese Regelung wurde mittlerweile bis auf einige Ausnahmen für einige landwirtschaftliche Erzeugnisse um ein weiteres Jahr verlängert.

Der Preisdruck durch Konkurrenzprodukte aus der Ukraine trifft in der EU vor allem Bauern in Polen, Rumänien und Bulgarien. Diese Länder werden nun mit billigen Produkten aus der Ukraine überschwemmt, die jedoch nicht den strengen Umweltauflagen der EU unterliegen.

Der im August 2022 errichtete Schwarzmeerkorridor, eine unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen vereinbarte Seeverkehrsroute, konnte die Exporte der Ukraine laut OSW nur kurzfristig steigern, da sich Russland nach einem Jahr aus der Vereinbarung zurückzog.

Ein ukrainisches Schiff liegt am 21. August 2023 in Reni, Ukraine, auf der Donau vor Anker. Foto: Getty Images

Proteste in Tschechien

Am Montag kam es zu einer Protestkundgebung in Prag gegen die Agrarpolitik der Regierung und der Europäischen Union. Die tschechischen Bauern blockierten mit ihren Traktoren die Straßen der Stadt.

Die Veranstaltung wurde von der Vereinigung unabhängiger Gewerkschaften organisiert. Sie ist der zweitgrößte Gewerkschaftsbund im Land, der ungefähr 200.000 tschechische Bauern vertritt.

Mit dem sogenannten European Green Deal will die EU-Kommission Europas Landwirtschaft ökologischer und nachhaltiger machen. Für die Landwirte bedeutet es jedoch mehr Auflagen und weniger Einkommen.

„Unsere Proteste haben die gleichen Ziele wie die Proteste in anderen europäischen Ländern“, sagte der Organisator der Kundgebung, Milo Malý laut „Euronews“. „Uns gefällt der Green Deal nicht.“ Die europäische Agrarpolitik sei „äußerst restriktiv“ und für die Landwirte „verheerend“.

Ziel des europäischen Green Deal ist es, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bis 2050 sollen die Nettoemissionen der Treibhausgase in der EU auf null reduziert werden.

Dafür sind unter anderem auch Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft vorgesehen. So sollen die Bauern in Zukunft einen Teil ihres Landes brachliegen lassen.

Unlauterer Wettbewerb

Jakub Piecuch, Wirtschaftsprofessor an der Universität für Landwirtschaft in Krakau, Polen, erklärte gegenüber dem polnischen Medienunternehmen „Onet“, dass die zollfreie Einfuhr von ukrainischem Getreide nach Polen nicht die Ukrainer unterstütze, sondern vielmehr riesige ausländische Lebensmittelkonzerne.

Laut Piecuch gibt es in der Ukraine mehr als ein Dutzend riesiger Unternehmen, die verschiedene Lebensmittel, darunter auch Getreide, herstellen und die nicht im Besitz von Ukrainern, sondern mit deutschem, niederländischem oder nahöstlichem Kapital betrieben werden.

Abgesehen von der körperlichen Arbeit der Ukrainer in diesen Unternehmen profitiere das Land selbst nur wenig vom Getreideexport. Stattdessen würden die globalen Lebensmittelkonzerne „riesige Geldbeträge damit verdienen“.

Der stellvertretende ukrainische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Taras Kachka, wies die Kritik an den billigen Agrarexporten in die EU vor einer Gruppe von Reportern in Brüssel am 14. Februar zurück.

„Die ukrainischen Produkte schaden den Landwirten in der EU nicht“, sagte er. „Einige Länder“ versuchten, Kiews Lebensmittel zu „diskreditieren“, so der Handelsbeauftragte.

Polens stellvertretender Landwirtschaftsminister Michal Kolodziejczak erklärte am Montag gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, seine Regierung werde Qualitätskontrollen bei allen Getreidelieferungen aus der Ukraine durchführen.

Am selben Tag erklärte Polens Landwirtschaftsminister Czeslaw Siekierski gegenüber „TVP Info“, die Europäische Kommission habe „einen Fehler gemacht, indem sie den europäischen Markt zu sehr geöffnet hat.“ Insgesamt ist die Situation im Land angespannt, da die polnischen Bauern schon seit einiger Zeit die Grenzübergänge immer wieder blockieren.



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