Ampel beschließt Klimaschutzprogramm: Deutsche Umwelthilfe spricht von „Verrat“

Am Mittwoch hat das Kabinett ihr schon für 2021 angekündigtes Klimaschutzprogramm beschlossen. Umweltpolitische Kreise nehmen der Ampel den Verzicht auf einige Maximalpositionen übel. Die Deutsche Umwelthilfe droht bereits Klagen an.
Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Kabinettssitzung im Kanzleramt.
Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Kabinettssitzung im Kanzleramt. Archivbild.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 5. Oktober 2023

Ursprünglich hatte die Ampelkoalition vorgehabt, ihr ambitioniertes Klimaschutzprogramm bereits zeitnah nach ihrem Regierungsantritt zu beschließen. Für alle Sektoren und die Wirkungsbereiche fast aller Ministerien sollte es Detailangaben dazu geben, wie man das jeweilige Klimaziel für 2030 erreichen will. Am Mittwoch, 4. Oktober, hat das Kabinett den Endentwurf gebilligt – und damit den Zorn der Deutschen Umwelthilfe und anderer NGOs auf sich gezogen.

Heizungsgesetz und Effizienzvorgaben in ihrer Urfassung nicht durchzuhalten

Der Grund dafür ist, dass im Zeichen von Inflation und zunehmenden Belastungen für die Bürger die Akzeptanz großer Klimaziele auch in Deutschland nachgelassen hat. Dies zeigt sich nicht nur an der massiv gestiegenen Sparneigung der Privathaushalte. Auch immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktion aufgrund der hohen Energiepreise. Die Ampel hinkt zudem ihrem Wohnbauziel hinterher, weil der Bau von Häusern und Wohnungen zu teuer und mit zu vielen Unsicherheiten verbunden ist.

Deshalb hatte die Ampel zuletzt in mehreren Bereichen zurückgerudert. Das sogenannte Heizungsgesetz, das bis in die Koalition selbst für Wirbel gesorgt hatte, erfuhr eine Modifizierung. Nun soll es erst eine kommunale Wärmeplanung geben, bevor es in Kraft tritt, es wurde technologieneutraler formuliert und auch die Förderungen hat man angepasst.

Auch bei der Energieeffizienz hat die Bundesregierung dem Realitätsschock Rechnung getragen. Eine im Zusammenhang mit dem jüngst abgehaltenen Wohnungsgipfel beschlossene Maßnahme war der Verzicht auf den Neubaustandard EH40. Stattdessen hält man den seit Jahresbeginn geltenden EH55-Standard im Hinblick auf den Primärenergiebedarf für ausreichend. Explizit verweist man im Kontext des EH40 auf die „schwierigen Rahmenbedingungen in der Bau- und Wohnungswirtschaft“.

Klimaschutzprogramm mit vielen offenen Fragen

Neben dem Heizungsgesetz benennt die Ampel auch den Ausbau erneuerbarer Energien und das Deutschlandticket im Nahverkehr als wesentliche Säulen ihres Klimaschutzprogramms.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, mit dem Paket könne die Bundesregierung die „zu Amtsbeginn festgestellte Klimaschutzlücke zu 80 Prozent“ schließen. Deutschland strebt aufgrund internationaler Verpflichtungen eine Senkung seines Treibhausgasausstoßes bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 an. Derzeit stehe man bei rund 40 Prozent.

Was den Ausbau der Erneuerbaren anbelangt, ist die Ampel jedoch zum Teil aus den eigenen Reihen mit Kritik konfrontiert. So vermissen nicht nur Ökonomen und Verbände, sondern beispielsweise auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Tempo beim Ausbau der Stromnetze.

Ob das Deutschlandticket für den ÖPNV in seiner jetzigen Form bestehen bleiben kann, ist ebenfalls noch offen. Eine Erhöhung der Ticketpreise erscheint als denkbar. Die Finanzierung der Schadloshaltung der Verkehrsunternehmen für Mindereinnahmen durch Bund und Länder ist weiter ungeklärt.

Deutsche Umwelthilfe wirft Ampel Verstoß gegen Klimaschutzgesetz vor

Schwere Geschütze fährt demgegenüber die Deutsche Umwelthilfe auf. Deren Vorsitzender Jürgen Resch spricht mit Blick auf das Klimaschutzprogramm von einem „Verrat an zukünftigen Generationen“. Diesen werde man „nicht hinnehmen“. Auf X kündigt der Verein an, mit „Klimaklagen“ vorgehen zu wollen, um die Bundesregierung zu „notwendigen Klimaschutzmaßnahmen“ zu zwingen.

Greenpeace warf der Ampel vor, den bereits im August dargestellten Kritikpunkten des „Expertenrats für Klimafragen“ nicht Rechnung getragen zu haben.

Klimaschutzprogramm nur noch sektorenübergreifend – und prognostisch ausgerichtet

Dieser hatte erklärt, die Bundesregierung werde mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre selbst gesetzten Klimaschutzziele deutlich verfehlen. Zudem rechne man sich die eigenen Erfolgsaussichten schön. Die Lücke zwischen dem Reduktionsziel der Bundesregierung bis 2030 und der tatsächlichen Verringerung werde sich zwischen 2021 und 2030 auf etwa 200 Millionen Tonnen an CO₂-Äquivalenten belaufen.

Auch wenn der Bund sein Klimaschutzprogramm komplett umsetze, werde dies die Treibhausgasemissionen weniger stark als erwartet absenken. Das Umweltbundesamt selbst geht „table.media“ zufolge von einer Gesamtlücke von 331 Millionen Tonnen bei allen potenziell klimawirksamen Treibhausgasen aus. Dies geht aus dem Projektionsbericht der Behörde für 2023 hervor.

Kritik gab es auch für die Entscheidung der Bundesregierung, nur noch ein sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm vorzulegen. Es ist sogar geplant, das Klimaschutzgesetz über den Bundestag zu ändern. Damit will man von den verbindlichen Jahresemissionsmengen für einzelne Sektoren wie Energie, Gebäude, Verkehr oder Landwirtschaft Abstand nehmen. Stattdessen solle nur noch eine sektorübergreifende und in die Zukunft gerichtete Überprüfung erfolgen.

Zuletzt hatten auch Schweden und Großbritannien erklärt, von zu ambitionierten Detailplänen im Bereich des Klimaschutzes abgehen zu wollen. In beiden Fällen begründete man dies mit zu hohen Belastungen für die arbeitende Bevölkerung durch die Folgekosten zu strikter Klimavorgaben.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion