Wärmepumpen: Italienische Steuermilliarden für Geisterstädte

Staatskasse des südeuropäischen Landes mit zusätzlichen 110 Milliarden Euro belastet. Betrüger kassieren für die Ausstattung von „Geisterstädten“. Staatschefin Meloni hat nun die Notbremse gezogen.
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Wärmepumpen und Italien – das passt offenbar nur schwer zusammen, weil mehr als zwei Drittel der Häuser im Land älter als 50 Jahre alt sind. Das Symbolbild zeigt Simione am Gardasee.Foto: iStock
Von 14. Juni 2023

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Nachdem in Italien ein Förderprogramm für Wärmepumpen für einen künstlich erzeugten Investitionsboom gesorgt hat, ist der Markt nun eingebrochen. Das berichtet der „Focus“. Die Fördermittel aus Rom sind aufgebraucht, der Nutzen für den Klimaschutz ein zweifelhafter, schreibt das Magazin. Was dort passiert ist, könne hierzulande ein Lehrstück „für manchen Heizungspolitiker“ sein.

Conte-Regierung wollte 2020 Bauaktivität beleben

Wirtschaftsstimulus und Klimaschutz mit einem Handstreich durch den „Superbonus 110 Prozent“: Auf diese Weise wollte die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Giuseppe Conte 2020 die Bauaktivität in seinem Land wiederbeleben. Gleichzeitig wollte er Häuser mit effizienteren Heizungen ausgestattet sehen.

Wer in die Modernisierung von Gebäuden investierte, der hatte Aussichten auf großzügige Steuervergünstigungen. Entweder konnten Hausbesitzer die Renovierungskosten über einen Zeitraum von fünf Jahren von ihrer Steuererklärung abziehen oder sie an den Bauunternehmer weiterleiten und sofort einen Rabatt auf ihre Rechnung bekommen.

Damit wollte Conte erreichen, dass Hunderttausende finanzschwache Immobilienbesitzer ihre vier Wände modernisieren konnten. Sie mussten oft keinen Cent dazubezahlen. Die Betriebe bekamen wiederum nicht nur Aufträge, sondern auch die Möglichkeit, über Jahre hinweg Steuern zu sparen. Auch konnten sie wahlweise die Rechnung an eine Bank weiterverkaufen.

Monatelanges Warten auf Handwerker

Die 110 Prozent waren anstel­le von 100 Prozent einge­führt worden, weil bei jeder Trans­ak­ti­on ein Betei­lig­ter für entspre­chen­de Kommis­sio­nen die Hand aufhielt, so der „Focus“ weiter. Und auch das deckte der Staat ab.

Der Geldregen hat im Land eine ungewohnt starke Modernisierungswelle ausgelöst. Mit der Folge, dass Italiener monatelang auf einen Handwerker warten mussten. Eine halbe Million Wärmepumpen haben sie 2022 installiert. Damit liegt Italien europaweit an der Spitze. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Zeitraum nur knapp die Hälfte.

„Der Markt ist mit unheimlicher Kraft nach oben gegangen“, sagte Stefano Negri, Marketing-Chef von Mitsubishi Electric in Italien. Allerdings sei der Klimaeffekt sehr umstritten. Denn die wenigsten der eingebauten Wärmepumpen seien dazu geeignet, die Häuser allein heizen.

Der Schwerpunkt liege bei den Südeuropäern bei Klimageräten, die durch Luftaustausch sowohl kühlen als auch aufwärmen können. Die Anlagen arbeiten im Zusammenspiel mit einer Gasheizung.

Die Gasbrenner sorgen an kalten Tagen für Warmwasser und angenehme Temperaturen in Wohnräumen, wenn die Wärmepumpen das nicht mehr leisten können.

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Neue Gasheizungen gleich mitinstalliert

Üppige Subventionen gab es auch für diese Kombination, denn kaum ein Italiener wollte sich ganz von seiner Gasheizung verabschieden. Für die alternative Technik sind nämlich vor allem die Gebäude in den mittelalterlichen Stadtkernen nicht geeignet.

Zwei Drittel des italienischen Wohnungsbestandes sind älter als 50 Jahre. Neue Häuser entstehen auf dem Land kaum. Daher wundert es auch nicht, dass im vergangenen Jahr eine Million Gasheizungen neu installiert wurden, die der Superbonus dann gleich mitfinanziert hat.

Das System der Bonusbeschaffung öffnete auch Tür und Tor für „findige Italiener“, die nicht die Häuser, sondern auch ihre eigenen Kassen sanierten. Bis die aktuelle Regierungschefin Giorgia Meloni dem Ganzen einen Riegel vorschob, gab es praktisch keine Kontrollen.

Potemkinsche Dörfer mit 2.411 Häusern

Tatsächlich entstanden plötzlich „Geisterdörfer“, die dem Staat die Sanierungsarbeiten vorgaukelten. In Wahrheit wurde aber kein Stein bewegt, keine Schraube fest angezogen. Im vergangenen Frühjahr deckte die Finanzpolizei Betrügereien in Höhe von 3,2 Milliarden Euro auf.

Die Urheber von Anträgen erfanden beispielsweise Gemeinden rund um das süditalienische Avellino. In diesen „Potemkinschen Dörfern“ warteten angeblich 2.411 Häuser auf eine Sanierung.

In Norditalien entlarvten Fahnder mehrere Unternehmen, die Dutzende Millionen Euro an Steuerboni für energetische Fassadensanierungen abgerechnet hatten.  Dabei wären sie gar nicht in der Lage gewesen, diese Arbeiten auszuführen. Die Regierung in Rom geht mittlerweile davon aus, dass fast jeder zehnte Euro aus dem Subventionsprogramm erschlichen wurde.

Mehr Geld für Sanierung als für Bildung

Und weil keiner zum Vergleich Kostenvoranschläge eingeholt hat, war eine Preisexplosion bei Geräten und Firmenleistungen die Folge. Die Rechnungen beglich die Staatskasse. Verschiedene Bauförderprogramme haben so seit 2020 ein zusätzliches Loch von mehr als 110 Milliarden Euro gerissen.

65 Milliarden flossen allein 2020 in die Sanierung von Immobilien. Das ist mehr Geld, als der Staat für die Bildung ausgibt – von den Kindergärten bis zu den Universitäten.

Angesichts von Gesetzeslücken und einer klammen Staatskasse hat die Regierung von Meloni das Programm nun eingedampft.

Das sorgt für reichlich Ärger. So schätzt die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“, dass derzeit Projekte im Volumen von 32 Milliarden Euro vom Stopp betroffen sind. Investoren harren einer neuen Rechtsgrundlage, um doch noch die Modernisierung der italienischen Immobiliensubstanz umzusetzen.

Das dürfte nicht so einfach sein, denn aus Brüssel kam dieser Tage die Warnung, dass aus dem Wiederaufbauprogramm der EU nur dann neues Geld fließt, wenn Rom für transparente Ausgaben sorgt.



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