Tunesien: Weniger als neun Prozent beteiligen sich an Parlamentswahlen

Bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung fanden in Tunesien Parlamentswahlen statt. Nur 8,8 Prozent der Stimmberechtigten gingen wählen.
Ein Mann taucht seinen Finger in Tinte bei seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal für die tunesischen Parlamentswahlen 2022.
Ein Mann taucht seinen Finger in Tinte bei seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal für die tunesischen Parlamentswahlen 2022.Foto: Khaled Nasraoui/dpa
Von 19. Dezember 2022

Die Nationale Heilsfront, das wichtigste Oppositionsbündnis in Tunesien, hat Präsident Kais Saied zum Rücktritt aufgefordert. Bei den Parlamentswahlen, die am Samstag, 17. Dezember, stattgefunden hatten, gaben der zentralen Wahlbehörde zufolge nur 803.638 ihre Stimme ab. Das entsprach einer Wahlbeteiligung von 8,8 Prozent.

Parlament in Tunesien seit Juli 2021 aufgelöst

Wie die BBC berichtet, sprach der Chef des Oppositionsbündnisses, Nejib Chebbi, von einem „Fiasko“ und rief zu Massenprotesten auf. Diese sollten auf baldige Präsidentenwahlen gerichtet sein. Politische Beobachter führen die geringe Wahlbeteiligung unter anderem auf einen Aufruf zum Wahlboykott zurück.

Diesem hatten sich neben den meisten Oppositionsparteien zuletzt auch die Gewerkschaften angeschlossen. Am Ende kandidierten in den meisten Stimmkreisen lediglich weitgehend unbekannte Einzelkandidaten. In einigen Bezirken fanden sich überhaupt keine Kandidaten, die sich zur Verfügung gestellt hätten.

Seit Juli 2021 gibt es in Tunesien kein funktionsfähiges Parlament mehr. Präsident Saied hatte dieses aufgelöst.

Nur 27,5 Prozent beteiligten sich an Verfassungsreferendum

Der 64-Jährige rechtfertigte seinen Schritt mit der Notwendigkeit, einen „Kreislauf aus politischer Lähmung und wirtschaftlichem Verfall“ zu durchbrechen. Er bemühte sich fortan, sich als starke Führungspersönlichkeit im Kampf gegen Korruption, Wirtschaftskrise und eine behauptete Bedrohung durch die Muslimbruderschaft darzustellen. Die Partei Ennahda, die aus deren Reihen hervorgegangen war, hielt zu diesem Zeitpunkt die Parlamentsmehrheit.

Außenpolitisch erhält Saied unter anderem von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten Rückendeckung. Staaten wie die Türkei oder Katar sprechen demgegenüber von einem „Putsch“ und sehen Saied als illegitimen Machthaber.

Ein Jahr nach der Auflösung des Parlaments setzte der Staatschef ein Verfassungsreferendum an, das die Präsidialmacht stärken sollte. Die Vorlage konnte 90 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 27,5 Prozent.

Revolte in Tunesien bildete Startschuss zu Arabischem Frühling

Tunesien war 2011 der Ausgangspunkt des sogenannten Arabischen Frühlings. Damals führte die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers zu landesweiten Unruhen. Am Ende stand eine Flucht des autoritär regierenden Langzeitpräsidenten Zine el-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien und eine neue Verfassung.

Der Revolte in Tunesien schlossen sich ähnliche Ereignisse in anderen arabischen Staaten an, die zuvor von autoritär-nationalistischen Machthabern regiert worden waren. Außenstehende Mächte von den USA über die EU und Russland bis hin zur Türkei und den Golfmonarchien sahen im Arabischen Frühling eine Chance zur Neuordnung der Region.

In den meisten Ländern blieb die Lage jedoch instabil. Libyen, Syrien und der Jemen schlitterten sogar in Bürgerkriege, die bis heute andauern. In Ägypten beseitigte ein Militärputsch 2013 die erst ein Jahr zuvor gewählte zivile Regierung.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion