Chef der Bundeszentrale für politische Bildung: AfD-Wahl ist kein Protest mehr – „Wähler wollen diese Partei“

Die AfD sei „ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv“. Gängige Erklärungsmuster für den jüngsten Erfolg der AfD sind zu eng, warnt Bundeszentrale-Chef Thomas Krüger. Für Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig geht es darum, „die AfD zurecht zu stutzen“.
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Die AfD legt in Umfragen zu.Foto: Nicolas Herrbach/iStock, Jens Schlueter/AFP via Getty Images
Epoch Times2. Juli 2023

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, kritisiert gängige Erklärungsmuster für den jüngsten Wahlerfolg der AfD bei einer Landratswahl in Thüringen. „Ich warne davor, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen“, sagte er den Zeitungen des RedaktionsNetzwerk Deutschland vom Sonntag. Das sei eine Verharmlosung. „Die Wählerinnen und Wähler wollen diese Partei. Darin besteht der Ernst der Lage.“

In Teilen der Gesellschaft hätten sich „bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar sind“, urteilte Krüger. Die AfD sei „ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv“. SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte in Reaktion auf den AfD-Höhenflug eine Politik an, „die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt“.

„Typisch ostdeutsch“?

Hinter dem Etikett „typisch ostdeutsch“ verberge sich „der Versuch der Nicht-Ostdeutschen, das Phänomen zu erklären“, kritisierte Krüger, der selbst aus Thüringen stammt. „Und dieses Phänomen besteht darin, dass relativ gut situierte Bürgerinnen und Bürger in einem sehr kleinen Landkreis der Meinung sind, dass rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Positionen von einer vorrangig von Westdeutschen repräsentierten und in Teilen rechtsextremen Partei salonfähig gemacht werden.“

Im Landkreis Sonneberg in Süden von Thüringen hatte am Sonntag vergangener Woche der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Stichwahl um das Landratsamt gewonnen. Es ist das erste Mal, dass ein AfD-Politiker einen Landratsposten bekommt. Derzeit unterzieht allerdings das Landesverwaltungsamt Sesselmann noch einem sogenannten Demokratiecheck. Die Behörde prüft dabei, ob der AfD-Politiker als Landrat geeignet ist.

Krüger sagte zu der Entscheidung in Sonneberg, er kenne „viele Ostdeutsche, die da nicht mitgehen. Ich würde sogar sagen, dass diese Wahl weder typisch ostdeutsch noch typisch deutsch ist“.

Der Behördenchef rief dazu auf, „den Common Sense in der Mitte der Gesellschaft zu stärken“. Hier sehe er enorme Herausforderungen. „Denn die Institutionen des demokratischen Rechtstaates sind in bestimmten Teilen dieser Republik abwesend und stehen nicht hinreichend als Gesprächspartner zur Verfügung.“ Dazu zählten etwa Kommunalverwaltungen in bestimmten Regionen oder Parteien.

Krüger forderte insgesamt mehr Einsatz: „Wir dürfen die Sache nicht laufen lassen und Radikalisierungen billigend in Kauf nehmen“, sagte er.

Sonntagstrend: SPD hinter AfD

Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Insa für „Bild am Sonntag“ erhebt, haben die Sozialdemokraten erneut einen Punkt im Vergleich zur Vorwoche verloren und kommen auf 19 Prozent. Die AfD hingegen kann ihren Wert von 20 Prozent aus der Vorwoche halten und liegt damit einen Punkt vor der Kanzlerpartei.

Leicht bergauf geht es für die Grünen. Sie können einen Punkt zulegen, kommen in dieser Woche auf 14 Prozent. Die FDP bleibt bei sieben Prozent, die Union bei 26 Prozent. Die Linke kann einen Punkt hinzugewinnen und würde mit fünf Prozent den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Die Ampel hätte damit zusammen 40 Prozent und würde wie in den Vorwochen eine Mehrheit klar verfehlen.

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Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte dem „Tagesspiegel“ (Monatsausgabe), die rechtspopulistische Partei werde „weder heute noch in fünf oder zehn Jahren von der Bildfläche verschwinden“. Es müsse darum gehen, „die AfD zurecht zu stutzen“.

„Wir müssen Veränderungen so organisieren, dass die Menschen sie nachvollziehen können, anstatt sie zu überfordern“, mahnte Dulig. Es gehe „um vernünftige Politik statt um Stimmungsmache“.

Grüne als Hauptgegner? Kritik von SPD an CDU

Der SPD-Vorsitzende Klingbeil sagte der „Bild am Sonntag“ zu seiner Taktik gegen die AfD, es seien drei Dinge nötig: „Erstens: gute Politik, die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt. Löhne, Wohnen, Rente, bezahlbare Energie, das sind die Themen. Zweitens: einen politischen Stil, der den Leuten nicht erklärt, wie sie sein sollen, sondern ernst nimmt, was sie umtreibt. Und drittens: öfter mal raus aus Berlin und mit den Menschen im ganzen Land reden. Wir dürfen nicht ‚die da in Berlin‘ sein.“

Mit Blick auf die jüngsten Auseinandersetzungen in der Ampel etwa über das Heizungsgesetz äußerte sich Klingbeil selbstkritisch. „Das war zu viel, das war zu laut“, sagte er. „Die AfD profitiert allgemein von Streit und Verunsicherung. Sie bietet aber keine Lösungen, nur die Illusion, dass trotz Krieg und Klimawandel alles so bleiben kann, wie es ist“, unterstrich der SPD-Vorsitzende.

Klingbeil kritisierte scharf die Ankündigung des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, die Grünen als „Hauptgegner“ in der Regierung ins Visier zu nehmen. „Man kann doch nicht unmittelbar, nachdem der erste AfD-Landrat gewählt wurde, die Grünen zum größten politischen Gegner erklären“, sagte Klingbeil der „Bild am Sonntag“.

„Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die das Land aus den Fugen bringen und die Gesellschaft spalten will. Sie ist der politische Gegner für alle Demokraten“, betonte der SPD-Chef.

Merz hatte als Konsequenz aus der Wahl in Sonneberg eine verschärfte Auseinandersetzung mit den Grünen angekündigt.

Die Grünen seien verantwortlich für die Polarisierung in der Energie- und Umweltpolitik, begründete der CDU-Chef diese Ansage und verwies auf den Streit der Ampelkoalition um das Heizungsgesetz, der viele Menschen verunsichert habe. „Deswegen werden für uns auf absehbare Zeit auch die Grünen die Hauptgegner sein in dieser Bundesregierung“, kündigte Merz an. (dpa/afp/red)



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