Bundestagsbeschluss vor Sommerpause: Polizei darf Zeugen zur Aussage zwingen

„Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ – unter diesem unscheinbaren Namen wird ein Freiheitsrecht der Bevölkerung beschnitten, das Zeugnisverweigerungsrecht. Nun müssen Zeugen im Ermittlungsverfahren vor der Polizei aussagen.
Titelbild
Polizeibeamte (Symbolbild).Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images
Von 26. Juli 2017

Die Legislaturperiode des Bundestages ist vorbei – und wer erinnert sich noch an die Abstimmungen vor der Sommerpause? Sechs Gesetze wurden beschlossen, dessen Folgen zukünftig spürbar sein werden. Die EPOCH TIMES berichtete.

Doch ein Gesetz wurde bisher kaum thematisiert: Die Abschaffung des Zeugnisverweigerungsrechts gegenüber der Polizei. Die Gesetzesänderung versteckt sich in einem Paragrafen des „Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ – deswegen wurde sie fast gar nicht beachtet.

Zeugen müssen vor Polizei aussagen

Bisher waren Zeugen nicht verpflichtet, im Ermittlungsverfahren der Ladung der Polizei folge zu leisten und konnten ihre Aussage verweigern. Eine Erscheinens- und Aussagepflicht bestand bisher nur bei Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder vor Gericht.

Seit dem 7. Juli ist das anders. Zeugen müssen nun auf Ladung der Polizei erscheinen und aussagen.

Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.“

(Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, S.11)

Die Ladung der Polizei soll im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgen.

Strafverteidiger: Gesetz „unverschämt vage“ formuliert

Der Strafverteidiger Udo Vetter kritisierte das Gesetz schon vor einem Monat auf seinem „lawblog“. Das Gesetz sei „unglaublich – man könnte auch sagen unverschämt – vage“ formuliert und könnte missbraucht werden. So sei nicht klar formuliert, wie die Staatsanwaltschaft den Polizeibeamten den Auftrag erteilen solle. Folglich könnte ein Staatsanwalt die Polizei pauschal beauftragen, „in allen seinen Verfahren die Zeugen zu laden und in eigener Regie zu vernehmen“, beklagt Vetter.

Auch sei keine Ladungsfrist bestimmt worden. Das könnte die Polizisten dazu verleiten, eine Ladung an Ort und Stelle auszusprechen und auf diese Weise eine Aussage erzwingen, kritisiert der Strafverteidiger.

Sollte der Zeuge nicht erscheinen oder seine Aussage verweigern, kann die Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld verhängen – und das zuständige Gericht eine Ordnungshaft.

Verfahren vereinfachen und beschleunigen – Kosten einsparen

Mit dieser Änderung sollen Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Damit könnten Kosten eingespart werden – die Höhe der Einsparungen sei „allerdings nicht bezifferbar“. Denn es gebe noch keine Daten, wie oft diese „Praxis der Verfahrensvereinfachung“ jährlich angewandt werden wird, heißt es im Gesetzentwurf.

(Hier: „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ als Pdf in voller Länge)



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