Amnesty International: Versammlungsgesetz in Hessen „ein Schlag gegen die Versammlungsfreiheit“

Der Hessische Landtag verabschiedet das schwarz-grüne Regelwerk gegen die Stimmen der Opposition. Linke sorgen mit Pappschildern für Eklat und kündigen Klage vor dem Staatsgerichtshof an.
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Die hessische Polizei erhält durch das neue Versammlungsgesetz zu viele Eingriffsrechte, sagen Kritiker.Foto: iStocks/SL
Von 22. März 2023

Von einem Eklat begleitet war die Verabschiedung eines neuen Versammlungsgesetzes im Hessischen Landtag. Die umstrittene Drucksache hatte die Koalition aus CDU und Grüne eingebracht und mit ihrer Mehrheit verabschiedet. SPD, AfD, Linkspartei und FDP stimmten gegen den Entwurf.

Die Abgeordneten der Linken hielten für einige Sekunden rote Pappschilder mit dem Aufdruck „Grundrechte schützen, Versammlungsgesetz stoppen“ in die Höhe. Die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags untersagt solche Proteste im Plenarsaal allerdings. Dies berichtete unter anderem die „Frankfurter Rundschau“ auf ihrer Internetseite.

Als „klare Missachtung der parlamentarischen Regeln“ kritisierte Holger Bellino, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, die Aktion. Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) kündigte eine Rüge an und sagte, der Vorfall werde den Ältestenrat des Landtages beschäftigen. Es erfülle sie mit Sorge, wenn gemeinsam verabredete Spielregeln nicht eingehalten würden.

Verfassungsrechtliche Schwächen

Verschiedene Regelungen, wie etwa die Paragraphen 15 bis 17 geben der Polizei künftig erhebliche Handlungsspielräume. Sie reichen vom Ausschluss einzelner Personen von einer Kundgebung über die Identitätsfeststellung bis hin zur Erlaubnis, Filmaufnahmen von Versammlungen anzufertigen.

War während der Corona-Krise das Vermummungsverbot aufgehoben, um das Tragen von Masken zu legitimieren, kann nun schon ein einfacher Schal, der bei Kälte Teile des Gesichts verdeckt, Grund für einen Verstoß sein (Paragraph 18).

Der Rechtsprofessor Dr. Clemens Arzt bescheinigte dem Gesetzentwurf in einer Sachverständigenanhörung einige „verfassungsrechtliche Schwächen“ und listete in seinem Gutachten eine Reihe von Paragraphen auf. So monierte er unter anderem, dass es keine reinen Übersichtsaufnahmen mehr gebe. Man könne alles „heranzoomen und herausdestillieren“.

Diese Übersichtsaufnahmen seien daher ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es sei durch die Videoüberwachung von Demonstrationen nicht mehr gewährleistet. Eine „sehr hohe Abschreckungswirkung“ könne die Folge sein. Grundsätzlich sei ein solcher Gesetzentwurf jedoch als „grundrechtsstärkend zu begrüßen“, sagte Arzt.

Gesetz „stark mit polizeilichem Blick“ geschrieben

Michèle Winkler, beim Verein „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ Expertin für Versammlungsrecht, hatte den Vorstoß der hessischen Landesregierung in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ kritisiert. Unter anderem sagte sie, dass das Gesetz „sehr stark mit polizeilichem Blick geschrieben“ sei. Es dürfe Teilnehmer ausschließen oder Ordner ablehnen, denn die Versammlungsleitung muss in bestimmten Fällen Daten und Namen von Ordnen nennen. „So wird das demokratische Wesen einer Demonstration zugunsten der Gefahrenabwehr gestutzt“, betonte sie.

Amnesty International Deutschland kommentierte das neue Gesetz auf „Twitter“ als „Schlag gegen die Versammlungsfreiheit“.

Beuth: Gesetz fördert Versammlungsfreiheit

„Ein zukunftsweisendes und ein modernes Gesetz“ nannte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) das Regelwerk im Verlauf der zweiten Lesung am Dienstag, 21. März. Aus seiner Sicht fördere es die Versammlungsfreiheit. Auch schaffe es rechtliche Klarheit für Teilnehmer von Demonstrationen und Behörden. Die Kritik aus der Opposition nannte Beuth „überwiegend falsch“.

Lukas Schaude (Grüne) betonte, dass die Versammlungsfreiheit nicht eingeschränkt werde. Vielmehr verbessere das Gesetz den Schutz von Journalisten und den Datenschutz bei von der Polizei gefilmten Versammlungen.

Kritik gab es aus der Opposition. SPD, Linke und FDP kritisierten unisono, dass das Gesetz die Versammlungsfreiheit einschränke, anstatt sie zu gewährleisten. Daher kündigte die Linkspartei Klage vor dem Hessischen Staatsgerichtshof an. Der Abgeordnete Torsten Felstehausen sagte, Demonstrationen seien eine „demokratische Urgewalt“, die nicht beschnitten werden dürfe.

Aus Sicht der Sozialdemokratin Heike Hofmann bekommt die Polizei zu viele Eingriffsrechte bei Demonstrationen. Der FDP-Abgeordnete Thomas Schäfer monierte, dass die Polizei Videos von Versammlungen anfertigen und unter bestimmten Voraussetzungen auch speichern dürfe.

Der AfD-Abgeordnete Dirk Gaw sagte, die Vorhaben der Landesregierung seien gut gemeint, aber handwerklich schlecht gemacht.

Das Versammlungsfreiheitsgesetz löst für Hessen das Versammlungsgesetz des Bundes ab. Es tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. In den vergangenen Wochen hatte es mehrere Demonstrationen gegen das Regelwerk gegeben.



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