Arztpraxen dicht – Linken-Chefin fordert von Lauterbach Dienst als Arzt

Der Virchowbund hat einen Streik niedergelassener Ärzte zwischen den Feiertagen vom 27. bis 29. Dezember angekündigt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat dafür nur wenig Verständnis. Auch von der Linken kommt harsche Kritik – allerdings gegenüber dem Minister selbst.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach musste bei der Bundesratssitzung am 24. November heftige Kritik einstecken. Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Lauterbach könne als Arzt auch selbst über die Feiertage und zwischen den Jahren Dienst schieben, meint die Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler.Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Von 23. Dezember 2023

Zu viel Bürokratie, wenig Personal und dürftige finanzielle Mittel. Seit Jahren regt sich Kritik am deutschen Gesundheitssystem. Als Protest gegen die aktuelle Gesundheitspolitik hat der freie ärztliche Verband Virchowbund bundesweit Haus- und Fachärzte aufgefordert, ihre Praxen vom 27. bis 29. Dezember geschlossen zu lassen.

Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kann diesem Streik nichts abgewinnen. Im Gegenteil. „Die Forderungen der Ärzteschaft sind bekannt, sie müssen nicht noch einmal vorgetragen werden, daher braucht jetzt nicht gestreikt werden, insbesondere wo so viele Menschen krank sind“, so der Minister gegenüber dem Sender RBB. Jetzt, wo jeder Zehnte krank sei und die Menschen die Versorgung bräuchten, dürften die ohnehin vollen Praxen nicht schließen.

Linke: Lauterbach für Engpässe mitverantwortlich

Unterstützung für den Protest der Ärzte hingegen kommt von der Bundesparteivorsitzenden der Linken, Janine Wissler, die wiederum Lauterbach kritisiert:

„Die Aufforderung von Minister Lauterbach an Hausärzte, ihre Patienten ‚nicht im Stich‘ zu lassen, ist unverschämt und blanker Hohn. Nicht die Ärzte, er selbst lässt die Menschen in Gesundheitsberufen und damit die Patienten seit zwei Jahren im Stich – nicht nur zwischen den Jahren“, so Wissler auf X.

Lauterbach könne als Arzt auch selbst über die Feiertage und zwischen den Jahren Dienst schieben, um „den Engpässen entgegenzuwirken, für die er mitverantwortlich ist“.

Damit hätte er mehr für die Gesundheit der Menschen in diesem Land getan als in zwei Jahren als Minister“, betont Wissler.

Sie bezeichnete Lauterbach als „Totalausfall“. Während andere Minister wenigstens vorgeben, dass sie Proteste ernst nehmen, würde Lauterbach sich öffentlich dagegenstellen und Hilferufe ignorieren.

Hausärzte kriechen „auf dem Zahnfleisch“

Bereits am 13. Dezember hatten die Hausärztinnen und Hausärzte eine Resolution verabschiedet. Die Situation in den hausärztlichen Praxen sei so angespannt wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Mittlerweile würden in der ambulanten Versorgung bald 5.000 praktizierende Hausärzte und etwa 11.000 Medizinische Fachangestellte fehlen.

Die Hausärzte kriechen „auf dem Zahnfleisch“, erklärte der Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, Markus Beier, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Dabei habe die Grippesaison noch gar nicht angefangen.

Angesichts der starken Belastungen bedürfe es dringend einem Abbau von Bürokratie. Denn diese verlängere die Wartezeiten, während für die Behandlung von Patienten kaum noch Zeit bleibe.

„Eine mangelhafte Digitalisierung und die überbordende Bürokratie zehren immer stärker an den bereits stark limitierten zeitlichen Ressourcen in den Praxen“, heißt es in der Resolution.

Zeitgleich wachse der Kostendruck, ohne dass ein angemessener Ausgleich erfolge. Die Hausärzte könnten und wollten die politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre nicht mehr durch Sonderschichten und Dauerstress wettmachen – dazu seien viele Praxen auch gar nicht mehr in der Lage.

„Unser Gesundheitssystem steckt in Bezug auf die hausärztliche Versorgung längst in einer Krise“, heißt es von den Hausärzten. Die Politik signalisiere zwar immer wieder zeitnahe Reformen, umgesetzt worden sei bisher aber nichts.

Hintergrund des Streiks

Für den Virchowbund ist der Ärztestreik im Rahmen der Kampagne „Praxis in Not“ notwendige Konsequenz, um Haus- und Facharztpraxen Verhör zu verschaffen. „Sie hätten für ihren aufopfernden Einsatz während der vergangenen Jahre einen staatlichen Corona-Bonus mehr als verdient. Leider unterstützt die Politik lieber Beamte und Verwaltungsangestellte als jene, die direkt die Bürgerinnen und Bürger versorgt haben“, so Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzende des Virchowbundes. Die freie Zeit zwischen den Feiertagen solle „ein Trostpflaster“ sein und die Attraktivität des Arbeitsplatzes Arztpraxis erhalten.

Zu Recht würden Medizinische Fachangestellte (MFA) kritisieren, dass der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte mittlerweile höher liege als ihr eigener Tariflohn. Nach Angaben des Virchowbundes sei „die politisch gewollte Budgetknappheit“ der Praxen das Haupthindernis zu einer fairen Entlohnung.

Fakt sei: „Ein Arzt allein ist noch keine Praxis. Wenn wir weiterhin MFA aus politischer Untätigkeit heraus verlieren, werden sich die Praxen in Zukunft noch stärker einschränken müssen“, warnt der Virchowbund-Bundesvorsitzende.

Wie Lauterbach auf X mitteilte, soll ein Krisengipfel im Januar stattfinden. Vorschläge zu einer notwendigen Entbürokratisierung und einer Honorarreform würden schon seit Monaten vorbereitet.

Bereitschaftsdienst für Notfälle: 116 117 oder 112

Ob durch den Ärztestreik mehr Arztpraxen als in den Vorjahren zwischen den Feiertagen geschlossen haben, ist nicht bekannt. Üblicherweise sind viele Praxen in diesem Zeitraum ohnehin wegen Urlaubs geschlossen.

Nach Angaben des Virchowbundes sei trotz der geschlossenen Arztpraxen vom 27. bis 29. Dezember für Notfälle gesorgt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen unterhalten einen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117. Bei echten medizinischen Notfällen, die ein schnelles Handeln erfordert, ist unter der Rufnummer 112 der Rettungsdienst erreichbar.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion