Ampel verhindert Untersuchungsausschuss gegen Bundeskanzler Scholz

Der Bundestag hat gestern mit der Ampelmehrheit die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgelehnt. Die Union hatte den Ausschuss beantragt, um den Steuerskandal um die Hamburger Warburg Bank und Scholz’ Rolle aufzuklären. Nun wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen, was ein historischer Vorgang wäre.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konnte gestern einen Untersuchungsausschuss zum „Cum-Ex“-Skandal abwenden.Foto: Maja Hitij/Getty Images
Von 7. Juli 2023

Die Ampelkoalition im Bundestag hat gestern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegen Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD), verhindert. Schon im Vorfeld der Abstimmung hatte der Geschäftsordnungsausschuss am Dienstagnachmittag dem Plenum die Ablehnung eines entsprechenden Antrags der CDU/CSU-Fraktion empfohlen. Am Donnerstag wurde der Antrag dann mit der parlamentarischen Mehrheit der Ampel abgeschmettert.

Die CDU und CSU im Bundestag hatten einen Untersuchungsausschuss beantragt, um den Steuerskandal um die Hamburger Warburg Bank und die Rolle des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers, Olaf Scholz, aufzuklären.

„Wir haben als CDU/CSU sehr konstruktiv im Verfahren zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses in der Finanzaffäre Scholz/Warburg mitgewirkt. Leider war die Ampel-Koalition im gesamten Verfahren ausschließlich darauf bedacht, den Untersuchungsgegenstand einzuschränken. Offenbar hat der Bundeskanzler etwas zu verbergen“, mutmaßte der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Geschäftsordnungsausschuss, Patrick Schnieder, nach der Abstimmung am Dienstag.

Für die Union ist die Ablehnung des Antrags ein „historischer Vorgang“. Es sei das erste Mal seit 1949, dass ein von der Parlamentsminderheit beantragter Untersuchungsausschuss nicht eingesetzt wird. In Richtung FDP stellte der CDU-Bundestagsabgeordnete Schnieder fest: „Schade, dass sich FDP und Grüne zu Handlangern der SPD haben machen lassen und die Aufklärung der Steueraffäre Scholz-Warburg weiter behindern.“ Mit mehr Transparenz und offenem Regierungshandeln – so wie es im Koalitionsvertrag steht – hätte das Verhalten der Ampelkoalition nichts mehr zu tun. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei ein zentrales Minderheitenrecht. „Die Ampel-Koalition ist nicht bereit, dieses Minderheitenrecht zu respektieren“, so Schnieder.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt, nachdem das Landgericht Bonn im April 2023 die Anklage gegen den ehemaligen Chef und Mitinhaber der Hamburger Warburg Bank Christian Olearius zugelassen hat. Der Untersuchungsausschuss sollte sich insbesondere mit der Frage beschäftigen, warum die Hamburger Steuerbehörden – im Unterschied zu anderen Bundesländern – auf Rückzahlungen aus den illegalen Cum-Ex-Geschäften in Millionenhöhe verzichtet haben und ob dies auf Betreiben von Scholz geschah. Nachdem die Hamburger Steuerbehörden 2016 Geld von der Warburg Bank gefordert hatten, traf sich Olearius mehrfach mit Olaf Scholz. Im Anschluss verzichteten die Steuerbehörden auf ihre Forderungen.

Experten hatten verfassungsrechtliche Bedenken

Seit Monaten streiten sich vorwiegend die Union und die Sozialdemokraten über die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses. Am 22. Juni fand im Bundestag zu diesem Thema auch eine öffentliche Anhörung des Geschäftsordnungsausschusses statt. Eine Mehrzahl der sechs hinzugezogenen juristischen Fachleuten hielten die von der Union formulierten Fragen, mit denen sich der Untersuchungsausschuss beschäftigen soll, für verfassungswidrig. Bauchschmerzen bereitete der Mehrheit der Experten vor allem, dass der Bundestag Vorgänge in der hamburgischen Landesregierung und der Verwaltung untersuchen möchte, obwohl es keine allgemeine Aufsicht des Bundestages über die Länder gebe. Hier würde daher der Bundestag seine Kompetenzen überschreiten.

