EU verhängt weitere Sanktionen gegen Belarus nach erzwungener Flugzeuglandung

Die erzwungene Landung einer irischen Ryanair-Maschine und die Festnahme eines bekannten Exil-Oppositionellen hat in der EU für Empörung gesorgt. Präsident Lukaschenko wird Wahlbetrug und grobe Verstösse gegen die Menschenrechte vorgeworfen.
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Symbolbild: EU-Flagge.Foto: Michael Kappeler/dpa/dpa
Epoch Times24. Mai 2021

Nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Fliegers in Minsk und der Festnahme eines bekannten Exil-Oppositionellen drohen Belarus verschärfte Sanktionen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten sich am Montagabend bei ihrem Gipfel mit dem Vorfall befassen, der von einigen europäischen Ländern als „Staatsterrorismus“ und „Flugzeugentführung“ eingestuft wurde.

Wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom August 2020 sind bereits eine Reihe von EU-Sanktionen in Kraft. Der langjährige Machthaber Alexander Lukaschenko ließ sich davon aber bisher nicht beeindrucken.

Erzwungene Notlandung der Ryanair-Maschine

Die Ryanair-Maschine befand sich am Sonntag auf einem Flug von Athen nach Vilnius, als sie von einem belarussischen Kampfjet vom Typ MiG-29 unter dem Vorwand einer Bombendrohung zu einer Notlandung auf dem Flughafen Minsk gezwungen wurde.

Nach der Landung wurde der Regierungskritiker und ehemalige Chefredakteur des belarussischen Oppositionskanals Nexta, Roman Protasewitsch, und seine aus Russland stammende Freundin festgenommen.

Über Nexta waren nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden. Protasewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen.

Unternehmenschef Michael O’Leary sprach von einem beispiellosen Vorgang. „Ich denke, es ist das erste Mal, dass so etwas einer europäischen Airline passiert“, sagte er im irischen Rundfunk. „Es war eine staatlich geförderte Entführung.“ Er gehe auch davon aus, dass an Bord der Ryanair-Maschine Agenten des belarussischen Geheimdienstes KGB gewesen seien.

Vorfall löste Empörung aus – Belarus wies Vorwürfe zurück

„Dieser beispiellose Vorfall“ werde „nicht ohne Konsequenzen bleiben“, kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel an. „Dies ist ein weiterer offensichtlicher Versuch der belarussischen Behörden, alle Stimmen der Opposition zum Schweigen zu bringen“, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung im Namen aller EU-Mitgliedstaaten. Sie forderten die „sofortige Freilassung“ des 26-Jährigen. Ähnlich äußerte sich Amnesty International.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, „dass ein Flug zwischen zwei EU-Staaten unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung gezwungen wurde“, sei „ein gravierender Eingriff in den zivilen Luftverkehr in Europa“.

Belarus wies die Vorwürfe zurück. Die Behörden hätten völlig legal auf eine „Bombendrohung“ reagiert, erklärte das Außenministerium. „Es besteht kein Zweifel, dass die Handlungen unserer zuständigen Stellen den internationalen Regeln entsprachen.“ Das Ministerium warf dem Westen vor, den Vorfall mit Hilfe „unbegründeter Anschuldigungen“ politisch zu instrumentalisieren.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Gipfeltreffen über schärfere Sanktionen gegen Belarus beraten. Wegen Menschenrechtsverletzungen sind bereits EU-Sanktionen gegen rund 90 Verantwortliche in Belarus in Kraft, auch gegen den seit 1994 autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko.

Dieser hatte die Wahl vom 9. August nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Opposition warf dem zweieinhalb Jahrzehnte regierenden Präsidenten Wahlbetrug vor. Gegen daraufhin folgende Massendemonstrationen ließ Lukaschenko seine Sicherheitskräfte mit brutaler Gewalt vorgehen. Tausende Menschen wurden festgenommen.

EU verhängt bereits 4. Sanktionspaket gegen Lukaschenko

Schon vor dem Ryanair-Vorfall war bereits ein viertes Sanktionspaket der EU in Arbeit. Es zielt laut Diplomaten auf rund 40 weitere Verantwortliche für das Vorgehen gegen die Opposition. Geplant war eine Verhängung im Juni. Unabhängig von der Präsidentschaftswahl gilt zudem schon seit einem Jahrzehnt ein Waffenembargo gegen Belarus und ein Exportverbot für Güter, die zur Unterdrückung der Bevölkerung verwendet werden können.

Die ersten Sanktionen gegen Lukaschenkos wurden im letzten Jahr kurz nach seiner Wahl verhängt. Die EU erkannte Lukaschenkos Wiederwahl nicht an. Schon im August beschlossen die EU-Außenminister im Grundsatz Sanktionen. Doch es folgte eine monatelange Hängepartie.

Zypern verhinderte einen notwendigen einstimmigen Beschluss, weil es gleichzeitig neue Strafmaßnahmen gegen die Türkei wegen Erdgasbohrungen im Mittelmeer forderte. Erst im Oktober wurde deshalb ein erstes Sanktionspaket verabschiedet. Es richtete sich gegen 40 Verantwortliche für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten.

Sanktionen gegen hochrangige Vertreter des Staats und der Sicherheitskräfte

Angesichts der anhaltenden Gewalt gegen Demonstranten beschloss die EU im November ein zweites Sanktionspaket. Es traf Lukaschenko selbst, seinen Sohn Viktor sowie 13 hochrangige Vertreter des Staates und der Sicherheitskräfte. Wie schon bei den anderen Betroffenen wurde ihnen die Einreise in die Europäische Union fortan untersagt, mögliche Konten in der EU wurden eingefroren.

Ein drittes Sanktionspaket vom Dezember umfasste auch zwei Lukaschenko nahestehende Unternehmensbosse: den Eigentümer der Amhodor-Holding, Alexander Schakutsin, und Mikalai Warabei, Miteigentümer der Bremino-Gruppe. Erstmals wurden auch sieben Unternehmen auf die Sanktionsliste gesetzt: Sie sind in den Bereichen Rüstung, Immobilien, Videoüberwachung, Polizeifahrzeuge und -ausrüstung tätig. EU-Firmen wurden fortan Geschäfte mit ihnen untersagt.

Fazit über die Wirkung der bisherigen Sanktionen

Bis heute hat die EU damit 88 Belarussen und sieben staatsnahe Unternehmen mit Sanktionen belegt. Zu einem Kurswechsel brachte dies Lukaschenko nicht. „Wenn man keine engen wirtschaftlichen Beziehung zu einem Land hat, gibt es wenig Optionen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Dezember der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die EU wolle schließlich nicht die gesamte Bevölkerung des Landes bestrafen. Also bleibe nur das Mittel der Diplomatie. (afp)



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