Bürgerentscheid in Greifswald: Direkte Demokratie gegen Containerdorf-Politik

Die Bürger von Greifswald sollen per Bürgerentscheid klären, ob städtische Grundstücke für Containerdörfer an den Landkreis verpacktet werden dürfen. Greifswalds Oberbürgermeister Fassbinder kündigte bereits an, dass es auch noch andere Möglichkeiten gebe. Die Stimmung ist aufgeheizt.
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Historischer Marktplatz der Hansestadt Greifswald.Foto: iStock
Von 21. April 2023

„Wütende Bürgerproteste gegen ein geplantes Containerdorf für Asylbewerber“, schreibt die dpa zu den Gründen, die in der Ostseestadt Greifswald im Juni einen Bürgerentscheid nötig machen.

Die Menschen von Greifswald wurden erst unmittelbar vor der Abstimmung der Ortsvertreterversammlung darüber informiert, dass bald schon 500 Asylbewerber direkt neben einer Schule und einem Kindergarten im Ostseeviertel der Stadt einquartiert werden sollten. Die Kosten der Errichtung des Containerdorfs: rund neun Millionen Euro.

Bürgerentscheid am 16. Juni

Am 16. Juni kommt es nun in Greifswald zu einem Bürgerentscheid über das geplante Containerdorf für Migranten. Diesem demokratischen Instrument der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene war eine weitere Form direkter Demokratie vorausgegangen, ein Bürgerbegehren.

Dabei wurde durch die Sammlung tausender Unterschriften die benötigte Menge an Stimmen erreicht und das Bürgerbegehren dem Gemeinderat vorgelegt. Nach Prüfung der Unterlagen wurde ein Bürgerentscheid zur Abstimmung aller stimmberechtigter Bürger anberaumt.

Das Ergebnis wird Gesetzeskraft haben. Die Entscheidung soll am 19. Juni fallen.

Die Bürger sollen auf die Frage antworten: „Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?“

Grünen-OB: Containerdörfer trotzdem möglich

Die Initiatoren des Bürgerentscheids verwahrten sich nach Angaben der dpa ausdrücklich gegen Vorwürfe, dass sie Rassisten oder Nazis seien. Dem Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) warfen sie vor, mit Äußerungen gegen den Bürgerentscheid seine Neutralitätspflicht verletzt zu haben.

Dieser hatte zuvor erklärt, dass auch ein ablehnender Bürgerentscheid nicht bedeute, dass nach Greifswald keine Flüchtlinge mehr kämen.

Laut dem Grünen-Politiker wirke sich das Ergebnis lediglich auf die Art der Unterbringung der Migranten aus. Seinen Angaben nach seien nach einem ablehnenden Bürgerentscheid dennoch Containerdörfer möglich, nur eben auf Flächen, die nicht der Stadt gehörten.

Menschen in Angst nach Messermorden

Doch warum sind viele der Bürger von Greifswald so wütend auf das von der Politik geplante Bauvorhaben?

Wie schon weiter westlich in Mecklenburg-Vorpommern, in dem Örtchen Upahl, wurden auch die Greifswalder von den zuständigen Politikern auf Kreisebene nahezu überrumpelt.

Der Bauplatz war auf einer Brachfläche an der Vitus-Bering-Straße bald gefunden, unweit von der Caspar-David-Friedrich-Schule und der Kita Zwergenland.

Ein wichtiger Aspekt, der die Bürger im Ostseeviertel von Greifswald aufwühlt, ist die Sorge um die Sicherheit ihrer Kinder. Nur wenige Monate vor der Abstimmung in der Schule kam es zu einem Verbrechen. Am 5. Dezember 2022 wurden in der Gemeinde Illerkirchberg in Baden-Württemberg zwei Mädchen auf ihrem morgendlichen Weg zur Schule von einem Asylbewerber aus Eritrea mit einem Messer angegriffen. Ein Mädchen starb, das andere wurde lebensgefährlich verletzt. Anschließend flüchtete der Mann ins nahe gelegene Asylheim, um sich zu verstecken.

Ein weiterer Fall, der für große Aufregung sorgte: Am 25. Januar 2023 starben zwei junge Menschen in einem Zug bei Brokstedt, Schleswig-Holstein, durch eine Messerattacke. Der Täter, ein mehrfach krimineller Palästinenser, verletzte fünf weitere Menschen teilweise schwer, bevor er überwältigt werden konnte.

Auch in Upahl haben die Menschen Angst um ihre Familie und um ihre Kinder. Dort sollen rund 500 Asylbewerber untergebracht werden, genauso viele, wie Menschen in der Gemeinde leben. Am 26. Februar, ein Tag vor der Ortsvertreterversammlung in Greifswald, fand in Grevesmühlen eine Bürgerversammlung zum geplanten Containerdorfs in Upahl statt.