Der Verfassungswidrigkeit in Gänze widersprach in der Anhörung, Jelena von Achenbach, Juraprofessorin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Eine Untersuchung von Vorgängen im Land sei verfassungsrechtlich nicht generell ausgeschlossen und könne als „Grundlage der Kontrolle der Bundesregierung“ zulässig sein. Das gelte insbesondere in Bezug auf die grundgesetzlich vorgesehene Aufsicht der Bundesregierung über die Bundesauftragsverwaltung. Insgesamt gehe es beim Steuerrecht und bei der Finanzverwaltung zudem um einen wesentlich durch den Bund geprägten Rechts- und Verwaltungsbereich. Um verfassungsrechtlich zulässig zu sein, müsste das Untersuchungsanliegen aber in diesem Sinne ausgerichtet und begründet werden. Das sah die Professorin im damaligen Antrag nicht gegeben. Die Union hatte daraufhin ihre Fragen angepasst, hielt aber grundsätzlich an der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss fest.

Verfassungswidrig oder Respektlosigkeit?

Die SPD-Fraktion sah den Antrag gestern in der Abstimmung aber weiterhin als verfassungswidrig an. Bundestagsabgeordneter, Johannes Fechner, sprach in der Debatte von einem „denkwürdigen Tag“. Zum ersten Mal in der Parlamentsgeschichte traue sich eine Oppositionspartei, einen verfassungswidrigen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stellen. Der Bundestag, so argumentierte Fechner, sei für die Vorgänge in einem Bundesland nicht zuständig.

Außerdem gebe es zu Cum-Ex bereits einen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. „Wir wollen keinen verfassungswidrigen Untersuchungsausschuss“, so Dr. Fechner. Zur inhaltlichen Diskussion sagte Fechner, Scholz habe keinen Fehler gemacht. Der Union gehe es nicht um Sachaufklärung, sondern sie wolle „mit möglichst viel Dreck“ auf den Kanzler werfen.

Das sah die Union in der Debatte anders. CDU-Politiker, Patrick Schnieder, machte für seine Fraktion deutlich, dass von den „Argumenten der Koalition“ nicht viel übrig bliebe. Untersuchungsausschüsse hätten sich regelmäßig mit dem Handeln von Ländern befasst. Die Ablehnung des Antrags zeige, wie respektlos die regierungstragende Mehrheit mit dem Parlament umgehe.

Für die Grünen betonte Andreas Audretsch die „Wichtigkeit von Aufklärung und Transparenz“ sowie den Schutz der Minderheitenrechte. Der Antrag in seiner derzeitigen Form sei aber nach wie vor „verfassungswidrig“.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete, Kay Gottschalk, kritisierte das Verhalten der Koalition scharf und bezeichnet es als „Angriff auf die Minderheitenrechte der Opposition“. Gottschalk warf der Koalition einen Verfassungsbruch vor und sprach von einer „Delegitimierung der Demokratie“.

Für Stephan Thomae von der FDP ist die Kontrolle der Regierung durch einen Untersuchungsausschuss ein „wesentlicher Bestandteil der Demokratie“. Er weist jedoch darauf hin, dass der Bundestag keine übergeordnete Parlamentsinstanz ist und die Kontrolle der Landesregierungen in der Zuständigkeit der Landtage liege.

Christian Görke von den Linken fordert im Bundestag eine umfassende Aufklärung des „finanzpolitischen Skandals“. Der Politiker kritisierte die Koalition für ihre Versuche, den Untersuchungsgegenstand einzuschränken, und betonte weiter, dass die Aufklärung des Skandals im Deutschen Bundestag mit allen erforderlichen Mitteln und Ressourcen erfolgen solle.

Bundesverfassungsgericht müsste erstmals entscheiden

Für die Union ist der Vorgang allerdings nicht mit der Ablehnung ihres Antrags im Bundestag abgeschlossen. Der CDU-Abgeordnete, Patrick Schnieder, kündigte gestern schon im Bundestag an, dass man nun vor das Bundesverfassungsgericht gehen würde. Hier wolle man das „grundlegende Recht der Opposition“ einklagen. In Richtung von Bundeskanzler Scholz fragte der CDU-Politiker: „Wovor hat Bundeskanzler Olaf Scholz Angst? Warum hat er die Hosen gestrichen voll? Was hat er zu verbergen?“

Sollte die Union jetzt zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen, dann hätte das höchste Gericht in Deutschland erstmals seit Gründung der Bundesrepublik in einem Organstreitverfahren über die Ablehnung eines Untersuchungsausschusses durch die Regierungsmehrheit zu entscheiden.



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