Desaster auf dem Baumarkt: Mieterbund warnt vor dramatischem Wohnungsnotstand

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland ist dramatisch. Gut 700.000 Wohnungen fehlen. Nach Angaben des Deutschen Mieterbundes wird die Lage „immer dramatischer“. Die Politik müsse endlich liefern – bisher bleibt sie aber weit hinter ihren Versprechungen zurück. Das hat Folgen.
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Der Wohnungsbau bleibt weit hinter den Versprechungen zurück.Foto: Jörg Carstensen/dpa/dpa
Von 15. Januar 2023

Der Deutsche Mieterbund warnt vor massiven Verwerfungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt. „So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels lange nicht mehr geschrillt“, sagte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten den Zeitungen der Funke Mediengruppe in ihrer Donnerstagsausgabe. Wer gehofft hat, dass sich der Wohnungsmarkt in absehbarer Zeit entspannen könnte, dem nimmt Siebenkotten alle Hoffnungen. Die Situation werde „immer dramatischer“.

Der Präsident des Mieterbundes erwartet in diesem Jahr ein „sehr hartes Jahr für Mieterinnen und Mieter“. Von Bund und Ländern erwartet Siebenkotten, dass diese anfangen, das Ruder herumzureißen. Sonst erleben wir alle ein ungeahntes Desaster auf dem Wohnungsmarkt.

Jede nicht gebaute Wohnung erhöht Druck

Die Situation ist tatsächlich angespannt. Im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ hat das Hannoveraner Pestel-Institut und das Kieler Bauforschungsinstitut „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ eine Studie erstellt. Laut dieser fehlen in diesem Jahr mehr als 700.000 Wohnungen. Damit erwarten die Fachleute das größte Wohnungsdefizit seit 30 Jahren.

Das Bündnis „Soziales Wohnen“, dem neben dem Mieterbund auch Verbände des Bauwesens und die IG Bauen-Agrar-Umwelt angehören, forderte die Politik auf, ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro aufzulegen. Mit den Mitteln solle der Kollaps auf dem sozialen Wohnungsbau-Markt abgewendet werden, teilte die Initiative in Berlin mit. Rund drei Viertel der Gelder solle der Bund aufbringen, den Rest die Länder. Neben dem Sondervermögen müsse die Regierung die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau von 19 auf sieben Prozent senken. Es brauche außerdem mehr Tempo bei der Bearbeitung von Förderanträgen – was auch mit der mangelnden Digitalisierung der kommunalen Behörden zusammenhänge – sowie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Bündnis kritisierte weiter, dass im vergangenen Jahr nur 20.000 Sozialwohnungen fertiggestellt worden seien. Angekündigt habe die Ampel-Koalition 100.000.

Zustimmung kam vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. „700.000 fehlende Wohnungen belegen schwarz auf weiß, was die Bauwirtschaft in den letzten Monaten deutlich in den Auftragsbüchern sieht: Es wird zu wenig Wohnraum für die Menschen geschaffen.“, so Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Das sei nicht nur dramatisch, sondern jede nicht gebaute Wohnung erhöhe den Druck auf die Bürgerinnen und Bürger, die händeringend nach einem bezahlbaren Zuhause im kostengünstigen Segment suchen.

„Die Studie muss eine letzte Warnung an die Politik sein, endlich zu handeln und der Wohnungswirtschaft Vertrauen für neue Investitionen zu geben.“, so Müller weiter. Nur mit einem Mehr an Wohnungen lasse sich die spannungsgeladene Lage auf dem Mietmarkt lösen. Der Vertreter der Baubranche forderte weiter von der Politik „nun auf die Tube zu drücken.“ Es brauche schnellstmöglich eine verlässliche Förderkulisse und alle Signale auf Grün beim industriellen, seriellen Bauen, um die hohe Anzahl an fehlenden Wohnungen kosteneffektiv und zügig zu erreichen. 700.000 Wohnungen, das wäre das Ergebnis von fast drei Baujahren. Das müsse jetzt schneller gehen.

Bundesregierung scheitert an selbst gesteckten Zielen

Die Ziele der Regierung waren von Anfang an sehr hochgesteckt. 400.000 neue Wohnungen sollen jährlich neu gebaut werden, darunter 100.000 öffentlich geförderte – also sogenannte Sozialwohnungen. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das im Wahlkampf versprochen, weil er sicherstellen wollte, dass jeder und jede eine bezahlbare Wohnung findet. So richtig möchte aber niemand an die Erreichung der Ziele glauben.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte im Dezember bei der Regierungsbefragung durch den Bundestag zugeben müssen, dass die Ziele 2022 verfehlt wurden. „Die Rahmenbedingungen sind schwierig“, begründete die Ministerin damals das Verfehlen des gesteckten Ziels. Man müsse die Kapazitäten ausweiten. Selbst im Jahr 2021, als es noch keinen Krieg gegeben habe, die Zinsen historisch niedrig gewesen seien und „ganz, ganz viel Geld in die Neubauförderung gesteckt“ worden sei, sei das Neubauziel des damaligen Bauministers Horst Seehofer (CSU) von 375.000 Wohnungen mit weniger als 300.000 Wohnungen verfehlt worden.

Im vergangenen Jahr, darauf wird in der Baubranche schon seit Monaten hingewiesen, werden es nicht einmal die 300.000 Wohnungen sein. Nach Schätzungen des Baugewerbes könnten es im letzten Jahr etwa 280.000 Wohnungen geworden sein. In diesem Jahr könnte der Wohnungsbau noch nicht einmal 245.000 Wohnungen erreichen.