400 Menschen nahmen daran teil – und auch Landrat Tino Schomann (CDU) und Meck-Pomms Innenminister Christian Pegel (SPD). 100 Bürger protestierten draußen, laut, aber friedlich. 120 Polizisten waren im Einsatz. Der Landrat musste auf Nachfrage zugeben, dass es sich bei den Migranten größtenteils um alleinreisende Männer handelt. Er versprach Sicherheitskonzepte und dass man darauf achte, die Migranten gut einzubinden.

Angst auch bei den Menschen von Upahl

„Die Frauen sitzen da und weinen, weil sie Angst haben, sie können nachts nicht mehr spazieren gehen, nicht mehr mit dem Fahrrad fahren“, erklärte Jan Achilles von der Bürgerbewegung Bürger Upahls. Der Familienvater sprach auch von der Angst seiner eigenen Tochter und fragt in die Runde, mit Tränen in Augen und Stimme: „Wie soll als Vater ich ihr die Angst nehmen, wenn ich selber Angst habe … und jede Nacht wach werde … und sie in der Gerichtsmedizin besuche?“

Die Kommentare auf Twitter sind entsprechend: „Wenn von 500 Asylbewerbern 480 normal und nett sind und 20 sind Idioten, die was auch immer für Straftaten begehen, dann hat Upahl immer noch 20 Straftäter mehr. Will keiner hören. Habe viele Jahre in Afrika und Asien gelebt. Die sind einfach anders sozialisiert. So einfach.“

Eine Userin, eigenen Angaben nach Mutter von zwei Kindern, fragt, wie Integration denn gelingen solle, „wenn plötzlich fast die Hälfte der Einwohner Upahls aus dem Ausland kommt“? Integration funktioniere doch nur, wenn eine deutliche Mehrheit Sprache, Kultur und Sitten vorleben könne. Ansonsten würden sich „einfach nur zwei Lager“ bilden.

Ruck-Zuck funktioniert nicht mehr

Am 27. Februar, nur vier Wochen nach den aufwühlenden Morden von Brokstedt, hatte der Kreistag Vorpommern-Greifswald in Pasewalk die Summen für das Containerdorf mit 25 zu 19 Stimmen bei zehn Enthaltungen bewilligt. Nahezu zur gleichen Zeit sollte in der Aula der Caspar-David-Friedrich-Schule die Ortsvertreterversammlung über den Bau des Containerdorfs abstimmen. Für interessierte Bürger hatte man 60 Sitzplätze reserviert.

Doch alles kam anders. Interesse und Andrang waren viel größer als erwartet. Bis zu 500 Menschen waren gekommen und standen auf der Straße vor der Schule dicht gedrängt zusammen, was später als unangemeldete und damit illegale Demonstration ausgelegt wurde. Ihnen gegenüber standen rund 50 Teilnehmer einer organisierten und angemeldeten Gegendemonstration, die unter anderem lautstark „Nazis raus“ skandierten.

Nach Angaben des „Nordkurier“ laufen die Beschlussverfahren für geplante Asylheime immer gleich ab. Landkreis und Landrat suchen fortwährend neue Unterkünfte und die Städte und Kommunen machen durch die Bürgermeister Vorschläge zu Unterkünften oder Baugrundstücken für ein Containerdorf. Der eigentliche Beschluss erfolge dann allerdings mit einer Abstimmung in der Bürgerschaft.

In der Versammlung der Ortsteilvertreter des Ostseeviertels von Greifswald selbst wurde das Containerdorf an besagtem Montagabend einstimmig mit neun zu null Stimmen abgelehnt: „Wir wollen die Unterkunft nicht an diesem Standort“, erklärte der Vorsitzende der Ortsvertreter Uwe Liedtke (CDU).

Fassbinder verließ Versammlung über Hinterausgang

Als der Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) nach der Abstimmung die Schule über den Hintereingang und unter Polizeischutz verlassen wollte, kam es zu einem Tumult.

Die Polizei berichtete später: „Während der Versammlungen versuchten offenbar einige der Teilnehmer der nicht angemeldeten Versammlung die Konfrontation mit dem Oberbürgermeister der Hansestadt Greifswald zu suchen, als dieser das Gebäude, in dem die Sitzung stattfand, verlassen wollte.“ Nach Angaben von Polizeisprecher Andrej Krosse von der Polizeiinspektion Anklam wurde dabei gegen eine Person der Schlagstock eingesetzt.

Wie der „NDR“ berichtete, sollen nach Polizeiangaben zuvor im Internet Aufrufe kursiert sein, vor dem Haus des Politikers zu protestieren. Bei dem Bürgerauflauf vor der Schule sollen nach Angaben der Polizei, schreibt der Sender, auch „mindestens 20 Menschen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen seien“ anwesend gewesen sein.



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