Inzwischen hat Bundesbauministerin Klara Geywitz die Kritik des Bündnisses Soziales Wohnen an ihrer Wohnungsbaupolitik zurückgewiesen. Die von Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden vorgelegte Studie zum Fehlen von Sozialwohnungen beziehe sich auf das Jahr 2021 und damit auf die Arbeit der Vorgängerregierung, sagte Geywitz am Donnerstag bei „ZDFheute live“. Diese Zahlen zu verwenden, sei „ein Stück weit unseriös“.

Mietpreise ziehen deutschlandweit an

Die Lage am Markt für Mietwohnungen spitzt sich daher zu. Zu viele Interessenten treffen schon heute auf ein zu kleines Angebot. Das Ergebnis sind steigende Mieten. Schaut man sich die Prognosen an, dann dürften diese in Zukunft noch mehr nach oben gehen.

Die Erhöhung der Hypothekenzinsen, die vor gut einem Jahr begann, habe dazu geführt, dass sich immer weniger Menschen Wohnungseigentum leisten können. Das Baugeld verteuerte sich von 1,0 auf zuletzt 3,8 Prozent. Das bedeutet, dass die Finanzierungskosten für eine Immobilie schnell um einige Hundert Euro im Monat gestiegen sind. Viele Menschen nehmen daher erst einmal Abstand von ihrem Immobilientraum. Sie drängen nun in den schon angespannten Mietmarkt.

Nach Erhebungen des Onlineportals „ImmoScout24“ zogen die durchschnittlichen Angebotsmieten im dritten Quartal im Bundesdurchschnitt um rund drei Prozent an. Gespürt haben das vor allem die sieben Metropolen Deutschlands. Hier sind die Mieten in den letzten Jahren schon enorm gestiegen. Im November letzten Jahres lagen die Mietpreise dort überall höher als im Vorjahreszeitraum.

Quadratmeterpreise bei der Neuvermietung von Bestandswohnungen steigen laut ImmoScout24 in Düsseldorf erstmalig über 11 Euro, in Frankfurt am Main über 13 Euro und in München über 17 Euro. Doch nicht nur die Metropolen sind betroffen: Deutschlandweit wurden Bestandswohnungen durchschnittlich 2,9 Prozent teurer angeboten. Im Bundesdurchschnitt sind Bestandswohnungen in der Neuvermietung im dritten Quartal für 7,88 Euro pro Quadratmeter im Angebot.

Bei Neubauwohnungen ist die Situationen in Metropolen ähnlich. In Köln und Düsseldorf überschreiten die aufgerufenen Mietpreise für Neubauwohnungen die Marke von 13 Euro und in München sogar von 20 Euro pro Quadratmeter. Deutschlandweit liegt die Preisentwicklung im dritten Quartal bei einem Plus von 2,5 Prozent. Neubauwohnungen werden im Durchschnitt für einen Mietpreis von 10,85 Euro pro Quadratmeter bei ImmoScout24 inseriert.

Höhere Mietpreise auch in ländlichen Regionen

Nicht nur Metropolen haben mit erhöhten Preisen zu kämpfen. In ländlichen Regionen schlagen die Mietkosten gerade noch höher durch. Das Immobilienportal hat hier eine Steigerung bis zu 10 Prozent festgestellt. Das hängt damit zusammen, dass viel dieser Regionen keine Mietpreisbremse haben. Die regelt, dass Vermieter bei Neuvermietung höchstens zehn Prozent auf die ortsübliche Vergleichsmiete draufschlagen dürfen.

Da sich die Zahlen von „ImmoScout24“ auf im Portal inserierte Immobilien und Mietwohnungen beziehen, kann es hier durchaus zu Verzerrungen kommen. So können in einer Stadt beispielsweise überdurchschnittlich viele Neubauwohnungen angeboten werden, die in der Tendenz teurer sind. Trotzdem lässt sich feststellen, dass sich die Tendenz zeigt, dass Mietpreise anziehen.

Der Immobilienmarkt verändert sich daher gerade nachhaltig. Viele Jahre waren die Kaufpreise deutlich schneller gestiegen als die Mieten. Hier hat das billige Geld der Notenbank eine entscheidende Rolle gespielt. Wegen der hohen Kaufpreise war die Vermietung – gerade in den Metropolen – unattraktiv. Die Mietrenditen waren einfach zu niedrig. Das ändert sich gerade. Es sind wieder Preisrückgänge bei Immobilien zu verzeichnen. Gleichzeitig steigen die Mieten.

Keine Fachkräfte bei „horrend hohen Mieten“

Der Ukraine-Krieg hat den Wohnungsmarkt im vergangenen Jahr durch den hohen Zuzug von Menschen laut der Studie des Pestel-Institut und der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ noch einmal belastet. Aber auch die gestiegenen Investitionskosten und der damit zusammenhängende Einbruch von Bautätigkeiten hätten sich negativ ausgewirkt.

Die IG BAU wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es einen Widerspruch zwischen den Zielen der Bundesregierung, mehr Fachkräfte anzuwerben und der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt gäbe. „Wohnen und Arbeiten – das gehört zusammen. Keiner wird kommen, wenn er hier nicht oder nur zu horrend hohen Mieten wohnen kann“, sagte Vize-Gewerkschaftschef Harald Schaum den Funke-Zeitungen.



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